Silvia Engels: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, kurz BDA, lädt heute ein zu ihrem Arbeitgebertag. Angekündigt haben sich auf der Rednerliste Bundeskanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Brüderle, ebenso wie SPD-Chef Gabriel und der Grünen-Vorsitzende Özdemir. Sie alle müssen sich allerdings in der Eröffnungsrede erst einmal die Erwartungen der Arbeitgeberverbände anhören. Halten wird sie der gestern Abend frisch wiedergewählte BDA-Präsident Dieter Hundt. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Hundt.
Dieter Hundt: Guten Morgen, Frau Engels!
Engels: Welches wird denn Ihre stärkste Forderung an die neue Regierung sein?
Hundt: Für mich ist die wichtigste Forderung im Moment bei einem sich abzeichnenden leichten Aufschwung aus der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise, die Sicherstellung einer ausreichenden Unternehmensfinanzierung durch verkraftbare Kredite. Diese Thematik wird verharmlost, wird auch von der Regierung bisher nicht entschieden genug angegangen, und die ausreichende zur Verfügung Stellung von Finanzmitteln für die Unternehmen ist für die kommenden Monate die entscheidende Angelegenheit, um den Wirtschaftsaufschwung wirklich zu stabilisieren und nachhaltig zu gestalten.
Engels: Herr Hundt, daraus entnehme ich, dass die Kreditklemme oder die drohende Kreditklemme immer noch nicht beseitigt ist. Wird es denn wenigstens besser?
Hundt: Die Diskussion, ob wir eine Kreditklemme haben oder nicht, ist überflüssig. Wir haben zunehmend Unternehmen, die beklagen, dass es immer schwieriger wird, Kredite zu erhalten, und dass die Kredite vor allen Dingen immer teuerer werden. Wir brauchen Instrumente, um die derzeitigen Regulierungen für die Finanzinstitute zu lockern. Wir brauchen zusätzliche Instrumente. Wir müssen beispielsweise den Verbriefungsmarkt wieder in Gang setzen, damit die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Banken den Unternehmen in ausreichendem Umfang zu angemessenen Konditionen Kredite einräumen können.
Engels: Die Wirtschaft soll im kommenden Jahr ja immerhin etwas stärker wachsen, als zuletzt gedacht. Trotzdem rechnet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Warum eigentlich?
Hundt: Wir haben derzeit deutlich erkennbare Zeichen, dass der Tiefpunkt der schweren Krise hinter uns liegt. Allerdings befinden wir uns unverändert auf einem unzureichend niedrigen Niveau, was Auslastung, Produktion und auch Beschäftigung betrifft. Wir müssen jetzt alles unternehmen, um diesen leichten Aufschwung zu verstärken. Der Arbeitsmarkt läuft der wirtschaftlichen Entwicklung nach. Wir werden sicherlich eine zunehmende Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten haben. Ich bin allerdings optimistisch und denke unverändert, dass die Horrorzahlen, die zu Beginn dieses Jahres für Ende dieses Jahres und des nächsten Jahres prognostiziert wurden, nicht eintreffen. Trotzdem wird der Arbeitsmarkt im nächsten Jahr nochmals deutlich belastet, und deshalb ist es auch ganz wichtig und richtig, dass wir jetzt Regelungen getroffen haben, dass die Erleichterung der Kurzarbeit auch im kommenden Jahr 2010 fortgesetzt wird und ab dem 1. 1. 2010 die Kurzarbeitsdauer wieder auf 18 Monate erhöht wird.
Engels: Damit unterstützen Sie einen Vorschlag von Arbeitsminister Jung. Aber wird gerade durch diese Maßnahme Kurzarbeitergeld auf der anderen Seite nicht auch das eine oder andere Unternehmen am Leben erhalten, das auch unter normalen Umständen gar nicht wettbewerbsfähig wäre?
