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Jenseits von Jena

99 Prozent aller Betriebe in Ostdeutschland sind mittelständische Betriebe, sie erwirtschaften etwa dreiviertel des Umsatzes in der Region und beschäftigen knapp 90 Prozent aller Berufstätigen. Trotzdem stehen in der Gunst vieler Politiker oftmals die Großkonzerne und nicht die Mittelständler. Wer hat noch Interesse an den kleinen Firmen jenseits von Jena?

Von Susanne Arlt | 21.08.2005
    Hermsdorfer Kreuz. Verkehrsknotenpunkt im Herzen Deutschlands. Die A4 verbindet den Westen mit dem Osten. Die A9 den Norden mit dem Süden. Der Aufschwung Ost begann für Alois Zein schon vor der Wiedervereinigung. Der gelernte Bauingenieur machte sich drei Monate nach dem Fall der Mauer selbständig. Sein eigener Herr sein, davon hatte der gebürtige Thüringer schon immer geträumt. Er gründete eine Firma für Straßenbauausstattung. Zu dritt fuhren sie quer durch Ostdeutschland, markierten Mittelstreifen. Doch als endlich zusammenwuchs was zusammengehörte, wurde dem Unternehmer schnell klar: Ein westdeutscher Gesellschafter musste einsteigen mit dem nötigen Know-how.
    Zu Zeiten der DDR hatte Alois Zein mit dem Material markiert, was vorrätig war - Mangelwirtschaft eben. Doch die neuen Markierungsvorschriften der Bundesrepublik waren kompliziert - und die Konkurrenz aus dem Westen groß. Heute kämpfen 150 Unternehmer aus ganz Deutschland um Aufträge. Dass Alois Zein auch fünfzehn Jahre nach der Wiedervereinigung einer von ihnen ist, habe er wohl auch seinem Partner aus München zu verdanken. Von ihm habe er alles gelernt, sagt Alois Zein anerkennend. Als sein bayerischer Kollege vor zwei Jahren aus Altersgründen aus dem Unternehmen ausstieg, kaufte Zein ihm seine Anteile ab. Zehn Millionen Euro hat der Thüringer Unternehmer bislang in die Zein & Pfnür Straßenausstatter GmbH gesteckt. Keine Innovationen bedeuten Stillstand, sagt er. Auch wenn es nur darum geht, eine Markierung fachgerecht auf die Straße aufzutragen.

    " Meine Erfahrung in den letzten Jahren ist die, nur wenn ich von der Technologie her die neuesten Produkte anbieten kann, bleibe ich auch wettbewerbsfähig. Ich habe vor zwei Jahren ein Unternehmen gekauft in Thüringen, dass hat die gleichen Arbeiten ausgeführt wie wir auch und der Unternehmer war nicht bereit, in neue Technologien zu investieren. Mit dem Ergebnis, dass er vor zwei Jahren gesagt hat: Ich kann nicht mehr, ich muss jetzt verkaufen. "
    Qualität sei sein Schlüssel zum Erfolg, sagt Zein. Dazu tragen auch seine Mitarbeiter bei. Mittlerweile sind es 100. Seit zwei Jahren arbeitet der Thüringer ausschließlich mit einem privaten Jobvermittler zusammen. Der arbeite wesentlich effizienter als die Arbeitsagenturen, meint Zein. Bislang hat sich das hohe Investitionsvolumen gelohnt. Das Unternehmen Z&P markiert heute Straßen in ganz Deutschland, weil es jede mögliche Art der Fahrbahnmarkierung anbietet. Darauf ist der Unternehmer aus Thüringen stolz. Noch dazu habe er alles aus eigener Kraft geschafft – ohne staatliche Subventionen! Lediglich das Grundstück im ostthüringischen Braunichswalde in der Nähe von Gera hat er günstig von der Oberfinanzdirektion Erfurt bekommen. Mit der Maßgabe zu investieren. Doch das fällt dem Thüringer immer schwerer. Die Eigenkapitalquote ostdeutscher Unternehmen liegt bei acht Prozent.
    Jeden Euro, den Alois Zein anfangs verdient hat, hat er sofort in sein Unternehmen gesteckt. Im vergangenen Jahr hatte die Firma einen Umsatz von sieben Millionen Euro im Jahr. Allein 3,5 Millionen gehen für Materialkosten drauf. 20 Prozent davon muss er vorfinanzieren. Doch keine Bank ist mittlerweile bereit, ihm so viel Geld zu geben.

