Der Siegeszug des Liberalismus in Polen bestand darin, dass er beim Machtwechsel 1989 das einzige Wirtschaftsprogramm zur Lösung der seit Mitte der 1970er Jahre auf Talfahrt befindlichen Ökonomie war. Das bestätigt einer der ausgewiesensten Kenner dieser Thematik, den es in Polen gibt - der Warschauer Soziologe und Geistesgeschichtler Jerzy Szacki:
Es gab damals leider keine Alternative in der Wirtschaftsprogrammatik. Nur die Liberalen hatten einen konkreten Vorschlag. Unsere verdiente Opposition wollte nur die Freiheit und keinen Kommunismus mehr. Die Liberalen hatten eine Vorstellung vom Leben, das so wie im Westen aussehen sollte. Also: weniger Staat und den Menschen erlauben, aktiv zu sein. Das war schon etwas. Das hat viel verändert, aber leider nicht unbedingt in der gewünschten Richtung…
Jerzy Szacki hat sich in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten oft mit dem Liberalismus in seiner polnischen Spielart auseinandergesetzt. Sein Buch, das jetzt dem deutschen Leser vorliegt, ist in Polen bereits seit einiger Zeit auf dem Markt:
Es gab viele Reaktionen auf dieses Buch, aber leider wurde das Buch nicht als Anstoß zu irgendeiner ernsthaften Auseinandersetzung mit der Politik der vergangenen Jahre begriffen.
Die schneidigen Liberalen Polens sind heute noch auf sich stolz, auch wenn sie die politische Verantwortung längst an die Postkommunisten in ihrem Land abgetreten haben. Sie schreiben sich - nicht ohne Grund - den Verdienst zu, die Abkehr vom Realsozialismus zur Demokratie vollbracht zu haben. Aber wird das alleine ausreichen, ihnen für immer einen ehrenvollen Platz in den Geschichtsbüchern Polens zu sichern? Jerzy Szacki, der jahrelang als Chronist und intellektueller Pate des polnischen Liberalismus galt, spart in seinem Buch nicht an Kritik. Nachzulesen vor allem im Nachwort zur deutschen Ausgabe, das in der polnischen Fassung allerdings fehlt:
Als illusorisch erwies sich auch die Überzeugung der Liberalen, dass das Grundproblem darin bestehe, die Rolle des Staates einzuschränken, der zu kommunistischen Zeiten wahrhaft monströse Ausmaße angenommen hatte, indem er alles und alle kontrollierte. Eine solche Einschränkung war natürlich absolut unerlässlich. Es zeigte sich jedoch, dass der Staat ein unverzichtbares Instrument der Transformation ist und insofern zwangsläufig einen obrigkeitsstaalichen Charakter hat; zum anderen hat der Staat nach wie vor zahlreiche soziale Verpflichtungen, die er nicht einfach abwerfen kann, ohne die Gefahr einer gesellschaftlichen Explosion heraufzubeschwören, denn Millionen Menschen sind auf seine Gnade angewiesen.
Nach 13 Jahren schmerzhaften Transformations-Erfahrungen, die alle Gesellschaftsschichten in seinem Land machen mussten, benennt Szacki die Hauptmerkmale des polnischen Liberalismus in einem nüchternen Resümee: Eine kritiklose Nachahmung des kapitalistischen Westens und folglich ein Mangel an Verständnis für die eigenen Traditionen und die Bedürfnisse der polnischen Gesellschaft; die Neigung zu einer überstürzten und nicht durchdachten Privatisierung des Nationalvermögens ohne Rücksicht auf die Interessen der Beschäftigten und die Staatsraison; schließlich die selbst reklamierte Maxime, wonach der wirtschaftlich Stärkere immer und automatisch im Recht ist. Ganz zu schweigen von der sozialen Desorganisation einer in großen Teilen demoralisierten Öffentlichkeit bei einer gleichzeitig geschwächten, überforderten und nicht selten korrupten Justiz.