Hundt: Ich denke, dass diese Gefahr nicht, oder nur in ganz geringem Umfang besteht. Auch bei Kurzarbeit verbleiben beträchtliche Kosten, die sogenannten Remanenzkosten, bei den Unternehmen. Das Gesamtvolumen in diesem Jahr wird nach Ermittlungen der Wirtschaftsforschungsinstitute für die deutsche Wirtschaft in einer Größenordnung von fünf Milliarden Euro liegen. Das heißt, es gibt eine ganz natürliche Bremse, dass nach einer gewissen Dauer ein Unternehmen, wenn nicht ein entsprechender Anstieg im Auftragseingang zu verzeichnen ist, die Kurzarbeit beenden muss und dann die erforderlichen Strukturveränderungen vornehmen muss.
Engels: Herr Hundt, schauen wir generell auf die wirtschafts- und steuerpolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung. Vor neun Jahren lobten Sie den wirtschaftspolitischen Sachverstand der schwarz-gelben Opposition. Würden Sie das heute, angesichts von Steuerstreit und Ähnlichem, immer noch tun?
Hundt: Ich begrüße das vorliegende Koalitionspapier. Da sind wesentliche und richtige Weichenstellungen enthalten, um den Wirtschaftsaufschwung zu sichern und zu stabilisieren. Es sind vor allen Dingen auch Weichenstellungen enthalten, die es ermöglichen, die dringend erforderlichen Reformen in den Sozialversicherungssystemen durchzuführen. Es ist darüber hinaus ein Bekenntnis zu unserer Tarifautonomie enthalten. Ich denke, es wird keine weiteren Mindestlöhne geben. Wir haben sichergestellt, dass das Defizit in der Arbeitsagentur, das im nächsten Jahr ja auf bis zu 16 Milliarden Euro anwachsen wird, vom Staat übernommen wird. Das sind alles Maßnahmen, die in der jetzigen Phase richtig sind, so sehr sie ordnungspolitisch diskutiert werden können.
Engels: Das ist nämlich der Preis, der dafür zu zahlen ist. Auch gegen die enorm hohe Neuverschuldung gibt es ja Widerstand aus den unionsregierten Ländern. Zurecht?
Hundt: Wir dürfen aktuell und kurzfristig den sich abzeichnenden Aufschwung nicht durch zusätzliche Sparmaßnahmen gefährden. Im Gegenteil! Jetzt hat Priorität, den Aufschwung zu sichern, und dann, bin ich sehr bei Ihnen, muss eine stringente Konsolidierungspolitik begonnen und durchgehalten werden, um die enorme Verschuldung wieder zu reduzieren.
Engels: Sie haben das Stichwort Ordnungspolitik angesprochen, Herr Hundt. Gesehen haben wir als eine der ersten Maßnahmen eine Entlastung einer speziellen Branche. Das Hoteleriegewerbe darf künftig einen verminderten Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen anwenden. Das kann man jetzt als sinnvoll oder nicht erachten, aber ordnungspolitisch ist es doch ein Sündenfall, oder?
Hundt: Ich hätte mir durchaus vorstellen können, dass über die Korrektur der krisenverschärfenden Maßnahmen in der Unternehmenssteuerreform und auch in der Erbschaftssteuerreform, die dringend und schnell notwendig sind, angesichts der aktuellen Wirtschaftslage und der zu erwartenden Entwicklung, erst eine große Steuerreform zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Wirtschaft dann wieder angemessene Werte erreicht hat, durchgeführt wird und im Zusammenhang mit einer solchen großen Steuerreform, die wichtig ist, die notwendig ist, eben dann auch alle Sonderregelungen behandelt werden. Die Koalition hat sich zu diesem Schritt jetzt entschieden. Das gilt genauso für das Kindergeld und die Erhöhung des Freibetrages. Das sind Folgen der Aussagen aus dem Wahlkampf. Okay, die große Steuerreform muss kommen, aber erst, wenn wir wirtschaftlich wieder auf einem akzeptablen Niveau sind.
Engels: Da sind Sie also eher bei Finanzminister Schäuble als bei Wirtschaftsminister Brüderle?
Hundt: Wolfgang Schäuble ist sicherlich der richtige Finanzminister in dieser schwierigen Zeit. Er ist erfahren und auch hartnäckig genug, sich gegen übermäßige Wünsche und Forderungen durchzusetzen. Ich denke, dass er eine richtige und gute Finanzpolitik in den kommenden Jahren sicherstellt.