    "Die Risikobereitschaft von finanzierenden Banken ist zurzeit so gering, wie ich sie noch nie erlebt habe. Und das macht uns das Leben unheimlich schwer. Wir müssen anfangen und müssen zuviel Eigenkapital in die Investition legen. Und verlieren dabei natürlich unheimlich an Liquidität. Und das ist eigentlich unser größtes Problem. "

    Nach den Beschlüssen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, kurz Basel II genannt, ist seit diesem Jahr die Bonität kreditsuchender Unternehmen das entscheidende Kriterium für die Kreditvergabe. Für Alois Zein ein Teufelskreis, aus dem er nur schwer ausbrechen kann. Bankangestellte schlagen ihm vor, nicht ausschließlich auf Fremdkapital in Form von Krediten zu setzen. Doch die Eigenkapitalquote mit modernen Finanzinstrumenten wie Factoring oder Leasing zu stützen kommt für ihn nicht in Frage. Dafür setze sein Unternehmen zu wenig um, argumentiert der Straßenausstatter. Er wirft dagegen den Kreditunternehmen vor, ihre Hausaufgaben nicht richtig zu machen.

    ": Ich habe das Gefühl, den leuchtet das nicht richtig ein. Die Fragen immer nach Straßenbau und im Bauwesen geht alles zurück. Also wir werden einfach in die Schublade Bauwesen geschoben. Ich arbeite von Beginn meiner Tätigkeit als Unternehmer mit einer Bank zusammen. Und das jetzt über fünfzehn Jahre. Und in diesem Zeitraum habe ich vielleicht zwölf Mitarbeiter als Ansprechpartner. Und das macht die Sache so schwer. Dann fangen sie jedes Jahr von vorne an. "
    Zein erklärt regelmäßig den Finanziers, dass Bund, Länder und Kommunen für die Straßen verkehrsicherungspflichtig sind. Das heißt, es gibt regelmäßig Aufträge vom Staat. Als einer seiner Bankiers den Betrieb besuchte und das Geschäft kennenlernte, war es plötzlich einfach, einen Förderkredit der Hausbank auf die Beine zu stellen. Doch als der Ansprechpartner die Filiale wechselte, fing Zeins Überzeugungsarbeit wieder von vorne an. Der sächsische Staatssekretär für Wirtschaft, Christoph Habermann, kennt das Problem:

    "Wir wissen ja, dass hier im Osten wie auch im Westen der Republik die Sparkassen diejenigen sind gemeinsam mit den Volksbanken, die den allergrößten Teil der Finanzierung des Mittelstands, vor allem der wirklich kleinen Unternehmen übernehmen und das soll aber nicht heißen, dass sich die privaten Banken da nicht gefordert fühlen sollen. Da ist sicherlich ein zusätzliches Engagement drin. Und ich finde es manchmal ein bisschen eigenartig, dass allgemein gepredigt wird, man solle sich doch etwas mehr Risikobewusstsein leisten, auch bei Investitionen, aber ausgerechnet die Banken scheuen offenbar dieses Risikobewusstsein und ich glaube, dass können wir uns nicht leisten, denn ohne die Finanzierung von Investitionen gibt es keine Investitionen und da spielen die Banken in Deutschland eine besondere Rolle und nicht nur eine besonders lobens- und rühmenswerte Rolle. "

    Der Freistaat Sachsen verzeichnet mit knapp 3.000 Unternehmen die größte Zahl mittelständischer Betriebe in Ostdeutschland. In Analogie zum Westen haben die wenigsten Unternehmen im Osten einen angestammten Kundenkreis. Da es mit Basel II neue Kreditkonditionen gibt und Kredite nunmehr nur noch nach Risikogruppen verteilt werden, vermittelt seit kurzem das sächsische Wirtschaftsministerium seinen Mittelständlern Experten. Die sollen mit Blick auf Basel II die Unternehmer bei der Umfinanzierung von Krediten beraten. Zum Beispiel, wenn es um die Verlängerung von Krediten geht. Die Hilfe stößt auf regen Zuspruch.