Die Liberalen haben sich im Verlauf der Jahre keine sonderliche Mühe gegeben, derlei Vorstellungen zu verändern oder - auf der Basis der inzwischen jahrelangen sozio-ökonomischen Alltagspraxis - eine ernsthafte Diskussion darüber zu beginnen, welche Prozesse ablaufen und wie der Weg in die Zukunft Polens aussehen müsste. Solch eine Praxis sieht vielmehr einem anderen, angeblich längst überwundenen Verhalten verblüffend ähnlich: dem des Realsozialismus unseligen Angedenkens mitsamt der Attitüde seiner damaligen Funktionäre. Szacki merkt dazu an:
Die Gegensätzlichkeit von Kommunismus und Liberalismus in den Ländern des realen Sozialismus hat es paradoxerweise begünstigt, dass bestimmte liberale Ideen überlebten und rezipiert wurden. Jede kritische Reflexion über den Kommunismus aktualisierte klassische Themen des liberalen Denkens, selbst dann, wenn der Kritiker nicht viel über den Liberalismus wusste.
Jemand hat das sogar als umgekehrten Marxismus bezeichnet. Es gibt tatsächlich diese Ähnlichkeit, und solche Ähnlichkeiten finden immer dann statt, wenn es in einem Staat etwas Neues einzuführen gilt, das dort nicht auf natürliche Weise über seine Bewohner entstanden ist, sondern anderswo erfunden wurde und nun wie ein Rezept von einem fremden Arzt für einen anderen Kranken verschrieben und auch ausprobiert wird.
Der Liberalismus hat sich, trotz der vielen Lorbeerblätter, die Jerzy Szacki immer noch an die polnischen Liberalen verteilt, in Polen als eine kurzsichtige Doktrin erwiesen. Damals musste der Erfolg des Systemwechsels rasch sichtbar werden. Heute aber sieht man deutlich - das Tempo der Transformation war zu hoch. Szacki bewertet die anschließende Niederlage der Liberalen in Polen als einen Pyrrhus-Sieg für die Gesellschaft. Dass die Früchte dieser Epoche bitter schmecken, kritisieren bereits nicht wenige Intellektuelle in Polen. Viele von ihnen rufen nun zu einer Abrechnung auf, die überfällig sei, oder sie fordern sogar, eine Vierte Republik Polen zu gründen:
Die Parolen über die Vierte Republik verstehe ich nicht. Warum nicht gleich die Fünfte oder Sechste? Wir können uns die besseren Welten erträumen, aber das nützt nicht viel. Die einzige Möglichkeit ist die Evolution des heutigen Polen, die in Teilen auch die liberalen Errungenschaften aufnehmen und fortsetzen muss. Aber: Es muss einen politisch-wirtschaftlichen Plan dafür geben. Sie wissen aber mit ihrer deutschen Erfahrung, wie es mit politisch-wirtschaftlichen Plänen so aussieht: Gleich nach der Geburt werden sie während vieler Diskussionen auf das Unwesentliche reduziert. Es ist schwer, etwas vorherzusagen, weil solch ein Programm als Resultat eines Wettstreits der politischen Kräfte entstehen muss. Der aber fehlt gerade im Moment. Aber vielleicht kommt der ja noch? Damit rechnen auch viele - als Folge des Beitritts zur Europäischen Union.
Jerzy Szacki: "Der Liberalismus nach dem Ende des Kommunismus", erschienen im Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main. 392 Seiten zum Preis von 34 Euro -90
Kurz-Hinweise auf weitere Bücher
Einige Kurz-Hinweise jetzt vielleicht zu Titeln, die registrierenswert erscheinen:
Da wäre zunächst der Band "Polen - Eine Nachbarschaftskunde" von Brigitte Jäger-Dabek. Wer - vielleicht in Vorbereitung eines Polen-Urlaubs - einen aktuellen und zugleich politisch-historischen Reisebegleiter sucht, der es zum Glück meist vermeidet, oberlehrerhaft Comment-Regeln für deutsch-polnische Begegnungen zu erstellen, der wird mit diesem handlichen Taschenbuch sicher gut bedient sein. Es liefert ein informatives Portrait unseres östlichen Nachbarlandes, das für viele Deutsche immer noch fremder ist als manche Karibikinsel. Spannend zu lesen ist etwa das Kapitel "Die schwierige Freundschaft mit der DDR", das die fast schon vergessenen Reibungen der einst offiziell zur Freundschaft befohlenen Staaten DDR und Volksrepublik Polen aufgreift. Nicht nur aus dem sogenannten "Adenauer-Staat" Bundesrepublik, seit den frühen Fünfzigern das auch aus Moskau verordnete Feindbild für Warschau, waren, wie Jäger-Dabek dabei zeigt, polen-unfreundliche Töne zu hören. Auch die SED hatte so ihre Schwierigkeiten mit dem sozialistischen Bruderstaat. Die DDR-internen Querelen am Ende der vierziger Jahre rund um die so genannte "Oder-Neiße-Grenze" werden erhellend nachgezeichnet.