Engels: Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, im Interview des Deutschlandfunks. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Hundt: Danke Ihnen!
Dieter Hundt: Guten Morgen, Frau Engels!
Engels: Welches wird denn Ihre stärkste Forderung an die neue Regierung sein?
Hundt: Für mich ist die wichtigste Forderung im Moment bei einem sich abzeichnenden leichten Aufschwung aus der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise, die Sicherstellung einer ausreichenden Unternehmensfinanzierung durch verkraftbare Kredite. Diese Thematik wird verharmlost, wird auch von der Regierung bisher nicht entschieden genug angegangen, und die ausreichende zur Verfügung Stellung von Finanzmitteln für die Unternehmen ist für die kommenden Monate die entscheidende Angelegenheit, um den Wirtschaftsaufschwung wirklich zu stabilisieren und nachhaltig zu gestalten.
Engels: Herr Hundt, daraus entnehme ich, dass die Kreditklemme oder die drohende Kreditklemme immer noch nicht beseitigt ist. Wird es denn wenigstens besser?
Hundt: Die Diskussion, ob wir eine Kreditklemme haben oder nicht, ist überflüssig. Wir haben zunehmend Unternehmen, die beklagen, dass es immer schwieriger wird, Kredite zu erhalten, und dass die Kredite vor allen Dingen immer teuerer werden. Wir brauchen Instrumente, um die derzeitigen Regulierungen für die Finanzinstitute zu lockern. Wir brauchen zusätzliche Instrumente. Wir müssen beispielsweise den Verbriefungsmarkt wieder in Gang setzen, damit die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Banken den Unternehmen in ausreichendem Umfang zu angemessenen Konditionen Kredite einräumen können.
Engels: Die Wirtschaft soll im kommenden Jahr ja immerhin etwas stärker wachsen, als zuletzt gedacht. Trotzdem rechnet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Warum eigentlich?
Hundt: Wir haben derzeit deutlich erkennbare Zeichen, dass der Tiefpunkt der schweren Krise hinter uns liegt. Allerdings befinden wir uns unverändert auf einem unzureichend niedrigen Niveau, was Auslastung, Produktion und auch Beschäftigung betrifft. Wir müssen jetzt alles unternehmen, um diesen leichten Aufschwung zu verstärken. Der Arbeitsmarkt läuft der wirtschaftlichen Entwicklung nach. Wir werden sicherlich eine zunehmende Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten haben. Ich bin allerdings optimistisch und denke unverändert, dass die Horrorzahlen, die zu Beginn dieses Jahres für Ende dieses Jahres und des nächsten Jahres prognostiziert wurden, nicht eintreffen. Trotzdem wird der Arbeitsmarkt im nächsten Jahr nochmals deutlich belastet, und deshalb ist es auch ganz wichtig und richtig, dass wir jetzt Regelungen getroffen haben, dass die Erleichterung der Kurzarbeit auch im kommenden Jahr 2010 fortgesetzt wird und ab dem 1. 1. 2010 die Kurzarbeitsdauer wieder auf 18 Monate erhöht wird.
Engels: Damit unterstützen Sie einen Vorschlag von Arbeitsminister Jung. Aber wird gerade durch diese Maßnahme Kurzarbeitergeld auf der anderen Seite nicht auch das eine oder andere Unternehmen am Leben erhalten, das auch unter normalen Umständen gar nicht wettbewerbsfähig wäre?
Hundt: Ich denke, dass diese Gefahr nicht, oder nur in ganz geringem Umfang besteht. Auch bei Kurzarbeit verbleiben beträchtliche Kosten, die sogenannten Remanenzkosten, bei den Unternehmen. Das Gesamtvolumen in diesem Jahr wird nach Ermittlungen der Wirtschaftsforschungsinstitute für die deutsche Wirtschaft in einer Größenordnung von fünf Milliarden Euro liegen. Das heißt, es gibt eine ganz natürliche Bremse, dass nach einer gewissen Dauer ein Unternehmen, wenn nicht ein entsprechender Anstieg im Auftragseingang zu verzeichnen ist, die Kurzarbeit beenden muss und dann die erforderlichen Strukturveränderungen vornehmen muss.
