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Jenseits der Gehege

Biologie.- In Zoos leben die Tiere in Gehegen - klar. Schweizer Biologen wollten aber wissen, welche Arten noch in Tierparks wohnen, die nicht auf den Übersichtstafeln der Anlagen zu finden sind - außerhalb von Gittern, Zäunen und Volieren.

Von Volker Mrasek | 06.09.2011
    "Sie ist eine Pionierarbeit."

    Das sagt der Schweizer Zoologe und Hochschullehrer Bruno Baur über die von ihm angeregte Untersuchung ...

    "Die Studie hat natürlich eingeschlagen wie ein Donnerschlag."

    Das sagt Volkmar Wolters, Professor für Tierökologie an der Universität Gießen und Präsident der Gesellschaft für Ökologie.

    Über einen Zeitraum von drei Jahren durchkämmte ein Team aus über 40 Biologen systematisch den Zoo der Stadt Basel. Nicht für die Tiere in Gehegen und Volieren interessierten sich die Forscher, sondern für das Leben Drumherum: auf Bäumen, Wiesen, Wegen und Wasserflächen.

    "Wir wollten einmal genau untersuchen: Wie viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten, die frei leben, gibt es so in einem Stadtpark?"

    Ein vergleichbares Projekt gab es noch nie. Sein Ergebnis verblüffte selbst Bruno Baur, der als Professor für Naturschutzbiologie an der Universität Basel lehrt. Seine Experten-Teams identifizierten mehr als 3100 verschiedene Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die auf dem Gelände des Basler Zoos vorkommen ...

    "Aber das ist bei weitem nicht alles, was wir gefunden haben. Leider haben wir nicht mehr genügend Fachkenntnisse für verschiedene Artengruppen. Wenn wir die Arten dazu nehmen, die wir nicht direkt bestimmen konnten, schätzen wir, dass es 5500 sind. Mindestens. Das ist sehr viel! Wenn Sie die Zahl der Pflanzen- und Tierarten nehmen, die die Schweiz hat: das ganze Land ungefähr 60.000, geschätzt. Das würde also bedeuten. Wir haben ungefähr acht Prozent der schweizerischen Artenvielfalt in einem einzigen Stadtpark."

    Locker übertrifft die Zahl der freilebenden Untermieter damit auch die der gefangenen Zootiere:

    "Für jedes Tier, das mit einem Schild angeschrieben ist im Zoo, müsste man noch fünf weitere Schilder für die unbekannten aufstellen."

    Von Gefäßpflanzen und Pilzen entdeckten die Biologen jeweils knapp 700 verschiedene Arten auf dem Freigelände des Zoos. Bei Käfern waren es rund 300, bei Vögeln fast 100. Auch geschützte Arten fanden sich reichlich: genau 113, die in der Roten Liste der Schweiz geführt werden. Ökologe Baur kann sich eine ähnliche Vielfalt von Flora und Fauna auch in anderen Zoologischen Gärten vorstellen:

    "Ich denke, wir kommen in gleiche Größenordnungen. Also, wenn ich jetzt an Berlin denke. Die werden sicher auch über 3000 Arten haben. Das sind Artenreichtümer, die können größer sein als in einem Nationalpark."

    Mit ein Grund dafür ist, dass Zoologische Gärten im allgemeinen keine chemischen Spritzmittel für die Parkpflege einsetzen, um den Tieren nicht zu schaden. Davon profitieren auch die freilebenden Arten auf dem Gelände. Für Volkmar Wolters ein wichtiger Fingerzeig:

    "Es zeigt uns, dass wir bei vernünftiger Pflege von Stadtparks - durch das Weglassen von Insektiziden, durch nicht zu viel Gifte und nicht zu viel Störungen - auch sehr artenreiche Lebensräume schaffen können."

    Das darf man als Empfehlung an alle Stadtplaner und Grünflächenämter verstehen. Denn was im Zoo funktioniert, sollte genauso in gewöhnlichen Parks klappen. Auch in der Stadt sei Artenvielfalt wichtig, sagt Naturschutzbiologe Baur:

    "Die ökologische Funktion von Grünräumen im Siedlungsraum, die ist längstens bewiesen. Da geht's um Luftreinigung. Da geht's um Abkühlung. Da geht's um die grüne Lunge in der Stadt. All diese Biomasse muss natürlich auch umgewandelt werden. Also, da fällt Laub auf den Boden. Das muss abgebaut werden. Daraus muss sich wieder Boden bilden und so weiter. Und da sind natürlich viele, viele Organismen daran beteiligt."

    Ökologen wie Baur und Wolters würden sich wünschen, dass sich auch andere Städte ein genaueres Bild von ihrem Arten-Repertoire machen. Um die heimische Flora und Fauna besser schützen zu können.

    "Vielleicht tragen wir ja mit dieser Sendung dazu bei."