    Außerdem will der Freistaat in Zukunft kleinere Unternehmen darin unterstützen, Netzwerke zu bilden, mit Forschungseinrichtungen zusammen zu arbeiten. In solch einem Verbund könnten beide Seiten, Wissenschaftler und Unternehmer, miteinander ins Gespräch kommen.

    Habermann: " Das sind junge Hochschulabgänger, junge Frauen, junge Männer, die unmittelbar aus dem Hochschulstudium kommen oder die in den letzten Jahren ihre Abschlussarbeit gemacht haben und auch geforscht haben und die von daher natürlich noch ganz genau wissen, die kennen die Professoren, bei denen sie studiert und gearbeitet haben und die sind jetzt in einem Unternehmen drin. Die sind wenn man so will der fleisch gewordene Wissens- und Technologietransfer ins so ein kleines Unternehmen hinein. "

    Die meisten dieser Hochschulabgänger, die mit öffentlichen Geldern mitfinanziert werden, werden von den Unternehmen später übernommen. Ähnlich verfahren auch Thüringen und Sachsen-Anhalt. Es gibt aber auch direkte finanzielle Hilfe vom Staat. Die ostdeutschen Bundesländer vergeben an ihre Mittelständler langfristige Darlehen. Investitionsfreudige Unternehmen erhalten stilles Beteiligungskapital, damit die ihre Eigenkapitalquote erhöhen und somit leichter an Bankkredite kommen. Dem thüringischen Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz geht diese Hilfe aber nicht weit genug. Weil vielen jungen ostdeutschen Unternehmen vor allem eigenes Kapital fehlt, verspricht sich Reinholz wesentlich mehr von einer neuen Steuerreform und verweist aufs Ausland:

    " Schauen Sie sich mal die baltischen Staaten an, Lettland zum Beispiel. Die Gewinne, die sie im Unternehmen stehen lassen, brauchen sie nicht zu versteuern. Die Steuererklärung ist zwei Seiten lang und die Steuerverwaltung ist angewiesen innerhalb von fünf Tagen Bescheide zurückzuerstatten. Deutschland hat glaube ich 96.000 Steuervorschriften, 108 Steuergesetze, 418 Ausnahmetatbestände, das muss sukzessive weg, damit es sich auch wieder lohnt zu investieren und das führt meiner Meinung nach auch wieder zu mehr Steuerehrlichkeit. "

    99 Prozent aller Betriebe in Ostdeutschland sind mittelständische Betriebe, sie erwirtschaften etwa dreiviertel des Umsatzes in der Region und beschäftigen knapp 90 Prozent aller Berufstätigen. Trotzdem stehen in der Gunst vieler Politiker oftmals die Großkonzerne und nicht die Mittelständler. Wer hat noch Interesse an den kleinen Firmen jenseits von Jena? Das ärgert Thomas Bauerfeind. Der 31-jährige sitzt im Vorstand der Bauerfeind AG und will eines Tages den Betrieb seines Vaters im thüringischen Zeulenroda übernehmen. Das Unternehmen hat sich auf Kompressionsstrümpfe und Gelenkbandagen spezialisiert. 1991 kehrte sein Vater in den süd-ostthüringischen Ort zurück, in dem sich 1929 der Urgroßvater selbständig gemacht hatte. Strumpfwirker waren bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Thüringer Vogtland ansässig.

