Die vorrangige Form dieser Autoren blieb immer die Lyrik. Der seit 1970 publizierende promovierte Psychologe Helmut Eisendle war derjenige, der nicht nur einen einzigartigen philsophischen wie psychologischen Ernst in die österreichische Literaturdebatte brachte, sondern Prosa schrieb. Eine Prosa, die bis zuletzt Sigmund Freud verpflichtet war und Unterhaltungsromane im gehobenen Sinne des Wortes bot.
In seinen Romanen unterhalten sich seine Protagonisten auf außergewöhnlich hohem Niveau. Eisendle schrieb Dialogromane. Schlichte erzählerische Prosa boten seine Bücher nie. Sie bestachen durch den essayistischen Exkurs. Es waren harte Brocken, die uns Helmut Eisendle zu schlucken gab. Aber hatte man es einmal gelernt, sich auf seinen sprachlichen Furor, auf seinen einzigartigen intellektuellen Humor einzulassen, konnte man von seinen Texten nicht mehr lassen. Man wurde regelrecht süchtig nach ihnen.
Romane wie "Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand" oder "Exil oder der braune Salon", erschienen in den siebziger Jahren. In einem Jahrzehnt also, da in der deutschsprachigen Literatur tüchtig herumpsychologisiert wurde wie selten zuvor und nie mehr danach, waren Helmut Eisendles Romane Stiche ins Herz jener Leser, die sich mit einer damals verkäuflichen, weil leicht zu verdauenden Selbsterfahrungsliteratur begnügten, mit einer Literatur der "Neuen Subjektivität, "Neuen Innerlichkeit" oder wie man sie sonst noch nannte, die Ich-Romane eines narzistischen Jahrzents. Und so lasen wir gegen den Strich der Zeit Helmut Eisendle. Betraten wir, wie einer seiner stärksten Romane hieß, "Das nachtländische Reich des Doktor Lipsky".
Es wurde einem schwindlig beim Lauschen der Gespräche zwischen Schubert und Estes, jenen beiden Hauptfiguren in "Jenseits der Vernunft". Man war als Leser dieses 1976 erschienen Romans vom Redefluß der beiden rhetorischen Kontrahenten zugleich fasziniert und eingeschüchtert. "Die Grenzen der Sprache bedeuten die Grenzen der Welt". Schubert und Estes wollten sich mit dieser Gewissheit nicht abfinden, und mit einer geradezu lustvoll empfundenen Ohnmacht öffneten sie sich in ihrem Aufeinandereinreden Räume der Phantasie, die wir Leser mit angehaltenem Artem betraten.
In Eisendles Büchern ging es buchstäblich um alles oder nichts. Jedes Gespräch, aber auch jeder Monolog in Helmut Eisendles Prosa kreiste am Ende immer um den Tod und die Möglichkeit, seinen Tod selbst zu bestimmen. Als Helmut Eisendles Freund, der Schriftsteller Franz Innerhofer in den Freitod ging, sagte Eisendle in seinem letzten Interview vor wenigen Tagen: "Ich bin wirklich sauer, daß sich der Franz umgebracht hat, ohne mir etwas zu sagen. Ich hätte es ihm schon ausgeredet."
Die Hoffnung, mit der Rede, sprich, mit dem Schreiben, wie Michel Foucault es sagte, "dem Pfeil des Todes auszuweichen", diese Hoffnung aufrecht zu erhalten, war für Helmut Eisendles ein geradezu sysiphoshaftes Unterfangen. Mehr als 40 Bücher, 25 Hörspiele, Theatestücke und Fernsehfilme schuf Eisendle in den 33 Jahren seiner schriftstellerischen Arbeit. Am Ende wurden es immer weniger, die sein Werke lasen.
