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Jenseits des Zufalls

Der britische Geologe Simon Conway Morris ist ein hervorragender Forscher und ein hundertprozentiger Darwinist. Das gestehen ihm selbst seine Gegner zu. Warum muss man das anmerken? Weil für Morris nicht der Zufall die Evolution regiert, vielmehr hat sie eine Richtung.

Von Dagmar Röhrlich | 15.06.2008
    Selbst wenn die Evolution noch einmal von vorne begänne, in ihrem Verlauf entstünde wieder Intelligenz und Bewusstsein – und auch so etwas wie Menschen, auch wenn sie nicht genau aussehen müssten wir wie wir. Und wenn es eine zweite Erde im Universum gäbe, dann könnte auch dort Leben entstehen, das dem auf unserem Planeten ähnelt. Es ist alles eine Frage der Gesetze von Physik und Chemie.

    Nach Morris haben die Zufälle, die in der klassischen Evolutionstheorie das A und O aller Prozesse sind, "auf lange Sicht keine große Auswirkung auf das entwicklungsgeschichtliche Endprodukt". Ob Flügel, Augen oder Gehirn – es gibt nur eine beschränkte Zahl von Möglichkeiten, sie effizient zu gestalten, und die hat die Evolution bei den unterschiedlichsten Lebewesen auch umgesetzt. Weil wir alle auf dem Planeten Erde zurechtkommen müssen, filtert das Leben automatisch die optimalen Lösungen heraus, setzt sie bei den unterschiedlichsten Organismen ein.

    Das Linsenauge des Menschen gleicht dem des Ringelwurms und des Tintenfischs, weil es sonst nicht funktionieren könnte. Deshalb, so schreibt er, hat die Evolution auch eine Vorliebe für bestimmte Formen, die sie immer wieder einmal aus der Schublade zieht und erneut ins Spiel des Lebens mischt – Säbelzähne etwa.

    Morris' Buch ist amüsant, voller Anekdoten und ein wunderbarer Lesestoff. Und wenn man etwas den Werkzeuggebrauch der neukaledonischen Geradschnabelkrähe gelesen hat, sieht man seine eigene Zange im Werkzeugkasten mit ganz anderen Augen.

    Simon Conway Morris: Jenseits des Zufalls. Wir Menschen im einsamen Universum
    ISBN: 978-3-940-43207-0
    Berlin University Press, 367 Seiten, 44,90 Euro