Ouverture im Freien: Eine fröhliche Schar altmodisch ordentlich angezogener Kinder trollt sich draußen unter den großen Kastanienbäumen vor den Stufen des Littmannbaus.
Auch drinnen im Saal wird der Nachwuchs aufs Publikum losgelassen, darf sich portionsweise durch die Sitzreihen des Parketts drängeln - und verstummt auf einen Schlag. Der feine und dann rasch auch heftige Atem der Musik setzt mit vereinzelten Klanggeräuschaktionen der Instrumentalisten ein. Etwa ein halbes Dutzend solistischer Orchestermitglieder, dazu David Shively an der Singenden Säge, das Schlagwerk und die grundierenden sechs Kontrabässe bringen stockend einen akustischen ‚Prozess' hervor: Sie pressen in peristaltischen Bewegungen das heraus, was seit der Münchener Uraufführung von "Pnima" im Jahr 2000 als düster, rau, verschattet und bedrohlich wahrgenommen wird.
Johannes Kalitzke lenkt wie ein Schutzmann auf belebter Straßenkreuzung mit aller gebotenen Sachlichkeit die Ströme wie das An- und Innehalten dieser Musik. Sie baut auf ihre Weise Spannungen auf- und ab, nimmt jedenfalls eine gute Stunde lang ein gebanntes Auditorium in Beschlag. Der Titel der Musik zielt aufs "Innerste" - und dies animiert die mitvollzugswilligen Hörer gewiss dazu, auch in sich selbst hineinzuhorchen. Bei einem besonders vollmundig schwadronierenden Hamburger Feuilleton-Redakteur führte dies dazu, dass er die "dunklen Schächte des Unterbewusstseins" zum Klingen gebracht wusste, aber vielleicht das Unbewusste meinte und es doch nicht wusste.
Czernowins Tonkunst im Gefolge Helmut Lachenmanns, des Stuttgarter Altmeisters der verweigerten Klangopulenz, mögen ungute Erfahrungen der 1957 in Haifa geborenen Komponistin zugrunde liegen. Doch weder durch literarische Verklammerung noch gar durch irgendwelche genuin musikalische Insignien ‚reflektiert' die Partitur Erfahrungen des Holocaust oder dessen Spätfolgen für die Kinder und Enkel der Überlebenden. Den traumatischen Erfahrungen der Partitur-Autorin könnten ebenso gut die einer asthmatischen Kindheit oder die ewig juckenden einer Allergikerin zugrunde liegen. Der Rest ist Glaubenssache.
Auf der Bühne zeigte sich dank Herbert Murauers Geschick eine schicke Installation, die vielseitig bespielbar ist: ein Sessel, dahinter ein Klavier; auf der anderen Seite vorn ein Überseekoffer, hinten ein Schrank, aus dem später die teilweise derangierten und dann verpflasterten Musikinstrumente zum Vorschein kommen und an Bilder von Max Ernst, Man Ray, Joseph Beuys oder Nam June Paik erinnern. Vorn spielt ein Knabe mit seiner Eisenbahn und neben ihm ein alter Plattenspieler, auf dessen Teller sich ein kleiner Eiffelturm, das Brandenburger Tor und anderer Nippes drehen. An dem an zentraler Stelle postierten Tisch mit acht Gedecken, zwei Broten und einem Weck-Kessel sitzen acht Personen - zum Essen, Rauchen, Karten spielen. Aber sie finden keinen Autor: Sie bleiben bis auf das aus ihren Reihen herrührende Stöhnen, Zischen und Stammeln stumm. Wer nichts sagt, kann auch nichts Falsches sagen. Freilich ist es mitunter falsch, nichts zu sagen.
Yona Kim ordnete dem begriffs- und handlungslosen Musikwerk optische Anspielungen in assoziativ reicher Fülle zu: Die Türen rechts und links werden verriegelt, verrammelt und die Schlitze mit Klebeband abgedichtet, wie dies vor einigen Jahren in Israel angesichts der angeblich von Saddam Hussein drohenden Giftgasangriffe der Brauch war. Angedeutet findet sich das offensichtlich nicht unproblematische Verhältnis des Knaben zu einem älteren Mann und zu einer mütterlichen Frau. Aber nichts Genaues sieht und hört man nicht in dieser dekorativ aufbereiteten Quasigeschichte zu etwas Unaussprechlichem, die dank vager Vermutungen so anrührt. Am Ende trägt der Junge einen "verwundeten" Kontrabass, mit Pflastern und Bandagen erstversorgt, quer durchs Theater. Ein schönes Ausrufezeichen!
