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Jenseits der Manege

Elefanten, Giraffen, Nilpferde – in freier Wildbahn durchstreifen sie riesige Areale, leben in Großfamilien. Nach Angaben der Tierschutzorganisation "vier Pfoten" halten mehr als 200 Zirkusbetriebe in Deutschland diese exotischen Tiere. In den meisten Fällen angekettet oder in viel zu enge Käfige gesteckt. Die neue Verordnung sollte den Tieren helfen, so jedenfalls die Absicht der Abgeordneten.

Von Martin Labadz | 21.07.2004
    Auch ein dreiviertel Jahr nach dieser Entscheidung hat sich allerdings noch nicht viel getan. Das Ministerium von Renate Künast diskutiert immer noch über die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Geprüft werde unter anderem, ob nicht bereits das Tierschutzgesetzt und vorhandene Leitlinien den Schutz der Tiere ausreichend gewährleisten, so Ursula Horsietzky, Pressesprecherin des Bundesverbraucherministeriums. Gerade aber in den Leitlinien sieht Jürgen Faulmann, Pressesprecher der Tierrechtsorganisation PETA, ein eher schwaches Kontrollmittel:

    Das sind Minimalanforderungen, die aber von den Zirkussen weder erfüllt werden noch irgendwie kontrolliert werden können. Sie werden halbherzig von den Amtstierärzten, aber nur auf Aufforderung der Tierrechts- und Tierschutzorganisationen, kontrolliert.

    Die Zeit drängt, meinen die Tierschützer. Der Tierschutz in Deutschland hinke "Jahre hinterher", so Faulmann. Dennoch könne den Tieren durch die neue Verordnung ein Leben in Gefangenschaft erspart bleiben. Auch Beate Schüler, Pressesprecherin von "Vier Pfoten", plädiert für die neue Verordnung:

    Wildtiere können grundsätzlich in einem fahrenden Zirkusbetrieb nicht artgerecht gehalten werden. Ein Zirkusbetrieb ist dafür ausgelegt, dass schnell auf und abgebaut werden kann, dass gut sauber gemacht werden kann. Wildtiere haben hohe Ansprüche an die Haltung, und die kann ein Zirkusbetrieb überhaupt nicht leisten.

    Zudem spricht sich Schüler für die Schaffung eines Zentralregisters für Zirkusse aus. Nur, wenn zentral erfasst werde, welcher Zirkus mit welchen Tieren unterwegs ist, könne eine lückenlose Kontrolle der Betriebe erreicht werden.

    Kontrolle sei dringend notwendig, bestätigt auch Jürgen Faulmann. Bei Recherchearbeiten hat PETA herausgefunden, dass selbst der größte deutsche Zirkus den so genannten Elefantenhaken noch immer einsetzt. Die Dompteure des Zirkus Krone versuchen hiermit die mächtigen Tiere unter Kontrolle zu halten. Oft jedoch verursacht diese mit spitzen Haken versehene Stange schmerzende Verletzungen in den Kniekehlen und im Gesichtsbereich der Elefanten. Auch, wenn Elefanten umgangssprachlich oft als Dickhäuter bezeichnet werden: Schon der Stich einer Mücke kann bei ihrer sensiblen Haut zum Bluten führen.

    Doktor Susanne Matzenau, Pressesprecherin des Zirkus Krone, hat kein Verständnis für die Bedenken der Tierschützer:

    Die Elefantenhaken haben die gleiche Funktion wie zum Beispiel auch die Rüssel der Mütter. Die Mütter halten ja auch die Kinder daran fest, wenn sie ihnen zum Beispiel an einem Baum oder einer Wasserstelle helfen.

    Zwischen den Vorstellungen und nachts sind die Elefanten überwiegend an Ketten gefesselt - nach Angaben von Susanne Matzenau zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Pfleger. Diese Tiere hätten ihren natürlichen Drang zum Umherwandern verloren. Dabei legen sie in Freiheit auf der Suche nach Futter oft Strecken von mehreren hundert Kilometern zurück. Die Sprecherin ist von der vorbildlichen Tierhaltung im Zirkus Krone überzeugt und spricht sich daher für eine Einzelbewertung jedes Zirkusbetriebes aus. Das pauschale Verbot von Wildtieren würde ihrer Ansicht nach das Aus des klassischen Zirkus bedeuten. Doktor Helmut Wölfel, Zoologe an der Universität Göttingen, widerspricht:

    Sie können bei einem Zirkus, von denen die meisten Einrichtungen sind, die nicht stationär sondern mobil sind, ein Tier nicht artgerecht halten. Das ist eindeutig ein Zwang und ein Negativum.

    Deutschland wäre nicht das erste europäische Land, das Wildtiere in Zirkussen verbietet. In Österreich sind bereits entsprechende Gesetze in Kraft getreten.