Vielleicht geht die Autorin bei dem einen oder anderen Themenbereich auch einmal zu detailliert an ihren Stoff heran. Einige Seiten zu überblättern, bleibt dann schlimmstenfalls als Ausweg. Aber das Kapitel: "Als Deutscher in Polen" sollte jedenfalls nicht dazu gehören - schon wegen der ganz nützlichen Alltagstips.
Zwei neu erschienene Bücher aus dem Leopold Stocker Verlag wenden sich ebenfalls an eine zeit- , wenn auch eher militärgeschichtlich interessierte Leserschaft. "Freiwillige vom Kaukasus" heißt eine Sammlung von Zeitzeugenberichten, die die Geschichte von Armeniern, Georgiern, Aserbaidschanern und anderen sowjetischen Kaukasus-Bewohnern nachzeichnet, die während des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der deutschen Wehrmacht gegen die Rote Armee gekämpft hatten.
In dem anderen Band - "Kosaken und Wehrmacht" - geht es vor allem um das so genannte "Kosaken-Kavallerie-Korps" unter dem Befehl des deutschen Wehrmachtsgenerals Hellmuth von Pannwitz. Da der inhaltliche Schwerpunkt auf den Kampfhandlungen zwischen Kosaken-Einheiten und Titos Partisanen im ehemaligen Jugoslawien liegt, bleibt der Untertitel - Der Freiheitskampf eines Volkes - seltsam ambivalent, wenn nicht sogar unverständlich. Die unkritische und uneingeordnete Übernahme damals zeittypischer, gleichwohl menschenverachtender Ausdrücke mindert leider den Wert der Lektüre, die ansonsten Wissenslücken durchaus schließen könnte. Wenn etwa Tito-Partisanen mehrfach als "Verbrecher" und als "Banditen" bezeichnet werden, und dies so als durchgängig gegeben hingenommen werden soll, verärgert das ganz einfach. - Eine ähnliche Kritik kann auch dem zuerst genannten Erinnerungsband "Freiwillige vom Kaukasus" nicht erspart werden: Vor allem der in Teilen apologetische Unterton sowie die sehr selektive, einseitig anmutende Beschreibung und Bewertung des Warschauer Aufstandes vom Sommer 1944 sind hier als Beispiele zu nennen.
Als Rohmaterial verfügen beide Neuerscheinungen sicherlich über einen gewissen Quellenwert. Bereits vorhandene Standardwerke wie etwa Nikolaj Tolstojs vor rund zwanzig Jahren erschienene Arbeit "Die Verratenen von Jalta" können sie aber keinesfalls ersetzen. Auch wenn durch die damals noch unzugänglichen sowjetischen Archive zwangsläufig Lücken offen bleiben mussten. - Bei einer noch zu schreibenden Geschichte der nicht-russischen Ostfreiwilligen und der Kosaken auf deutscher Seite werden die beiden Bücher dennoch in deren Literaturverzeichnis zu finden sein - und sei es als Quellensammlung, aber auch als zeitgenössische Dokumente zur Rezeptionsgeschichte dieses Themas.
