Archiv


Jetzt geht's um die Wurst

Die Republik Moldau, ehemals Teil der Sowjetunion, ist ein Agrarland. Es gilt als das Armenhaus Europas. Zwar bemüht sich die moldauische Regierung um marktwirtschaftliche Reformen, doch Korruption und Schattenwirtschaft behindern diesen Kurs. Mit der Nachbarschaft zur EU nach dem Beitritt Rumäniens verknüpfen die Moldauer nun die Hoffnung auf ausländische Investoren. Die sollen Arbeitsplätze und Kapital bringen. Bisher sind nur wenige Investoren vor Ort. Gesine Dornblüth hat einen von ihnen besucht.

Von Gesine Dornblüth |
    Mit geübten Griffen stülpt eine Arbeiterin ein langes Tütchen auf ein Metallrohr. Ein Knopfdruck, und in wenigen Augenblicken füllt sich die Hülle mit Wurstmasse. Ein Knoten, ein Schubs, und die Wurst rutscht auf dem nassen Tisch weiter zur nächsten Arbeiterin.

    Etwas abseits steht Luc Engelen und beobachtet die Frauen. An seinem weißen Kittel klebt ein wenig rohe Wurstmasse. Seine weiße Schirmmütze hat er tief ins Gesicht gezogen. Luc Engelen leitet das Unternehmen Carmez International, eine Wurstfabrik in der moldauischen Haupstadt Chisinau. Die Fabrik gehört einer belgischen Investorengruppe.

    " Moldau ist spannend für Investoren, weil es ein Land der Möglichkeiten ist. Alles ist offen. Wir beginnen bei Null. Gebäude, Produktionsstätten und Dienstleistungen - überall ist noch sehr viel zu tun. Der Start ist für Investoren sehr schwer, aber es wird von Jahr zu Jahr einfacher. Die Regierung unternimmt eine Menge. Sie hat die Gesetzgebung verbessert, und sie hat auch eine spezielle Abteilung gegründet, die Investoren helfen soll. Die Regierung will das Land an die EU anbinden, und sie braucht ausländische Investoren. Die sind hier das Licht im Dunkeln. Denn nur Investoren schaffen die Arbeitsplätze, die die Leute hier im Land halten. "

    75 Angestellte arbeiten in der Wurstfabrik. Sie verdienen zwischen 100 und 160 Euro im Monat. Das liegt über dem moldauischen Durchschnitt - und ist im Vergleich zu westeuropäischen Löhnen doch lächerlich gering. Ein Mitarbeiter legt Ketten mit Wurst über eine Metallstange und hängt sie in ein mannshohes Gestell.

    " Wir haben vor allem junge Arbeitskräfte. Die Leute hier lernen sehr sehr schnell. Das ist auch einer der größten Vorteile, die das Land zur Zeit bietet: Junge Leute, die arbeiten wollen. Hier in Moldau steigen die Preise ständig. Die Leute müssen ihre Familien unterstützen und Geld verdienen. Deshalb sind sie hoch motiviert und machen ihren Job sehr gut."

    Luc Engelen geht vorsichtig weiter in den nächsten Raum. Überall steht Wasser, Fleischreste liegen auf dem Boden. Der Belgier lebt seit sieben Jahren in Moldau. Sein Unternehmen macht Gewinn.

    " Hier wird die Ware verpackt. In Moldau werden Lebensmittel normalerweise gar nicht ausgezeichnet. Es steht weder drauf, was drin ist, noch, wie lange es haltbar ist - nichts. Wir sind eine der ersten Fabriken, die das so macht wie in Westeuropa. Unser Kunde weiß, was er kauft. Das ist ein großer Marktvorteil für uns."

    An einem Fließband steht Marina. Sie ist Mitte fünfzig. Graue Haare gucken unter ihrer Haube hervor. Marina greift mit beiden Händen je eine Fleichwurst, klebt Etiketten auf die rote Kunststoffhülle und packt die Ware in einen Karton. Es sind immer die gleichen Handgriffe. Die prallen Würste hüpfen ein wenig.

    " Ich arbeite schon fast sechs Jahre hier. Ich bin sehr zufrieden, denn die Bedingungen sind gut. Ich habe zwei Söhne und zwei Enkel. Einer hat Arbeit, der andere studiert noch. Ihn unterstütze ich. Natürlich habe ich die Wurst schon probiert. Die ist sehr lecker. Und was die Hauptsache ist: Hier herrschen Sauberkeit und Ordnung."

    Etwa zehn Tonnen Wurst produziert das Unternehmen am Tag, das meiste davon für den moldauischen Markt. Zehn Prozent der Produktion führen sie nach Russland und nach Kasachstan aus. Die Rohmasse kauft das Unternehmen in Westeuropa, auch in Deutschland. Sie kommt in gefrorenen Blöcken per LKW. Das heimische, moldauische Fleisch sei zu schlecht, sagt Engelen, und es gäbe auch gar nicht genügend Vieh. Über die Jahre ist aus dem Belgier ein Lobbyist für die Republik Moldau geworden. Seine Firma sei nicht nur wegen der niedrigen Löhne in dem Land, betont er.

    " Wir sind hier wegen des Marktes. Der Markt ist sehr groß, denn wenn du in Moldau bist, hast Du es nicht mehr weit zum russischen Markt. Für den russischen Markt kann man nicht in Westeuropa produzieren, das ist zu weit entfernt. Es wäre dumm, nur aufgrund niedriger Löhne in ein Land wie Moldau zu kommen und zu investieren. Denn die Löhne werden irgendwann steigen."