    Bauerfeind: "Also fairerweise muss ich sagen, ich würde auch lieber Autos produzieren, aber wenn man in die Sache eintaucht, lässt sich da schon viel an Technik des Kompressionsstrumpfes abgewinnen, da ja auch bei uns computergesteuert, genau nach den Maßen produziert wird. Ja und ab und zu kommt man natürlich auch in die Gelegenheit mal mit einem schönen Frauenbein in Kontakt zu kommen. "

    Die etwa 14.000 Einwohner große Stadt Zeulenroda kämpft noch immer mit den Folgen der gescheiterten sozialistischen Planwirtschaft. Die zu DDR-Zeiten ansässigen Firmen, beschäftigten mehrere Tausend Menschen. Nur wenige fanden in den Nachfolgefirmen einen Job. Größter und wichtigster Arbeitgeber der Stadt ist mittlerweile die Bauerfeind AG. Aus anfangs 70 Mitarbeitern sind inzwischen 700 geworden. Die Stärke, die das Unternehmen ausstrahlt, kann der Besucher schon von weitem sehen. Ein zwölf Stockwerk hoher Glasturm thront quasi über dem ansonst flachen Land. Der Erfolg des Familienbetriebs lässt kritische Stimmen jedoch schnell verstummen: Über 160 Millionen Euro Umsatz hat die Bauerfeind AG im vergangenen Jahr an ihrem Standort in Zeulenroda gemacht.
    150 Hightech-Strickmaschinen spucken in Fließbandproduktion in einem Guss und nach Maß angefertigte Kompressionsstrümpfe aus. Als vollstufiger Betrieb stellt das Unternehmen alles in eigener Regie her, vom Garn bis zum Strumpf. Insgesamt vier medizinische Produktsparten, Orthopädie, Kompressionsstrümpfe, Fußorthopädie und Prothetik machen mittlerweile das Profil der Bauerfeindgruppe aus. Ein wissenschaftlicher Ärzte-Beirat bringt neue Ideen ein, vor allem bei den Bandagen. Die Produkte werden auch klinischen Tests unterzogen. Und beim Kompressionsstrumpf waren sie die ersten, die ihn in Modefarben auf den Markt brachten.
    Ohne Innovation wären wir heute nicht das, was wir sind, sagt Unternehmer Thomas Bauerfeind. Mitarbeiter einer eigenen Forschungsabteilung und eines Innovationszentrums testen jeden Tag, wie sie die Produkte verbessern können. Allerdings, Qualität habe ihren Preis, sagt der Jungunternehmer.

    Bauerfeind: "Da alle unsere Produkte in Deutschland entwickelt und produziert werden, werden die natürlich dementsprechend teuer. Was man heute noch mit der Qualität und dem Anspruch rechtfertigen kann, wo es aber langfristig immer schwieriger wird, durch die Globalisierung die Kopien und das Nachahmen der Produkte immer besser, immer schneller wird. "

    Die hohen Lohnnebenkosten würde der Jungunternehmer am liebsten reduzieren. Doch ins billigere Osteuropa verlagert die Bauerfeind AG trotzdem nicht ihre Produktion. Zum einen fühlt sich die Unternehmerfamilie für ihre 700 Angestellten verantwortlich. Zum anderen hat man nicht nur gute Erfahrungen im Ausland gesammelt. Die einzige ausländische Produktionsfirma der Bauerfeind AG steht in Ungarn. Sie war als reiner Lohnveredler geplant, doch fehlendes Fachpersonal machte vorerst einen Strich durch die Rechnung der Bilanzen.
    200 Kilometer weiter östlich kurz vor der polnischen Grenze steht ein sächsisches Erfolgsunternehmen. Traditionsunternehmen könnte man sagen, denn in Hirschfelde, zehn Kilometer nördlich von Zittau hat der Badener Wolfgang Groß nicht nur einen Betrieb am Leben erhalten. Er hat einen ostdeutschen Mythos am Leben erhalten. Gemeint ist das legendäre grünliche Spülmittel fit, mit dem man, so sagen Kenner der Materie, Läuse tötete, Trabbis wischte und ab und an auch Geschirr spülte. Installateure hatten zu DDR Zeiten immer eine Flasche dabei. Schäumten die mit fit eingeschmierten Leitungen nicht, waren sie dicht.
    Wolfgang Groß beschäftigt heute in seinem Traditionsunternehmen aus der Oberlausitz 100 Mitarbeiter. Nach nur einem Jahr der Übernahme schrieb fit wieder schwarze Zahlen. Jeden Monat laufen 1,8 Millionen fit Flaschen vom Band. Die Produktion wird automatisch von einem Zentralcomputer gesteuert und in Linie produziert. Die gesamte Fabrikation, von der Herstellung der Plastikflaschen, über Abfüllung, Verpackung in Kartons und Lagerung auf die Paletten – alles läuft im Betrieb ab. Als Wolfgang Groß den Betrieb Anfang 1993 von der Leuna übernahm, lag vieles im Argen. Die Produktion war veraltet, die Maschinen überholt, 400 Menschen saßen an altersschwachen Fließbändern und schraubten die Plasteflaschen von Hand zu. 55 Millionen Euro hat Groß bislang in die Sanierung und Erweiterung seiner Firma investiert. Von Bund und Land hat er dafür knapp 35 Prozent an Subventionen bekommen. Ohne den staatlichen Zuschuss, sagt Wolfgang Groß, hätte er das Unternehmen nicht am Leben erhalten können. Heute sieht das anders aus.

