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Jerusalem
Streit um Deutung des Tempelbergs

Die Empörung war groß, als die Unesco letzte Woche eine Resolution annahm, die den Tempelberg in Jerusalem ausschließlich im Zusammenhang mit den Muslimen erwähnt - die Beziehungen des Judentums zu dem Ort jedoch unerwähnt lässt. Ein Ende des Streits um die Deutungshoheit ist nicht in Sicht: Die Palästinenser hoffen auf eine weitere Resolution.

Von Benjamin Hammer | 26.10.2016
    Ein Blick über Jerusalem mit der Klagemauer und der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg.
    Ein Blick über Jerusalem mit Klagemauer, Al-Aksa-Moschee und Felsendom auf dem Tempelberg. (AFP / Ahmad Gharabli)
    Bei der Unesco wird gerade um jedes Wort gefeilscht. In der UN-Organisation für Kultur und Wissenschaft tobt ein Streit um Resolutionen, die sich mit einem höchst umstrittenen Stück Land befassen: Die Juden nennen den Hügel im Zentrum von Jerusalem den Tempelberg, die Muslime Haram Asch Scharif. Heute stehen hier die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom, sie gehören zu den wichtigsten Heiligtümern des Islam.
    Vor einer Woche hatte der Exekutivrat der Unesco eine erste Resolution verabschiedet. Darin wird Israel scharf kritisiert, zum Beispiel, weil das Land, das den Ostteil Jerusalems besetzt hält, einem Teil der muslimischen Besucher den Zugang zur Al-Aksa-Moschee verwehrt. In dem Unseco-Text wird der Hügel nur mit seinem arabischen Namen benannt. Kein Wort davon, dass auf dem Hügel einst der jüdische Tempel stand. Israel drohte darauf hin, man werde die Zusammenarbeit mit der Unesco beenden. Carmel Shama-Hacohen ist der Vertreter des Landes bei der UN-Organisation:
    "Die Unesco wurde gegründet, um die Geschichte zu bewahren, nicht um sie neuzuschreiben. Die Palästinenser und andere Länder wollen aber genau das tun. Die historische Verbindung zwischen den Juden und Jerusalem ist aber so eng, dass sie niemand brechen kann."
    Palästinenser wollen sich von Israel nicht unter Druck setzen lassen
    Initiiert wurde die Resolution von den Palästinensern und sieben weiteren arabischen Staaten. Für sie bietet die Unesco eine eher seltene Gelegenheit, Israel unter Druck zu setzen. Der Haram Asch Scharif, der Tempelberg, ist seit Jahren nicht nur historisch und religiös, sondern auch politisch aufgeladen. Er war in den vergangenen Jahren immer wieder Ausgangspunkt von neuer Gewalt im Nahost-Konflikt. Ost-Jerusalem soll nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft die Hauptstadt eines Palästinenserstaates werden. Die Palästinenser hoffen nun, dass auch eine zweite israelkritische Resolution von der Unesco verabschiedet wird. Mounir Anastas, Vertreter Palästinas bei der Unesco, will sich von Israel nicht unter Druck setzen lassen:
    "Wir erinnern die Israelis daran, dass sie Ostjerusalem besetzt halten. Nach internationalem Recht dürfen sie dort keine archäologischen Ausgrabungen durchzuführen. Die Israelis versuchen jetzt abzulenken, indem sie die Worte der Resolution ganz genau analysieren. Sie vergessen dabei, was das Hauptproblem ist: die Besatzung durch Israel."
    Die historische Präsenz im Heiligen Land betonen
    Israelische Archäologen sind permanent auf der Suche nach weiteren Relikten des jüdischen Tempels. Auf dem Tempelberg selbst dürfen sie das nicht tun. Stattdessen durchsuchen sie große Mengen von Bodenaushub, der vor Jahrzehnten bei Bauarbeiten auf dem Tempelberg angefallen ist. Diese Suche könnte durch den Streit in der Unesco noch ausgeweitet werden. Israels Premier Netanjahu sicherte der rechts-nationalen Organisation Ir David als Reaktion auf die Unesco-Resolution finanzielle Unterstützung zu. Ir David leitet die Ausgrabungen und versucht Juden in den arabischen Teilen von Jerusalems Altstadt anzusiedeln. Mitarbeitern der israelischen Antiken-Behörde sagte Netanjahu, sie gäben eine schmetternde Antwort an jene, die versuchten, die Geschichte der Juden in ihrem Land auszulöschen.
    Vertreter von Israelis und Palästinensern versuchen seit Jahrzehnten, die eigene historische Präsenz im Heiligen Land zu betonen und die der Gegenseite in Zweifel zu ziehen. Viele Palästinenser zum Beispiel sind fest davon überzeugt, dass auf jenem Plateau in Ostjerusalem nie ein jüdischer Tempel gestanden hat, trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse. Jüdische Extremisten hingegen behaupten, es gebe gar kein palästinensisches Volk.
    Die Stoßrichtungen dieser Behauptungen ist klar: Wir dürfen hier leben, Ihr nicht. Der erbitterte Streit um das Land zwischen Jordan und Mittelmeer, er wird nun auch über die Unesco ausgetragen.