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Jobs im öffentlichen Dienst
Hacker mit Hauptschulabschluss können in den Staatsdienst

40 Prozent der Studenten halten einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst für attraktiv. Besonders in Mangelberufen wie Ingenieur oder im IT-Bereich suche der Staat Beschäftigte, sagte Friedhelm Schäfer vom Beamtenbund im Dlf. Auch ohne Uni-Abschluss gebe es Karrierechancen.

Friedhelm Schäfer im Gespräch mit Sandra Pfister | 25.07.2018
    Ein Stapel Akten liegt auf einem Schreibtisch in einer Behörde
    Viele Jung-Akademiker interessieren sich für den öffentliche Dienst (icture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Sandra Pfister: Studierende in Deutschland setzen bei der Berufswahl wieder stärker auf Sicherheit und auf einen Job beim Staat. Das haben sie dem Beratungsunternehmen Ernst & Young in der Studentenstudie 2018 verraten. Vor zwei Jahren sagte noch jeder dritte Studierende, er fände es attraktiv, im Öffentlichen Dienst zu arbeiten. In der neuesten Befragung haben schon 40 Prozent der Studierenden gesagt, sie würden gern für den Staat arbeiten. Darüber reden wir jetzt mit Friedhelm Schäfer. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. Guten Tag, Herr Schäfer.
    Friedhelm Schäfer: Einen wunderschönen guten Tag!
    Pfister: Herr Schäfer, die Wirtschaft brummt, wie man so schön sagt. Viele Absolventen könnten auch gute Jobs in der Wirtschaft haben. Warum, glauben Sie, ist der öffentliche Dienst auf einmal wieder so attraktiv?
    Schäfer: Ich denke, dass zum einen das Aufgabenspektrum im Öffentlichen Dienst sehr vielschichtig und auch ständigen Veränderungen unterworfen ist. Und wenn man flexibel und leistungswillig ist, stehen zudem auch gute Karrierewege offen. Zum anderen sind natürlich die Rahmenbedingungen wie zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf ja nicht schlechter als in der freien Wirtschaft. Eine Rolle spielt auch der in den letzten Jahren deutlich zunehmende Wille, für das Gemeinwesen, für unseren Staat zu arbeiten. Das ist jedenfalls die Erfahrung, die wir im Gespräch mit jungen Leuten gemacht haben.
    Pfister: Wie passt denn zusammen bei all den attraktiven Sachen, die Sie aufzählen und auch bei dem Interesse der jungen Leute an dem Job, dass sie trotzdem im Öffentlichen Dienst ein Fachkräfteproblem haben?
    Schäfer: Das ist, glaube ich, ein Problem, das insgesamt in diesem Land besteht, weil wir eben aufgrund der demografischen Situation erhebliche Altersabgänge haben, zudem wir auch in Tätigkeitsfeldern, die in der Vergangenheit nicht so im Fokus gestanden haben, erheblichen Arbeitskräftebedarf haben. Also ich glaube, das ist keine Sondersituation des Öffentlichen Dienstes, sondern der Öffentliche Dienst ist dort mitten im Leben, Arbeitsmarkt Deutschland.
    Pfister: Sie suchen Ingenieure, IT-Experten, Ärzte, das hat man gar nicht auf dem Schirm, Ärzte fehlen auch im Öffentlichen Dienst. Heißt das, die Absolventen, die Sie bekommen könnten, sind nicht so passgenau wie die, die Sie gern hätten?
    Schäfer: Wir sind gerade bei diesen Mangelberufen, und da ist der Ansatz schon im Studienbereich zu sehen, es studieren weitaus zu wenig Menschen im MINT-Bereich, um das mal auf den Punkt zu bringen. Dort sind wir natürlich in einer starken Konkurrenzsituation mit der freien Wirtschaft, und dort wird, das ist ja nun bekannt, deutlich mehr oftmals gezahlt als in der Verwaltung im Bereich des Öffentlichen Dienstes in Deutschland.
    Geisteswissenschaftler eher in den öffentlichen Dienst
    Pfister: Und besonders attraktiv sind Sie dann für die Geisteswissenschaftler?
    Schäfer: Sicherlich ist es so, dass die Geisteswissenschaftler eher den Weg in Richtung Öffentlicher Dienst finden. Das hängt auch schon mit der Zahl derjenigen zusammen, die wir dort in diesen Bereichen suchen.
    Pfister: Sie selbst sind Steuerbeamter. Gibt es da genug Nachwuchs?
    Schäfer: Es gibt immer noch genug Nachwuchs. Wir haben allerdings, und das ist ein latentes Problem insgesamt bei Bewerberinnen und Bewerbern, große Mühe, den Qualitätsstandard zu halten, den wir im Öffentlichen Dienst halten wollen. Das ist eines der Probleme. Das heißt, Sie bekommen heute beispielsweise für tausend vorgesehen Ausbildungsplätze immer noch 10.000 Bewerbungen, aber anders als vor Jahren, wenn Sie mit Blick auf Qualität schauen, haben Sie nicht 3.000, auf die Sie am Ende zugreifen könnten, sondern haben noch 2.000.