    Groß: " Die neuen Förderrichtlinien sind extrem stark beschnitten, die sind lange nicht mehr so vorteilhaft wie das früher der Fall war. Hier will wieder mit der Gießkanne durchs Land gegangen werden, dass jeder ein bisschen bekommt. Das hilft aber niemandem letztendlich. Und dann die Forderung, dass unbedingt so und so viel neue Arbeitsstellen geschafft werden, das ist auch nicht förderlich. Wenn also jemand schon an der Grenze ist zu Produktivitätsgrenze und zur Wirtschaftlichkeitsgrenze, da kann man dem nicht noch aufbürden, wenn er seine Anlage jetzt modernisieren muss, kann er eigentlich mit der neuen Anlage mit weniger Leuten in der Regel mehr produzieren, und dann muss er dann dazu aber noch zusätzlich Leute einstellen. Das ist eigentlich Unfug. "
    Der promovierte Chemiker war Forschungsleiter und Marketingchef bei großen Chemie-Unternehmen . Die Selbständigkeit hat ihn allerdings immer gereizt und darum dachte er sich Anfang der 90er: Wenn man im Osten eine Marke übernimmt ist das besser als wenn man im Westen eine neue Marke initiiert. Er hat damit Recht behalten. Die Hälfte aller Haushalte in Ostdeutschland kauft einmal im Jahr fit. Der Marktanteil liegt bei 40 Prozent. Im vergangenen Jahr setzte das Traditionsunternehmen 33 Millionen Euro um. Immer wieder investiert Wolfgang Groß in neueste Technik:

    " Kaum war ich mit meiner Pulveranlage fertig, dann waren Tabs gefragt. Das haben Sie prima gemacht mit dem Pulver Herr Doktor Groß, aber wir hätten gerne Tabs. Sie wissen, dass der Markt sich langsam dreht. Da sag´ ich, jetzt macht mal langsam bitte. Ja nee entweder Sie bieten das ganze Sortiment an, oder es wird nichts. Wir mussten dann schon wieder investieren, wir waren gerade fertig mit der Investition und konnten gerade weitermachen. "

    Durch den strategischen Kauf der beiden Westmarken Rei und Sanso ist das Spülmittel fit mittlerweile auch in den Westregalen angekommen. Nur die großen Discountläden zieren sich noch. Aber Wolfgang Groß ist keiner, der schnell locker lässt.
    Obwohl der Unternehmer zwölf Jahre lang erfolgreich gezeigt hat, dass man sehr wohl mit einem Ostprodukt in einem Ostbetrieb Erfolg haben kann, kommt Groß nur schwer an Förderkrediten heran. Deutsche Banken haben ihm vor kurzem ein Geschäft vermasselt. Groß wollte einen Konkurrenten aufkaufen, die Finanziers prüften so lange seine Bilanzen, bis ein englischer Konkurrent zugriff. Die Banken auf der Insel waren schneller.