Unter Schriftstellern, seinen österreichischen Landsleuten zumal, blieb er allerdings bis zuletzt eine Lichtgestalt. Peter Rosei, Michael Scharang, Gert Jonke, Gerhard Roth - sie alle beriefen sich auf ihn. Helmut Eisendle machte sich, wie man das so sagt, um die österreichische Literaturszene verdient; er war Mitglied des "Forum Stadtpark", er war neben Alfred Kolleritsch Mitherausgeber der Zeitschrift für Literatur und Kunst, "Manuskripte". Vor wenigen Tagen ist sein letzter Roman erschienen. Sein literarisches Vermächtnis. Das darin auftretende Personal ist weitgehend identisch mit dem in "Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand".
Nur, die Sätze in diesem mit letzter Kraft geschriebenen Buch sind kürzer geworden. Der Roman heißt "Ein Stück des blauen Himmels", eine letzte Meditation über den Tod. Einmal im Jahr, an ihrem Hochzeitstag, treffen sich Estes und Sophie in Venedig, lassen ihre Ehe wieder aufleben, die eigentlich keine mehr ist. "Als Mann liebt man die Erinnerung", sagt Estes, schließlich habe man doch zwanzig Jahre, egal wie heftig der Streit war, miteinander verbracht. Zuvor war Sophie mit Schubert nach Venedig gefahren, der sich dort umbringen wollte, aber von Sophie davon abgehalten werden konnte. Zunächst.
Am Tag X steht Schubert auf - Helmut Eisendle schildert jeden einzelnen Schritt mit einer ungeheuren Eindringlichkeit - duscht, rasiert und frisiert sich, zieht seinen schwarzen Anzug an, nimmt seine Winchester, lädt sie durch, legt die 3. Symphonie von Rachmaninow auf den Plattenteller, trinkt einen dreifachen Kognak, legt sich - das Gewehr daneben - aufs Bett, nimmt eine Überdosis Veronal, und erstickt an Schluckkrämpfen. Estes fühlt sich verantwortlich für den Tod seines Freundes. Er kann und will sich mit dessen Tod nicht abfinden, bis ihn selbst der Tod bedroht. - Helmut Eisendle litt an Speiseröhrenkrebs. Am Wochenende ist er gestorben. "Mein Echo wird schallen", lautet einer der letzen Sätze im Buch.
In seinen Romanen unterhalten sich seine Protagonisten auf außergewöhnlich hohem Niveau. Eisendle schrieb Dialogromane. Schlichte erzählerische Prosa boten seine Bücher nie. Sie bestachen durch den essayistischen Exkurs. Es waren harte Brocken, die uns Helmut Eisendle zu schlucken gab. Aber hatte man es einmal gelernt, sich auf seinen sprachlichen Furor, auf seinen einzigartigen intellektuellen Humor einzulassen, konnte man von seinen Texten nicht mehr lassen. Man wurde regelrecht süchtig nach ihnen.
Romane wie "Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand" oder "Exil oder der braune Salon", erschienen in den siebziger Jahren. In einem Jahrzehnt also, da in der deutschsprachigen Literatur tüchtig herumpsychologisiert wurde wie selten zuvor und nie mehr danach, waren Helmut Eisendles Romane Stiche ins Herz jener Leser, die sich mit einer damals verkäuflichen, weil leicht zu verdauenden Selbsterfahrungsliteratur begnügten, mit einer Literatur der "Neuen Subjektivität, "Neuen Innerlichkeit" oder wie man sie sonst noch nannte, die Ich-Romane eines narzistischen Jahrzents. Und so lasen wir gegen den Strich der Zeit Helmut Eisendle. Betraten wir, wie einer seiner stärksten Romane hieß, "Das nachtländische Reich des Doktor Lipsky".