    Pfister: Gilt das auch für den Hochschulbereich?
    Schäfer: Ich denke, dass auch im Hochschulbereich sicherlich zum Teil orientierter auf die Bedürfnisse ausgebildet werden müsste. Ich traue mir allerdings nicht zu, zu sagen, das gilt für alle Bereiche. Aber man kann schon den Eindruck haben, dass die Ausrichtung gerade auf die Bedürfnisse der Wirtschaft stärker ausgeprägt sind als auf die Bedürfnisse im Öffentlichen Dienst.
    Pfister: Sie haben natürlich Ihre eigenen Hochschulen, an denen Sie noch mal ein bisschen nachdrehen können. Was Ihnen aber oft vorgehalten wird, ist, dass Sie eisern daran festhalten, dass man immer noch einen Master braucht, um in den Höheren Dienst einzusteigen, ein Bachelor reicht nicht. Verbauen sich damit die Behörden nicht viele Chancen, an gute Leute ranzukommen mit Studium?
    Schäfer: Das sehe ich ein Stück weit anders. Wir haben ja die Situation bisher, dass wir Masterabsolventen für den Bereich des Höheren Dienstes erwarten, und Bachelor-Absolventen den Weg in den gehobenen Dienst ermöglichen. Und wenn sie dort entsprechend gute Leistungen bringen, machen wir ihnen auch den Weg in den höheren Dienst frei. Das ist sicherlich unterschiedlich ausgeprägt, kommt auf die jeweilige Gebietskörperschaft an. Könnte auch noch optimiert werden, aber ich denke nicht, dass wir uns auf einen Weg begeben sollten, die Qualität, die wir im Öffentlichen Dienst brauchen, durch Absenkung von Zugangsvoraussetzungen zu gefährden.
    Pfister: Das heißt, es gibt da Ausnahmen, Sie gucken sich die Leute einzeln an, aber erst mal kommen die in den Gehobenen und nicht in den Höheren Dienst?
    Schäfer: Ich bringe Ihnen mal ein Beispiel. Wenn wir im Bereich Datensicherheit zwingend einen Hacker brauchen - so was soll man auch in der Bundesverwaltung beispielsweise brauchen, der nur einen Hauptschulabschluss hat, dann werden wir Wege finden, um den zu bekommen.
    Pfister: Sie können den nicht mit mehr Geld locken?
    Schäfer: Nein. Mit spannenden Tätigkeiten. Und man kann ihm sicherlich auch auf dem Weg einen Einstieg ermöglichen, der eine Bezahlung organisiert, die nicht eigentlich seinem Hauptschulabschluss entsprechen würde.
    "Zeit ist ein Stück weit die neue Währung"
    Pfister: Apropos Geld: Bei der Befragung, von der wir eingangs ausgegangen sind, wurde ja nur gefragt, wie interessant der Öffentliche Dienst ist. Wie interessant ist er denn, wenn es darum geht, dort nur angestellt und nicht verbeamtet zu sein?
    Schäfer: Ich denke, dass das Pfund, mit dem der Öffentliche Dienst, und das gilt sowohl für den beamteten Bereich wie auch für den Tarifbereich, wuchern kann, ist einmal die Vielschichtigkeit der Aufgaben, die zu bewältigen sind. Das ist zum anderen die Sicherheit des Arbeitsplatzes, und da gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Tarif- und dem Beamtenbereich. Und es ist eben das, was entscheidend ist, die Möglichkeit, relativ flexibel zu arbeiten, und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie wissen, dass das Thema Zeit ein Stück weit die neue Währung ist.
    Pfister: Braucht denn die Öffentliche Hand, das noch abschließend gefragt, weil wir so viel über Studierte geredet habe, braucht sie vor allem Studierte, oder gibt es auch einen eklatanten Mangel im Bereich des Mittleren und Gehobenen Dienstes?
    Schäfer: Es kommt auf den jeweiligen Fachbereich an. Wenn Sie die tradierte Verwaltung sehen, sind wir sicherlich auf dem Weg, wo wir überwiegend Hochschulabsolventen brauchen, und dort, in diesen Bereichen der tradierten Verwaltung wird der Bedarf an Beschäftigten im Mittleren Dienst und im Einfachen Dienst, auch die gibt es teilweise noch, sicherlich deutlich abnehmen - das ist eine Folge auch von Digitalisierung. Wir brauchen aber in Bereichen, die tradiert bisher eher dem Mittleren Dienst zugeordnet werden können oder vergleichbar in der Eingruppierung im Tarifbereich, natürlich erhebliches Personal. Wenn Sie den Bereich von Sozial- und Erziehungsdiensten sehen und dort unterhalb von Hochschulabsolventen, dann ist da ein erheblicher Bedarf.
    Pfister: Sagt Friedhelm Schäfer, Zweiter Vorsitzender im Deutschen Beamtenbund. Ganz herzlichen Dank, Herr Schäfer!
    Schäfer: Bitte, gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Die Audiofassung enthält die leicht gekürzte Fassung des Beitrags, zum Nachlesen stellen wir Ihnen die ausführliche Version zur Verfügung.