Der Kapitalismus frißt seine Kinder: die Eigentümer. Autos, Häuser oder Fabrikanlagen zu erwerben, ist nicht mehr angesagt. Unternehmer wie Konsumenten werden immer weniger in Sachkapital investieren. Denn Eigentum bindet und verpflichtet: man muß es pflegen, warten, managen. Zu schwerfällig und langsam in einem globalen Wirtschaftssystem, das ständig zulegt an Geschwindigkeit und Flexibilität. Internetboom und Börsenfieber zeigen die Richtung an: Gigantische Netzwerke treten an die Stelle der Märkte, und aus dem Streben nach Eigentum wird Streben nach Zugang. Nach Zugriff auf das, was die Netzwerke zu bieten haben. Eigentum wird es zwar weiterhin geben, so Jeremy Rifkin, aber konzentriert in den Händen vernetzter Großanbieter und immer weniger als Tauschobjekt.
Die Anbieter der neuen Ökonomie werden ihr Eigentum behalten, sie werden es verpachten und vermieten oder auch Zugangsgebühren, Abonnements - oder Mitgliedsbeiträge für einen befristeten Gebrauch erheben. Der Austausch von Eigentum zwischen Verkäufern und Käufern wird abgelöst vom kurzfristigen Zugang, wobei Anbieter und Kunden in einem Netzwerk miteinander verbunden sind. Märkte bleiben bestehen, spielen für die Beziehungen zwischen Menschen jedoch eine immer geringere Rolle.
Access: Zugriff, Zugang - das ist für Rifkin die Formel des kommenden Zeitalters. Entscheidend sind kurzfristige Verfügbarkeit und höchste Flexibilität. Autos werden geleast statt gekauft. Über den Internet-Zugang tritt man in Kontakt und ruft Wissen ab. Längst sind viele Unternehmen nicht mehr bereit, teure Ausrüstungen zu kaufen. Sie leihen sich das Sachkapital, das sie brauchen, und verbuchen die Leasingraten als kurzfristige Ausgabe, also als Betriebskosten. In den USA sind bereits heute fast ein Drittel aller Maschinen, Betriebsanlagen und Transportflotten geleast und nicht mehr Eigentum der sie nutzenden Unternehmen. Outsourcing - Auslagern - heißt die Devise. Große Firmen trennen sich von Immobilien und Maschinen und Dienstleistungen, die nichts mit ihrer Kernaufgabe zu tun haben.
Das hat viele Vorteile. Hat ein Unternehmen interne Dienstleistungen ausgelagert, kann es sich auf den eigentlichen Wertschöpfungsprozess konzentrieren. Ferner kann das Unternehmen auf Anbieter zurückgreifen, die wegen ihrer spezialisierten Fachkenntnisse erstklassige Dienste zu oft geringeren Kosten anbieten können. Outsourcing vermindert die Notwendigkeit, Kapital für teure Anlagen und eine ausgedehnte Infrastruktur zu binden, die nur peripher zur Wertschöpfung beitragen. Und schließlich verleihen Auslagerung und Leasing dem Unternehmen die notwendige Flexibilität, um sich auf den schnell ändernden Märkten mit ihren immer kürzeren Produktlebenszyklen zu behaupten. Indem sie statt auf langfristigen Besitz auf kurzfristigen Zugang setzen, können die Unternehmen mit dem Wettbewerb Schritt halten.
Bisher autonome Unternehmen beginnen mit Partnern zu kooperieren, vernetzen sich. Und in der vernetzten Ökonomie geht es immer mehr um den Handel mit Ideen und Konzepten. Die materielle Produktion steht nicht mehr im Mittelpunkt. So ist der weltweit führende Produzent von Sportschuhen "Nike" im Grunde genommen eine virtuelle Firma, findet der Autor. Ein Forschungs- und Entwicklungsbüro mit einem ausgeklügeltem Marketing- und Verteilungskonzept. Das Unternehmen schließt mit namenlosen Herstellern in Südostasien Verträge - und dort wird dann, oft unter miserablen Arbeitsbedingungen, ein Schuh daraus. Entwicklungen, die sich im Zuge der Globalisierung des Kapitals in atemberaubendem Tempo vollziehen. Aber läuten sie tatsächlich ein neues Zeitalter ein, wie Rifkin behauptet? Die Vernetzung der Welt im digitalen Kapitalismus ändert nichts an der juristischen Form des Eigentums: dem Recht, andere auszugrenzen. Grundsätzlich bleibt das Eigentum erhalten, nur immer weniger "Global Player" werden darüber verfügen - eine logische Folge verschärfter Konkurrenz. Doch unsere Alltagsphantasie reicht nicht mehr aus, die Wucht des technologischen Wandels mit ihren gesellschaftlichen Folgen zu bebildern. Dies gelingt dem Autor mit einer Fülle konkreter Fallbeispiele auf erschreckende Weise. Seine Prognose:
Über die Frage der Zugriffsrechte und -möglichkeiten wird im kommenden Jahrhundert wohl ebenso leidenschaftlich diskutiert werden wie über die Eigentumsrechte während der gesamten Neuzeit. Dies umso mehr, als "Zugang" ein umfassendes Phänomen ist. Hatte Eigentum mit der engeren materiellen Frage von Mein und Dein zu tun, so geht es beim Zugang um die Kontrolle der gesamten gelebten Erfahrung. Er betrifft insofern das gesamte kulturelle Leben.