Auch drinnen im Saal wird der Nachwuchs aufs Publikum losgelassen, darf sich portionsweise durch die Sitzreihen des Parketts drängeln - und verstummt auf einen Schlag. Der feine und dann rasch auch heftige Atem der Musik setzt mit vereinzelten Klanggeräuschaktionen der Instrumentalisten ein. Etwa ein halbes Dutzend solistischer Orchestermitglieder, dazu David Shively an der Singenden Säge, das Schlagwerk und die grundierenden sechs Kontrabässe bringen stockend einen akustischen ‚Prozess' hervor: Sie pressen in peristaltischen Bewegungen das heraus, was seit der Münchener Uraufführung von "Pnima" im Jahr 2000 als düster, rau, verschattet und bedrohlich wahrgenommen wird.
Johannes Kalitzke lenkt wie ein Schutzmann auf belebter Straßenkreuzung mit aller gebotenen Sachlichkeit die Ströme wie das An- und Innehalten dieser Musik. Sie baut auf ihre Weise Spannungen auf- und ab, nimmt jedenfalls eine gute Stunde lang ein gebanntes Auditorium in Beschlag. Der Titel der Musik zielt aufs "Innerste" - und dies animiert die mitvollzugswilligen Hörer gewiss dazu, auch in sich selbst hineinzuhorchen. Bei einem besonders vollmundig schwadronierenden Hamburger Feuilleton-Redakteur führte dies dazu, dass er die "dunklen Schächte des Unterbewusstseins" zum Klingen gebracht wusste, aber vielleicht das Unbewusste meinte und es doch nicht wusste.
Czernowins Tonkunst im Gefolge Helmut Lachenmanns, des Stuttgarter Altmeisters der verweigerten Klangopulenz, mögen ungute Erfahrungen der 1957 in Haifa geborenen Komponistin zugrunde liegen. Doch weder durch literarische Verklammerung noch gar durch irgendwelche genuin musikalische Insignien ‚reflektiert' die Partitur Erfahrungen des Holocaust oder dessen Spätfolgen für die Kinder und Enkel der Überlebenden. Den traumatischen Erfahrungen der Partitur-Autorin könnten ebenso gut die einer asthmatischen Kindheit oder die ewig juckenden einer Allergikerin zugrunde liegen. Der Rest ist Glaubenssache.
Auf der Bühne zeigte sich dank Herbert Murauers Geschick eine schicke Installation, die vielseitig bespielbar ist: ein Sessel, dahinter ein Klavier; auf der anderen Seite vorn ein Überseekoffer, hinten ein Schrank, aus dem später die teilweise derangierten und dann verpflasterten Musikinstrumente zum Vorschein kommen und an Bilder von Max Ernst, Man Ray, Joseph Beuys oder Nam June Paik erinnern. Vorn spielt ein Knabe mit seiner Eisenbahn und neben ihm ein alter Plattenspieler, auf dessen Teller sich ein kleiner Eiffelturm, das Brandenburger Tor und anderer Nippes drehen. An dem an zentraler Stelle postierten Tisch mit acht Gedecken, zwei Broten und einem Weck-Kessel sitzen acht Personen - zum Essen, Rauchen, Karten spielen. Aber sie finden keinen Autor: Sie bleiben bis auf das aus ihren Reihen herrührende Stöhnen, Zischen und Stammeln stumm. Wer nichts sagt, kann auch nichts Falsches sagen. Freilich ist es mitunter falsch, nichts zu sagen.
Yona Kim ordnete dem begriffs- und handlungslosen Musikwerk optische Anspielungen in assoziativ reicher Fülle zu: Die Türen rechts und links werden verriegelt, verrammelt und die Schlitze mit Klebeband abgedichtet, wie dies vor einigen Jahren in Israel angesichts der angeblich von Saddam Hussein drohenden Giftgasangriffe der Brauch war. Angedeutet findet sich das offensichtlich nicht unproblematische Verhältnis des Knaben zu einem älteren Mann und zu einer mütterlichen Frau. Aber nichts Genaues sieht und hört man nicht in dieser dekorativ aufbereiteten Quasigeschichte zu etwas Unaussprechlichem, die dank vager Vermutungen so anrührt. Am Ende trägt der Junge einen "verwundeten" Kontrabass, mit Pflastern und Bandagen erstversorgt, quer durchs Theater. Ein schönes Ausrufezeichen!