Es wurde einem schwindlig beim Lauschen der Gespräche zwischen Schubert und Estes, jenen beiden Hauptfiguren in "Jenseits der Vernunft". Man war als Leser dieses 1976 erschienen Romans vom Redefluß der beiden rhetorischen Kontrahenten zugleich fasziniert und eingeschüchtert. "Die Grenzen der Sprache bedeuten die Grenzen der Welt". Schubert und Estes wollten sich mit dieser Gewissheit nicht abfinden, und mit einer geradezu lustvoll empfundenen Ohnmacht öffneten sie sich in ihrem Aufeinandereinreden Räume der Phantasie, die wir Leser mit angehaltenem Artem betraten.
In Eisendles Büchern ging es buchstäblich um alles oder nichts. Jedes Gespräch, aber auch jeder Monolog in Helmut Eisendles Prosa kreiste am Ende immer um den Tod und die Möglichkeit, seinen Tod selbst zu bestimmen. Als Helmut Eisendles Freund, der Schriftsteller Franz Innerhofer in den Freitod ging, sagte Eisendle in seinem letzten Interview vor wenigen Tagen: "Ich bin wirklich sauer, daß sich der Franz umgebracht hat, ohne mir etwas zu sagen. Ich hätte es ihm schon ausgeredet."
Die Hoffnung, mit der Rede, sprich, mit dem Schreiben, wie Michel Foucault es sagte, "dem Pfeil des Todes auszuweichen", diese Hoffnung aufrecht zu erhalten, war für Helmut Eisendles ein geradezu sysiphoshaftes Unterfangen. Mehr als 40 Bücher, 25 Hörspiele, Theatestücke und Fernsehfilme schuf Eisendle in den 33 Jahren seiner schriftstellerischen Arbeit. Am Ende wurden es immer weniger, die sein Werke lasen.
Unter Schriftstellern, seinen österreichischen Landsleuten zumal, blieb er allerdings bis zuletzt eine Lichtgestalt. Peter Rosei, Michael Scharang, Gert Jonke, Gerhard Roth - sie alle beriefen sich auf ihn. Helmut Eisendle machte sich, wie man das so sagt, um die österreichische Literaturszene verdient; er war Mitglied des "Forum Stadtpark", er war neben Alfred Kolleritsch Mitherausgeber der Zeitschrift für Literatur und Kunst, "Manuskripte". Vor wenigen Tagen ist sein letzter Roman erschienen. Sein literarisches Vermächtnis. Das darin auftretende Personal ist weitgehend identisch mit dem in "Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand".
Nur, die Sätze in diesem mit letzter Kraft geschriebenen Buch sind kürzer geworden. Der Roman heißt "Ein Stück des blauen Himmels", eine letzte Meditation über den Tod. Einmal im Jahr, an ihrem Hochzeitstag, treffen sich Estes und Sophie in Venedig, lassen ihre Ehe wieder aufleben, die eigentlich keine mehr ist. "Als Mann liebt man die Erinnerung", sagt Estes, schließlich habe man doch zwanzig Jahre, egal wie heftig der Streit war, miteinander verbracht. Zuvor war Sophie mit Schubert nach Venedig gefahren, der sich dort umbringen wollte, aber von Sophie davon abgehalten werden konnte. Zunächst.
Am Tag X steht Schubert auf - Helmut Eisendle schildert jeden einzelnen Schritt mit einer ungeheuren Eindringlichkeit - duscht, rasiert und frisiert sich, zieht seinen schwarzen Anzug an, nimmt seine Winchester, lädt sie durch, legt die 3. Symphonie von Rachmaninow auf den Plattenteller, trinkt einen dreifachen Kognak, legt sich - das Gewehr daneben - aufs Bett, nimmt eine Überdosis Veronal, und erstickt an Schluckkrämpfen. Estes fühlt sich verantwortlich für den Tod seines Freundes. Er kann und will sich mit dessen Tod nicht abfinden, bis ihn selbst der Tod bedroht. - Helmut Eisendle litt an Speiseröhrenkrebs. Am Wochenende ist er gestorben. "Mein Echo wird schallen", lautet einer der letzen Sätze im Buch.