Konzerne wie Nike oder C&A vermarkten mit ihren Produkten ein Lebensgefühl. Einkaufszentren ersetzen den öffentlichen Platz. Mediengiganten verarbeiten kulturellen Rohstoff zu allzeit abrufbarem Entertainment. Anstatt Produkte herzustellen und schnell an die Leute zu bringen, arbeiten die Netzwerke daran, die Menschen in langfristige kommerzielle Beziehungen einzubinden. Der Zugang wird zum Prüfstein für Status und persönliche Freiheit.
In den emphatischen Diskussionen über die digitale Revolution, die vernetzte globale Wirtschaft und den Cyberspace findet sich oft die implizite Annahme, der einzige Zugang von wirklichem Wert sei derjenige, der durch die kommerziellen Portale zur kommerziellen Sphäre führt. Wir vergessen leicht, daß ein großer Teil dessen, war wir uns durch Kauf zugänglich machen, noch vor kurzer Zeit frei verfügbare kulturelle Güter gewesen sind. Unterdessen beginnen wir tatsächlich unsere eigenen gelebten Erfahrungen zu kaufen, mit allem Drum und Dran, das sie begleitet. Unser Alltagsleben wird unausweichlich vom kommerziellen Leben aufgesogen. Das hat nachhaltige Folgen für die menschliche Zivilisation.
Rifkin setzt die Kultur als einzige Quelle menschlicher Werte gegen den totalen Kommerz. Menschen begegnen sich an konkreten Orten, und nur hier können sich Intimität, soziales Vertrauen und Empathie entwickeln. Zuerst kommt die Kultur - Staat und Markt sind abgeleitete Gebilde. Ob sich die kulturelle Sphäre als zähmende Kraft gegen den Markt behaupten kann, entscheidet über die Zukunft der Zivilisation.
Günter Rohleder rezensierte das neue Buch von Jeremy Rifkin: Access - Das Verschwinden des Eigentums. Erschienen ist es im Campus Verlag. Es umfasst 424 Seiten und kostet 49 Mark 80.
Die Anbieter der neuen Ökonomie werden ihr Eigentum behalten, sie werden es verpachten und vermieten oder auch Zugangsgebühren, Abonnements - oder Mitgliedsbeiträge für einen befristeten Gebrauch erheben. Der Austausch von Eigentum zwischen Verkäufern und Käufern wird abgelöst vom kurzfristigen Zugang, wobei Anbieter und Kunden in einem Netzwerk miteinander verbunden sind. Märkte bleiben bestehen, spielen für die Beziehungen zwischen Menschen jedoch eine immer geringere Rolle.
Access: Zugriff, Zugang - das ist für Rifkin die Formel des kommenden Zeitalters. Entscheidend sind kurzfristige Verfügbarkeit und höchste Flexibilität. Autos werden geleast statt gekauft. Über den Internet-Zugang tritt man in Kontakt und ruft Wissen ab. Längst sind viele Unternehmen nicht mehr bereit, teure Ausrüstungen zu kaufen. Sie leihen sich das Sachkapital, das sie brauchen, und verbuchen die Leasingraten als kurzfristige Ausgabe, also als Betriebskosten. In den USA sind bereits heute fast ein Drittel aller Maschinen, Betriebsanlagen und Transportflotten geleast und nicht mehr Eigentum der sie nutzenden Unternehmen. Outsourcing - Auslagern - heißt die Devise. Große Firmen trennen sich von Immobilien und Maschinen und Dienstleistungen, die nichts mit ihrer Kernaufgabe zu tun haben.
