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Jobfalle Turbostudium

Das Modell galt bundesweit als vorbildlich und hat Studenten auch außerhalb Bayerns an die FH Nürnberg gelockt: Nun sind die ersten Absolventen fertig, aber die wenigsten haben einen Job und die Aussichten für die Absolventen, bei anderen Firmen unterzukommen, sind ebenfalls schwierig.

09.09.2002
    Die vertragliche Verpflichtung lief darauf hinaus, dass die Firma uns Angebote machen sollte für den Praxisteil und die Abschlussarbeit, das war eine Zusage der Firma, sie bieten uns das auf jeden Fall an und die Firma wollte davon profitieren und hat sich die Option dann offen gelassen, wenn sie uns nach dem Studium auch haben wollen, dass sie uns dann zwei Jahre verpflichten können. Das war die vertragliche Sache.

    Christian Bayer hat Glück gehabt. Der 24-Jährige, der bei der Firma Ericsson ein Stipendium ergattert hatte, ist übernommen worden, - zwar befristet auf ein Jahr, aber immerhin. Die meisten seiner Studienkollegen haben es nicht geschafft und stehen jetzt auf der Straße, obwohl auch sie in Rekordzeit ihr Studium der Telekommunikation und Informationstechnik an der FH Nürnberg durchgezogen haben. Dabei hatte alles so gut angefangen: Ericsson und andere Firmen zahlten jedem Stipendiaten monatlich 1000 Euro; die Fachhochschule Nürnberg kassierte pro Student und Semester 4000 Euro. Alles in allem hat Ericsson über eine Millionen Euro investiert. Jan Eric Stjernvall, Chef von Ericsson in Nürnberg:

    Es ist so, dass wir eine sehr schwierige Geschäftslage haben wie fast jede Telekommunikationsindustrie. Wir stellen keine Leute mehr ein und wir konnten auch nicht alle diese Leute einstellen.

    Das Modell, das im Rahmen der Hightech Offensive Bayern entstanden ist und vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft als besonders zukunftsweisend gefeiert wurde, hat sich für die Absolventen und die beteiligten Unternehmen bislang nicht ausgezahlt. Auch Michael Braun, Prorektor der FH Nürnberg, sieht den Erfolg des Studiengangs, der stark von der Konjunktur abhängt, mittlerweile in Frage gestellt. Er kritisiert vor allem den Ruf der Industrie nach der schnellen Verfügbarkeit der Absolventen:

    Jedenfalls war das noch vor drei Jahren, als das Modell begonnen hatte, der Maßstab überhaupt. Jetzt ist das nicht mehr ganz die oberste Priorität. Trotzdem würde ich mal meinen, haben wir mit dieser Bachelorausbildung einen berufsqualifzierenden Abschluss, der nicht ein Diplom Light ist.

    Ob die Unternehmen, bei denen sich die Absolventen jetzt bewerben, das allerdings auch so sehen, ist fraglich. Stefan Berr beispielsweise hat sich auch bei anderen Mobilfunkfirmen beworben. Allerdings ohne Erfolg. Um seine Chancen auf einen Job zu erhöhen, will er jetzt auf den Bachelor-Abschluss einen Master draufsatteln. Ewald Berning vom Bayerischen Institut für Hochschulforschung ist überzeugt, dass die starke Ausrichtung des Nürnberger Studiengangs auf die Bedürfnisse der Unternehmen, die als Stipendiengeber und Sponsoren auftreten, riskant ist. Um auf wirtschaftliche Nachfragen flexibel reagieren zu können, ist selbst ein Turbo-Studium, das gerade Mal zweieinhalb Jahre dauert, unter Umständen schon zu lang.

    Da hängt es sehr stark von der Konjunktur ab, ob es sinnvoll ist, dass auch künftig im Abstand von zwei, drei, vier Jahren Studenten in einen solchen Studiengang einsteigen oder ob man nicht besser kürzer laufende, berufliche Weiterbildungen auf Fachhochschulniveau anbieten sollte.

    Ewald Berning favorisiert eine Lösung, wie sie an der Fachhochschule Deggendorf praktiziert wird. Dort können Berufstätige in 18 Monaten berufsbegleitend einen IT-Kompaktkurs in Wirtschaftsinformatik machen. Die ersten Absolventen sind mittlerweile fertig - und von ihnen steht keiner auf der Straße. Trotz schlechter Konjunktur.