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Jobmaschine Umweltschutz

Während große Stromkonzerne nach dem Atomausstieg zum Teil mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, ist die Umweltwirtschaft zum Jobmotor geworden - nicht nur bei den erneuerbaren Energien.

Von Axel Flemming | 10.08.2011
    Es ist nur ein winziger Pieks, mit dem eine Reißzwecke ein Loch in die Dichtungsfolie drückt, aber das könnte im Zweifelsfall schon für eine Katastrophe reichen. Denn die Folie soll einen Tunnel an den Niagarafällen abdichten, der durch Gestein führt, das bei Kontakt mit Wasser zu quellen beginnt.

    "Abdichtungen sorgen dafür, dass Bauwerke dicht bleiben, Wasser nicht reinkommt und das schützt die Bauwerke davor, kaputtzugehen. Und es verhindert, dass die Umwelt Schaden nimmt, weil etwas ausläuft. Und deswegen sind diese filigranen Systeme ganz wichtig und in großen Flächen an jedem Bauwerk vorhanden. Auch wenn man sie häufig nicht sieht."

    ... sagt Andreas Rödel, Geschäftsführer der Progeo Monitoring GmbH in Großbeeren. Die Firma entwickelt Systeme, die Abdichtungen überwachen und der Energieeffizienzsteigerung von Bauwerken dienen. Die Technik wird beispielsweise auf Müllkippen eingesetzt, denn das Eindringen von Gift in Grundwasser und Umwelt muss vermieden sein. Aber auch die Dichtigkeit von Dächern kann so überwacht werden und die Stabilität von Wasser-Rückhaltebecken; Leckagen können dort präzise lokalisiert werden. Das klappt auch bei der Folie für den Niagaratunnel, die im Atrium des Gebäudes ausgerollt ist. Dazu wird eine Hochspannung angelegt. Die Signallampe springt auf Rot und mithilfe einer Wärmekamera wird das kleine Loch sichtbar.

    "Das heißt, wenn wir das jetzt eine Zeit lang angestellt lassen, entsteht an der Stelle ein warmer Fleck, ein Hotspot, und sie sehen schon einen kleinen hellen Punkt. Und wenn ich da jetzt hinleuchte, dann sollte das ziemlich genau die Stelle sein, wo die Schadstelle ist."

    Progeo ist weltweit tätig, wurde 1993 in Berlin gegründet, zog 1999 nach Brandenburg, weil dort die Wirtschaftsförderung unbürokratisch vonstattenging. Mittlerweile wurden 18 Arbeitsplätze geschaffen. Progeo ist eines von 620 Unternehmen der Umweltwirtschaft in Brandenburg. Nach einer Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin erwirtschafteten im Jahr 2009 rund 22.000 Beschäftigte in diesem Bereich etwa 4,5 Milliarden Euro Umsatz. Damit arbeiten etwa zwei Prozent aller brandenburgischen Beschäftigten in der Umweltwirtschaft. Umweltministerin Anita Tack (Linke) verweist auf das Potenzial:

    "Umweltwirtschaft sind insbesondere in Brandenburg kleine, kleinst- und kleine Mittelbetriebe. Die haben aber große Chancen. Also es läppert sich zusammen und es ist eine Technologie für die Zukunft."

    Als Schwerpunkte der Umweltwirtschaft gelten in Brandenburg die Kreislaufwirtschaft und die Energieerzeugung. Ganz am Anfang noch steht die CS Carbon Solutions Deutschland GmbH. In einer Versuchshalle in Teltow erprobt die Firma, die acht Mitarbeiter hat, das Verfahren der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC genannt) - dabei wird Kohle aus Biomasse hergestellt. Das Verfahren könnte den CO2-Ausstoß in die Atmosphäre verringern helfen. Entwickelt wurde es quasi um die Ecke: im Max-Planck-Institut für Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm. Geschäftsführer Volker Zwing sucht nach Investoren, damit das Projekt zur Marktreife entwickelt werden kann:

    "Zu einen sind es Abnehmer, die entweder ein Abfallproblem haben also klassisch große Entsorger, die auf eine modernere oder umweltschonendere Entsorgungstechnik übergehen möchten oder auch Industrieunternehmen, die organische Klärschlämme haben, die heute sehr teuer für sie zu entsorgen sind oder auf der Outputseite große Unternehmen, die einen hohen Energieeinsatz haben, und dort ein CO2-Problem haben, wenn dort die nächste CO2-Runde starten wird ... "

    ... und die Verschmutzungsrechte nicht mehr umsonst vergeben werden. Allerdings sind wir in Deutschland, und bei aller Investorenfreundlichkeit der brandenburgischen Behörden, es sind Behörden mit bürokratischem Gehabe. Zwing stöhnt:

    "Als es so zum Ende des Genehmigungsverfahrens kommt, habe ich gesagt: Hätten wir mal lieber ein Atomkraftwerk beantragt, das wäre wahrscheinlich einfacher gewesen, weil dafür gibt's ein Handbuch und für HTC-Anlagen gibt's eben noch kein Handbuch."