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Jetten im Treibhaus

Umwelt. - Im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie die Klimawirkungen des Luftverkehrs in Deutschland untersucht. Ein Ergebnis der "Luftverkehrsstudie 2007": In etlichen Vorgängerstudien seien ungenaue oder falsche Berechnungen zu finden, die Klimalasten des Fliegens würden daher oftmals unterschätzt.

Von Verena Kemna | 09.04.2008
    Die Expertise berechnet zum einen die Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland, zum anderen die Klimarelevanz und die Klimaverträglichkeit des Luftverkehrs aufgrund aktueller Prognosen. Flugverkehrsexperte Karl-Otto Schallaböck vom Wuppertal-Institut Klima, Umwelt, Energie arbeitet mit Zahlen des Statistischen Bundesamtes, kommt aber zu ganz anderen Ergebnissen als andere Wissenschaftler vor ihm. Bei genauer Analyse der Vorgängerstudien zeigen sich deutliche Schwachstellen. Etwa bei den Berechnungen der Luftverkehrsinitiative für den Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur.

    " Das Auffälligste ist, dass der Masterplan ja ein phantastisches Verkehrsgutachten von Intraplan im Hintergrund hat, die sind auch bei Gesamtverkehrsplanungen die maßgeblichen Gutachter. Aber die sagen nur, wie viele Passagiere, wie viele Flüge erwarten wir. Für den Energieverbrauch ist aber natürlich maßgeblich, wie viele Kilometer sind das, das wird gar nicht dargestellt. "

    Auch bei anderen Studien, etwa vom Energiewirtschaftlichen Institut und von Prognos, sind für den Wissenschaftler Karl-Otto Schallaböck die Lücken der Analyse offensichtlich.

    " Im Luftverkehr haben die auch ihre Schwachstellen. Dort versuchen die unter Abgrenzung des Luftverkehrs auf das Stück, das über deutschem Territorium stattfindet, das hoch zu schätzen. Das ist natürlich problematisch weil der meiste Luftverkehr auch von den Kilometern, der findet natürlich auch wenn er in Deutschland startet, außerhalb der deutschen Hoheitsgebiete statt. So geht es dann dahin. "

    So rechnet der Wissenschaftler vom Wuppertal Institut nicht mit der bisherigen Größe von zehn Milliarden Passagier-Kilometern sondern mit 180 Milliarden Passagier-Kilometern. Er entdeckt außerdem schlichte Rechenfehler in anderen Studien, etwa bei den Berechnungen für die Kerosinsteuer und den Emissionshandel. Denn das Klimaprogramm der Bundesregierung sieht vor, den Luftverkehr ab 2012 in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Nicht einmal die prognostizierten Zuwachsraten für den Luftverkehr würden in bisherigen Studien einheitlich kalkuliert. Um zu berechnen, wie hoch die Klimabelastungen durch den Luftverkehr tatsächlich sind, operieren Statistiker mit dem sogenannten Klimafaktor. Doch die Zahlen divergieren. Sogar der Weltklimarat gibt keinen eindeutigen Wert vor.

    " Aber ob es nun eher zwei ist oder vier, da müssen wir uns bedeckt halten. Plausibelster Wert könnte zwei bis zweieinhalb mal soviel sein. Das ist natürlich eine gute Einfallpforte, dass Interessensträger sagen: Na, wenn wir es nicht genau wissen, können wir es auch nicht berücksichtigen. "

    Der Klimafaktor ist die Zahl, mit der die CO2-Emissionen multipliziert werden. Wissenschaftler Karl-Otto Schallaböck verrechnet mit dem Klimafaktor mehr als nur die CO2-Emissionen. Auch Stickoxide, der Wasserdampf, der Kondensstreifen bildet und möglicherweise Cirruswolken verursacht, sowie Sulfate und Rußpartikel zählen für ihn dazu.

    " Ich habe zugrunde gelegt, was dieses Sondergutachten für den Weltklimarat aussagt, gerechnet habe ich mit dem dort mittleren Faktor 2,7 und habe auch versucht die Klimabilanzen, die Treibhausgasbilanzen, die offiziell abgegeben werden mit einem modifizierten Tableau zu ergänzen. "

    Das Ergebnis der Wuppertal-Studie umfasst über 100 Seiten. Demnach steigen die CO2-Emissionen des Flugverkehrs in Deutschland jedes Jahr um etwa dreieinhalb Prozent. Der Anteil des Luftverkehrs an den gesamten Klimabelastungen liegt bei etwa acht Prozent. Wenn sich nichts ändert, dann übersteigt der Flugverkehr die Klimawirkung sämtlicher Pkws auf deutschen Straßen bereits in fünf Jahren. Wissenschaftler Karl Otto Schallaböck zieht folgendes Fazit.

    " Diese Einstellung zum Luftverkehr, wollen wir lieber nicht dran rütteln, ist eh nur eine Nebengröße, die ist methodisch nicht gerechtfertigt und die wird natürlich von Jahr zu Jahr mehr auch in der Sache, politisch zu Schieflagen führen. "