Brigitte Jäger-Dabek:
Polen - Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche
Ch.Links Verlag, Berlin 2003; 256 S., EUR 15,90
Werner Krause:
Kosaken und Wehrmacht
Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 2003; 320 S., EUR 29,90
Albert Jeloschek u.a.:
Freiwillige vom Kaukasus - Georgier, Armenier, Aserbaidschaner, Tschetschenen u.a. auf deutscher Seite
, Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 2003, 374 S., EUR 29,90,
Es gab damals leider keine Alternative in der Wirtschaftsprogrammatik. Nur die Liberalen hatten einen konkreten Vorschlag. Unsere verdiente Opposition wollte nur die Freiheit und keinen Kommunismus mehr. Die Liberalen hatten eine Vorstellung vom Leben, das so wie im Westen aussehen sollte. Also: weniger Staat und den Menschen erlauben, aktiv zu sein. Das war schon etwas. Das hat viel verändert, aber leider nicht unbedingt in der gewünschten Richtung…
Jerzy Szacki hat sich in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten oft mit dem Liberalismus in seiner polnischen Spielart auseinandergesetzt. Sein Buch, das jetzt dem deutschen Leser vorliegt, ist in Polen bereits seit einiger Zeit auf dem Markt:
Es gab viele Reaktionen auf dieses Buch, aber leider wurde das Buch nicht als Anstoß zu irgendeiner ernsthaften Auseinandersetzung mit der Politik der vergangenen Jahre begriffen.
Die schneidigen Liberalen Polens sind heute noch auf sich stolz, auch wenn sie die politische Verantwortung längst an die Postkommunisten in ihrem Land abgetreten haben. Sie schreiben sich - nicht ohne Grund - den Verdienst zu, die Abkehr vom Realsozialismus zur Demokratie vollbracht zu haben. Aber wird das alleine ausreichen, ihnen für immer einen ehrenvollen Platz in den Geschichtsbüchern Polens zu sichern? Jerzy Szacki, der jahrelang als Chronist und intellektueller Pate des polnischen Liberalismus galt, spart in seinem Buch nicht an Kritik. Nachzulesen vor allem im Nachwort zur deutschen Ausgabe, das in der polnischen Fassung allerdings fehlt:
Als illusorisch erwies sich auch die Überzeugung der Liberalen, dass das Grundproblem darin bestehe, die Rolle des Staates einzuschränken, der zu kommunistischen Zeiten wahrhaft monströse Ausmaße angenommen hatte, indem er alles und alle kontrollierte. Eine solche Einschränkung war natürlich absolut unerlässlich. Es zeigte sich jedoch, dass der Staat ein unverzichtbares Instrument der Transformation ist und insofern zwangsläufig einen obrigkeitsstaalichen Charakter hat; zum anderen hat der Staat nach wie vor zahlreiche soziale Verpflichtungen, die er nicht einfach abwerfen kann, ohne die Gefahr einer gesellschaftlichen Explosion heraufzubeschwören, denn Millionen Menschen sind auf seine Gnade angewiesen.
Nach 13 Jahren schmerzhaften Transformations-Erfahrungen, die alle Gesellschaftsschichten in seinem Land machen mussten, benennt Szacki die Hauptmerkmale des polnischen Liberalismus in einem nüchternen Resümee: Eine kritiklose Nachahmung des kapitalistischen Westens und folglich ein Mangel an Verständnis für die eigenen Traditionen und die Bedürfnisse der polnischen Gesellschaft; die Neigung zu einer überstürzten und nicht durchdachten Privatisierung des Nationalvermögens ohne Rücksicht auf die Interessen der Beschäftigten und die Staatsraison; schließlich die selbst reklamierte Maxime, wonach der wirtschaftlich Stärkere immer und automatisch im Recht ist. Ganz zu schweigen von der sozialen Desorganisation einer in großen Teilen demoralisierten Öffentlichkeit bei einer gleichzeitig geschwächten, überforderten und nicht selten korrupten Justiz.