    Groß: " Es ist eine vorsichtige Haltung. Nicht dass die verschlafen sind, sondern sehr vorsichtig, möglichst wenig Risiko mit in die Bank übernehmen. Wenn möglich das Risiko auslagern, diese PREPS-Fonds und Mezzaninkapital, das wird dann auf den Kapitalmarkt gestreut und die Banken kassieren dafür Geld, dass sie die Firmen diesem Kapitalmarkt zuführen. Und die Gewinnmarge ist offensichtlich in der gleichen Größenordnung wie bei den bankeigenen Krediten, dafür müssten sie aber acht Prozent ihres Eigenkapitals zurücklegen und dass mögen sie im Moment nicht. "

    Zu diesen Bedingungen wollte Groß die Firma nicht kaufen. Über die vertane Chance ärgert er sich. Bei seiner knallharten Konkurrenz darf er sich solch ein Missgeschick eigentlich nicht leisten.

    Groß: "Sie können nicht still sein, sie müssen sich immer weiter entwickeln, es ergeben sich immer Chancen im Markt, neue, die Karten werden ständig neu gemischt und wenn sie da nicht mitmachen, sondern nur am Rande sitzen, dann ist es vorbei. In vier fünf Jahren rächt sich das, das ist das Ende der Firma. "

    Im sachsen-anhaltinischen Haldensleben quält den Marketingchef von Polystal Composites ein ähnliches Problem. Vor dreizehn Jahren fing das Unternehmen mit 15 Mitarbeitern an, heute sind es 60. Die Polystal GmbH zählt bereits jetzt weltweit zu den führenden Herstellern von Hochleistungsverbundwerkstoffen. Die stabartigen Kunststoffe haben ähnliche Zugfertigkeiten wie Stahl, sind aber elastisch und schützen kabelempfindliche Lichtwellenleiter. Im Gegensatz zu Gummi und anderen Kunststoffen schmecken die glasfaserverstärkten Kunststoffe den Ratten nicht - eine wichtige Eigenschaft für die Verlegung von Telefonkabeln in Kanälen. Im ersten Jahr produzierte das Unternehmen 30.000 Kilometer Polystal, inzwischen sind es 300.000. Das Unternehmen beliefert Kunden in mehr als 25 Länder in Europa, Amerika und Asien, darunter namhafte Firmen wie Alcatel, Corning Cable Systems und Pirelli.

    Doch um auszuschöpfen, was der Markt hergibt, um Nummer eins weltweit zu werden, müsste Polystal eigentlich das Doppelte im Jahr produzieren, sagt Marketingchef Thorsten Hildebrand. Der Gewinn der Firma ist jedoch zu gering. Ein typisch ostdeutsches Problem. Die noch recht jungen Unternehmen sind stark belastet durch die Zins- und Tilgungszahlungen der Förderkredite. Obwohl Polystal 2004 einen Umsatz von sechseinhalb Millionen Euro hatte und Wachstumsraten von 30 Prozent pro Jahr vorweisen kann, geben die Banken keine Kredite in der gewünschten Höhe.

    Hildebrandt: "Das was uns im Moment beschäftigt, dass wir ein sehr viel größeres Potential sehen auch für sehr viel schnelleres Wachstum, das wir aus eigenen Kräften nicht stemmen können. Das heißt, man muss sich dann Verbündete suchen und da ist sicherlich die Stimmung nicht so toll. Da werden Leute, die investieren, sehr schnell über einen Kamm geschoren. Also Leute die mit guter Absicht und sicherlich ökonomischen Interesse sich an solchen Firmen wie Polystal sich engagieren, die werden dann sehr schnell als Heuschrecken diskreditiert. "

    Polystal sucht darum Investmentfonds oder Privatpersonen, die an ihr Produkt glauben und ihr Vermögen dafür einsetzen. Denn wenn das Haldenslebener Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben will, muss es investieren und die Produktion verdoppeln. Auf staatliche Subventionen können nach fünfzehn Jahren Wiedervereinigung alle vier ostdeutschen Unternehmen wohl nicht mehr zurückgreifen. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben die Wirtschaftsminister die Förderrichtlinie für die Gemeinschaftsaufgaben regionale Wirtschaftsstruktur verschärft. Gefördert wird nur noch dort, wo neue Arbeitsplätze entstehen.