Das hat viele Vorteile. Hat ein Unternehmen interne Dienstleistungen ausgelagert, kann es sich auf den eigentlichen Wertschöpfungsprozess konzentrieren. Ferner kann das Unternehmen auf Anbieter zurückgreifen, die wegen ihrer spezialisierten Fachkenntnisse erstklassige Dienste zu oft geringeren Kosten anbieten können. Outsourcing vermindert die Notwendigkeit, Kapital für teure Anlagen und eine ausgedehnte Infrastruktur zu binden, die nur peripher zur Wertschöpfung beitragen. Und schließlich verleihen Auslagerung und Leasing dem Unternehmen die notwendige Flexibilität, um sich auf den schnell ändernden Märkten mit ihren immer kürzeren Produktlebenszyklen zu behaupten. Indem sie statt auf langfristigen Besitz auf kurzfristigen Zugang setzen, können die Unternehmen mit dem Wettbewerb Schritt halten.
Bisher autonome Unternehmen beginnen mit Partnern zu kooperieren, vernetzen sich. Und in der vernetzten Ökonomie geht es immer mehr um den Handel mit Ideen und Konzepten. Die materielle Produktion steht nicht mehr im Mittelpunkt. So ist der weltweit führende Produzent von Sportschuhen "Nike" im Grunde genommen eine virtuelle Firma, findet der Autor. Ein Forschungs- und Entwicklungsbüro mit einem ausgeklügeltem Marketing- und Verteilungskonzept. Das Unternehmen schließt mit namenlosen Herstellern in Südostasien Verträge - und dort wird dann, oft unter miserablen Arbeitsbedingungen, ein Schuh daraus. Entwicklungen, die sich im Zuge der Globalisierung des Kapitals in atemberaubendem Tempo vollziehen. Aber läuten sie tatsächlich ein neues Zeitalter ein, wie Rifkin behauptet? Die Vernetzung der Welt im digitalen Kapitalismus ändert nichts an der juristischen Form des Eigentums: dem Recht, andere auszugrenzen. Grundsätzlich bleibt das Eigentum erhalten, nur immer weniger "Global Player" werden darüber verfügen - eine logische Folge verschärfter Konkurrenz. Doch unsere Alltagsphantasie reicht nicht mehr aus, die Wucht des technologischen Wandels mit ihren gesellschaftlichen Folgen zu bebildern. Dies gelingt dem Autor mit einer Fülle konkreter Fallbeispiele auf erschreckende Weise. Seine Prognose:
Über die Frage der Zugriffsrechte und -möglichkeiten wird im kommenden Jahrhundert wohl ebenso leidenschaftlich diskutiert werden wie über die Eigentumsrechte während der gesamten Neuzeit. Dies umso mehr, als "Zugang" ein umfassendes Phänomen ist. Hatte Eigentum mit der engeren materiellen Frage von Mein und Dein zu tun, so geht es beim Zugang um die Kontrolle der gesamten gelebten Erfahrung. Er betrifft insofern das gesamte kulturelle Leben.
Konzerne wie Nike oder C&A vermarkten mit ihren Produkten ein Lebensgefühl. Einkaufszentren ersetzen den öffentlichen Platz. Mediengiganten verarbeiten kulturellen Rohstoff zu allzeit abrufbarem Entertainment. Anstatt Produkte herzustellen und schnell an die Leute zu bringen, arbeiten die Netzwerke daran, die Menschen in langfristige kommerzielle Beziehungen einzubinden. Der Zugang wird zum Prüfstein für Status und persönliche Freiheit.
In den emphatischen Diskussionen über die digitale Revolution, die vernetzte globale Wirtschaft und den Cyberspace findet sich oft die implizite Annahme, der einzige Zugang von wirklichem Wert sei derjenige, der durch die kommerziellen Portale zur kommerziellen Sphäre führt. Wir vergessen leicht, daß ein großer Teil dessen, war wir uns durch Kauf zugänglich machen, noch vor kurzer Zeit frei verfügbare kulturelle Güter gewesen sind. Unterdessen beginnen wir tatsächlich unsere eigenen gelebten Erfahrungen zu kaufen, mit allem Drum und Dran, das sie begleitet. Unser Alltagsleben wird unausweichlich vom kommerziellen Leben aufgesogen. Das hat nachhaltige Folgen für die menschliche Zivilisation.
Rifkin setzt die Kultur als einzige Quelle menschlicher Werte gegen den totalen Kommerz. Menschen begegnen sich an konkreten Orten, und nur hier können sich Intimität, soziales Vertrauen und Empathie entwickeln. Zuerst kommt die Kultur - Staat und Markt sind abgeleitete Gebilde. Ob sich die kulturelle Sphäre als zähmende Kraft gegen den Markt behaupten kann, entscheidet über die Zukunft der Zivilisation.
Günter Rohleder rezensierte das neue Buch von Jeremy Rifkin: Access - Das Verschwinden des Eigentums. Erschienen ist es im Campus Verlag. Es umfasst 424 Seiten und kostet 49 Mark 80.