Die Liberalen haben sich im Verlauf der Jahre keine sonderliche Mühe gegeben, derlei Vorstellungen zu verändern oder - auf der Basis der inzwischen jahrelangen sozio-ökonomischen Alltagspraxis - eine ernsthafte Diskussion darüber zu beginnen, welche Prozesse ablaufen und wie der Weg in die Zukunft Polens aussehen müsste. Solch eine Praxis sieht vielmehr einem anderen, angeblich längst überwundenen Verhalten verblüffend ähnlich: dem des Realsozialismus unseligen Angedenkens mitsamt der Attitüde seiner damaligen Funktionäre. Szacki merkt dazu an:
Die Gegensätzlichkeit von Kommunismus und Liberalismus in den Ländern des realen Sozialismus hat es paradoxerweise begünstigt, dass bestimmte liberale Ideen überlebten und rezipiert wurden. Jede kritische Reflexion über den Kommunismus aktualisierte klassische Themen des liberalen Denkens, selbst dann, wenn der Kritiker nicht viel über den Liberalismus wusste.
Jemand hat das sogar als umgekehrten Marxismus bezeichnet. Es gibt tatsächlich diese Ähnlichkeit, und solche Ähnlichkeiten finden immer dann statt, wenn es in einem Staat etwas Neues einzuführen gilt, das dort nicht auf natürliche Weise über seine Bewohner entstanden ist, sondern anderswo erfunden wurde und nun wie ein Rezept von einem fremden Arzt für einen anderen Kranken verschrieben und auch ausprobiert wird.
Der Liberalismus hat sich, trotz der vielen Lorbeerblätter, die Jerzy Szacki immer noch an die polnischen Liberalen verteilt, in Polen als eine kurzsichtige Doktrin erwiesen. Damals musste der Erfolg des Systemwechsels rasch sichtbar werden. Heute aber sieht man deutlich - das Tempo der Transformation war zu hoch. Szacki bewertet die anschließende Niederlage der Liberalen in Polen als einen Pyrrhus-Sieg für die Gesellschaft. Dass die Früchte dieser Epoche bitter schmecken, kritisieren bereits nicht wenige Intellektuelle in Polen. Viele von ihnen rufen nun zu einer Abrechnung auf, die überfällig sei, oder sie fordern sogar, eine Vierte Republik Polen zu gründen:
Die Parolen über die Vierte Republik verstehe ich nicht. Warum nicht gleich die Fünfte oder Sechste? Wir können uns die besseren Welten erträumen, aber das nützt nicht viel. Die einzige Möglichkeit ist die Evolution des heutigen Polen, die in Teilen auch die liberalen Errungenschaften aufnehmen und fortsetzen muss. Aber: Es muss einen politisch-wirtschaftlichen Plan dafür geben. Sie wissen aber mit ihrer deutschen Erfahrung, wie es mit politisch-wirtschaftlichen Plänen so aussieht: Gleich nach der Geburt werden sie während vieler Diskussionen auf das Unwesentliche reduziert. Es ist schwer, etwas vorherzusagen, weil solch ein Programm als Resultat eines Wettstreits der politischen Kräfte entstehen muss. Der aber fehlt gerade im Moment. Aber vielleicht kommt der ja noch? Damit rechnen auch viele - als Folge des Beitritts zur Europäischen Union.
Jerzy Szacki: "Der Liberalismus nach dem Ende des Kommunismus", erschienen im Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main. 392 Seiten zum Preis von 34 Euro -90
Kurz-Hinweise auf weitere Bücher
Einige Kurz-Hinweise jetzt vielleicht zu Titeln, die registrierenswert erscheinen:
Da wäre zunächst der Band "Polen - Eine Nachbarschaftskunde" von Brigitte Jäger-Dabek. Wer - vielleicht in Vorbereitung eines Polen-Urlaubs - einen aktuellen und zugleich politisch-historischen Reisebegleiter sucht, der es zum Glück meist vermeidet, oberlehrerhaft Comment-Regeln für deutsch-polnische Begegnungen zu erstellen, der wird mit diesem handlichen Taschenbuch sicher gut bedient sein. Es liefert ein informatives Portrait unseres östlichen Nachbarlandes, das für viele Deutsche immer noch fremder ist als manche Karibikinsel. Spannend zu lesen ist etwa das Kapitel "Die schwierige Freundschaft mit der DDR", das die fast schon vergessenen Reibungen der einst offiziell zur Freundschaft befohlenen Staaten DDR und Volksrepublik Polen aufgreift. Nicht nur aus dem sogenannten "Adenauer-Staat" Bundesrepublik, seit den frühen Fünfzigern das auch aus Moskau verordnete Feindbild für Warschau, waren, wie Jäger-Dabek dabei zeigt, polen-unfreundliche Töne zu hören. Auch die SED hatte so ihre Schwierigkeiten mit dem sozialistischen Bruderstaat. Die DDR-internen Querelen am Ende der vierziger Jahre rund um die so genannte "Oder-Neiße-Grenze" werden erhellend nachgezeichnet.