Engels: Herr Hundt, schauen wir generell auf die wirtschafts- und steuerpolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung. Vor neun Jahren lobten Sie den wirtschaftspolitischen Sachverstand der schwarz-gelben Opposition. Würden Sie das heute, angesichts von Steuerstreit und Ähnlichem, immer noch tun?
Hundt: Ich begrüße das vorliegende Koalitionspapier. Da sind wesentliche und richtige Weichenstellungen enthalten, um den Wirtschaftsaufschwung zu sichern und zu stabilisieren. Es sind vor allen Dingen auch Weichenstellungen enthalten, die es ermöglichen, die dringend erforderlichen Reformen in den Sozialversicherungssystemen durchzuführen. Es ist darüber hinaus ein Bekenntnis zu unserer Tarifautonomie enthalten. Ich denke, es wird keine weiteren Mindestlöhne geben. Wir haben sichergestellt, dass das Defizit in der Arbeitsagentur, das im nächsten Jahr ja auf bis zu 16 Milliarden Euro anwachsen wird, vom Staat übernommen wird. Das sind alles Maßnahmen, die in der jetzigen Phase richtig sind, so sehr sie ordnungspolitisch diskutiert werden können.
Engels: Das ist nämlich der Preis, der dafür zu zahlen ist. Auch gegen die enorm hohe Neuverschuldung gibt es ja Widerstand aus den unionsregierten Ländern. Zurecht?
Hundt: Wir dürfen aktuell und kurzfristig den sich abzeichnenden Aufschwung nicht durch zusätzliche Sparmaßnahmen gefährden. Im Gegenteil! Jetzt hat Priorität, den Aufschwung zu sichern, und dann, bin ich sehr bei Ihnen, muss eine stringente Konsolidierungspolitik begonnen und durchgehalten werden, um die enorme Verschuldung wieder zu reduzieren.
Engels: Sie haben das Stichwort Ordnungspolitik angesprochen, Herr Hundt. Gesehen haben wir als eine der ersten Maßnahmen eine Entlastung einer speziellen Branche. Das Hoteleriegewerbe darf künftig einen verminderten Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen anwenden. Das kann man jetzt als sinnvoll oder nicht erachten, aber ordnungspolitisch ist es doch ein Sündenfall, oder?
Hundt: Ich hätte mir durchaus vorstellen können, dass über die Korrektur der krisenverschärfenden Maßnahmen in der Unternehmenssteuerreform und auch in der Erbschaftssteuerreform, die dringend und schnell notwendig sind, angesichts der aktuellen Wirtschaftslage und der zu erwartenden Entwicklung, erst eine große Steuerreform zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Wirtschaft dann wieder angemessene Werte erreicht hat, durchgeführt wird und im Zusammenhang mit einer solchen großen Steuerreform, die wichtig ist, die notwendig ist, eben dann auch alle Sonderregelungen behandelt werden. Die Koalition hat sich zu diesem Schritt jetzt entschieden. Das gilt genauso für das Kindergeld und die Erhöhung des Freibetrages. Das sind Folgen der Aussagen aus dem Wahlkampf. Okay, die große Steuerreform muss kommen, aber erst, wenn wir wirtschaftlich wieder auf einem akzeptablen Niveau sind.
Engels: Da sind Sie also eher bei Finanzminister Schäuble als bei Wirtschaftsminister Brüderle?
Hundt: Wolfgang Schäuble ist sicherlich der richtige Finanzminister in dieser schwierigen Zeit. Er ist erfahren und auch hartnäckig genug, sich gegen übermäßige Wünsche und Forderungen durchzusetzen. Ich denke, dass er eine richtige und gute Finanzpolitik in den kommenden Jahren sicherstellt.
Engels: Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, im Interview des Deutschlandfunks. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Hundt: Danke Ihnen!