Vielleicht geht die Autorin bei dem einen oder anderen Themenbereich auch einmal zu detailliert an ihren Stoff heran. Einige Seiten zu überblättern, bleibt dann schlimmstenfalls als Ausweg. Aber das Kapitel: "Als Deutscher in Polen" sollte jedenfalls nicht dazu gehören - schon wegen der ganz nützlichen Alltagstips.
Zwei neu erschienene Bücher aus dem Leopold Stocker Verlag wenden sich ebenfalls an eine zeit- , wenn auch eher militärgeschichtlich interessierte Leserschaft. "Freiwillige vom Kaukasus" heißt eine Sammlung von Zeitzeugenberichten, die die Geschichte von Armeniern, Georgiern, Aserbaidschanern und anderen sowjetischen Kaukasus-Bewohnern nachzeichnet, die während des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der deutschen Wehrmacht gegen die Rote Armee gekämpft hatten.
In dem anderen Band - "Kosaken und Wehrmacht" - geht es vor allem um das so genannte "Kosaken-Kavallerie-Korps" unter dem Befehl des deutschen Wehrmachtsgenerals Hellmuth von Pannwitz. Da der inhaltliche Schwerpunkt auf den Kampfhandlungen zwischen Kosaken-Einheiten und Titos Partisanen im ehemaligen Jugoslawien liegt, bleibt der Untertitel - Der Freiheitskampf eines Volkes - seltsam ambivalent, wenn nicht sogar unverständlich. Die unkritische und uneingeordnete Übernahme damals zeittypischer, gleichwohl menschenverachtender Ausdrücke mindert leider den Wert der Lektüre, die ansonsten Wissenslücken durchaus schließen könnte. Wenn etwa Tito-Partisanen mehrfach als "Verbrecher" und als "Banditen" bezeichnet werden, und dies so als durchgängig gegeben hingenommen werden soll, verärgert das ganz einfach. - Eine ähnliche Kritik kann auch dem zuerst genannten Erinnerungsband "Freiwillige vom Kaukasus" nicht erspart werden: Vor allem der in Teilen apologetische Unterton sowie die sehr selektive, einseitig anmutende Beschreibung und Bewertung des Warschauer Aufstandes vom Sommer 1944 sind hier als Beispiele zu nennen.
Als Rohmaterial verfügen beide Neuerscheinungen sicherlich über einen gewissen Quellenwert. Bereits vorhandene Standardwerke wie etwa Nikolaj Tolstojs vor rund zwanzig Jahren erschienene Arbeit "Die Verratenen von Jalta" können sie aber keinesfalls ersetzen. Auch wenn durch die damals noch unzugänglichen sowjetischen Archive zwangsläufig Lücken offen bleiben mussten. - Bei einer noch zu schreibenden Geschichte der nicht-russischen Ostfreiwilligen und der Kosaken auf deutscher Seite werden die beiden Bücher dennoch in deren Literaturverzeichnis zu finden sein - und sei es als Quellensammlung, aber auch als zeitgenössische Dokumente zur Rezeptionsgeschichte dieses Themas.
Brigitte Jäger-Dabek:
Polen - Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche
Ch.Links Verlag, Berlin 2003; 256 S., EUR 15,90
Werner Krause:
Kosaken und Wehrmacht
Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 2003; 320 S., EUR 29,90
Albert Jeloschek u.a.:
Freiwillige vom Kaukasus - Georgier, Armenier, Aserbaidschaner, Tschetschenen u.a. auf deutscher Seite
, Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 2003, 374 S., EUR 29,90,