Ich war hier an dem Tag, als sie das Werk dichtgemacht haben. Da hinten an den Gleisen habe ich gestanden, als die letzte Fuhre raus ging. Total hilflos. Keiner von uns hat geglaubt, dass das jemals passieren würde.
Bethlehem, eine Kleinstadt im Nordosten Pennsylvanias galt Jahrzehnte lang als Stahlschmiede Amerikas. In dem kleinen Städtchen am Ufer des Lehigh-Flusses wurde der Stahl für Kriegsschiffe im zweiten Weltkrieg produziert und die Eisenträger für San Franciscos Golden Gate Bridge. Generationen von Stahlkochern hatten hier einen sicheren Arbeitsplatz, erzählt Frank Behum.
Mein Vater, mein Großvater und mein Urgroßvater - alle haben hier gearbeitet. Außerdem diverse Onkel und Cousins, insgesamt fast 100 Leute aus unserer Familie haben im Stahl-Werk geschuftet. Da hängen verdammt viele Erinnerungen dran.
Heute gibt es in Bethlehem nur noch wenige gut bezahlte, gewerkschaftlich abgesicherte Jobs auf Lebenszeit. Die Arbeitslosenzahlen liegen über dem nationalen Durchschnitt von 5,4 Prozent. Seit die Stahlwerke bankrott gegangen sind, halten sich viele Ex-Stahlwerker mit Gelegenheits-Jobs über Wasser. Rocksänger Billy Joel hat vor Jahren über den Zusammenbruch der Stahlregion hier einen Song geschrieben. Es wird immer härter zu überleben, heißt es da. Frank Behum dreht das Autoradio lauter.
Er steuert seinen Truck vorbei am alten Werksgelände durch die Wohnviertel von Bethlehem. In vielen Vorgärten sind Wahlplakate aufgestellt - Pennsylvania gehört zu den so genannten Battleground States, den besonders hart umkämpften Bundesstaaten. George Bush und John Kerry liefern sich ein Kopf an Kopf Rennen und beide Parteien kämpfen bis zur letzten Minute um jede einzelne Stimme. Das große Wahlkampfthema hier heißt Jobs, Jobs, Jobs.
Ein paar Kilometer weiter, im so genannten Career Center von Allentown werden Jobsuchende beraten und fit gemacht für den krisengeschüttelten Arbeitsmarkt. Auf den Gängen warten Mütter mit Kindern und ein paar Jugendliche mit Bewerbungsmappen unter dem Arm. In einem modernen Konferenzraum im zweiten Stock hocken fünf von Frank Behums Ex-Kollegen aus der Stahlmühle. Die meisten sind im Rentenalter, aber an Ruhestand denkt keiner von ihnen. Fast alle sind auf Jobsuche. Zum Beispiel Ken Diefenderfer:
Ich habe als Elektriker gearbeitet, aber es ist verdammt schwer, wieder einen Job in der Schwerindustrie-Branche zu finden. Es gibt einfach nichts mehr, also muss ich mich anderweitig umschauen.
Das Rentnerdasein kann sich der fast 60-jährige Diefenderfer einfach noch nicht leisten. Also hangelt er sich von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob. Im Moment arbeitet er als Lastwagenfahrer. Seine Frau ist wegen eines schweren Unfalls frühpensioniert, aber sie bekommt immerhin eine Berufsunfähigkeitsrente. "Wir sind froh, dass wir unserem Sohn die Collegeausbildung bezahlen konnten", sagt er.
Joe Frankel weiß, wovon sein Kumpel spricht. Als ihm bei Bethlehem Steel gekündigt wurde, war das Jüngste seiner drei Kinder gerade 15. Die Rechnungen für Schule und Ausbildung konnte er nur dank der paar hundert Dollar Arbeitslosenhilfe und einer kleinen Erbschaft bezahlen. Auch er ist im Moment auf Jobsuche.
Ich werde demnächst 61 und natürlich fürchte ich, einem Jüngeren mit Kindern und einer Hypothek den Job wegzunehmen. Ob der Präsident da helfen kann, ich weiß es nicht. Wir stecken einfach in einer Riesenkrise.
Tom Sedor ist einer der wenigen, die trotz der Krise einen neuen Job gefunden haben. Einfach war das nicht.
Ich habe als 16-jähriger Lehrling im Stahlwerk angefangen. Aber irgendwie war mir damals schon klar, dass ich nicht bis zur Rente dort bleiben kann und will,
erzählt der blasse Mann.
Ich wollte da einfach nur weg von der Schichtarbeit, dem Dreck und den Gefahren. Mein Vater ist bei einem Unfall im Stahlwerk gestorben, vielleicht war das auch ein Grund, warum ich möglichst heil da rauskommen wollte. Ich bin froh dass ich gegangen bin.
Sedor hatte Glück, er wurde umgeschult und berät heute selbst Arbeitslose auf Jobsuche. Seiner Meinung nach gibt es sehr wohl noch Jobs in der Region um Bethlehem. Der Haken sei allerdings, dass die Löhne bis zu 50 Prozent unter dem Durchschnitts-Verdienst damals im Stahlwerk liegen. Verträge würden oft nur für ein paar Monate abgeschlossen. Dazu komme, dass insbesondere Ex Stahlwerker einfach schlechte Karten hätten bei vielen Arbeitgebern. Genau diese Erfahrung hat auch Frank Behum gemacht.
Sobald ich in Vorstellungsgesprächen erwähnt habe, dass ich von Bethlehem Steel komme, ging die Sache schief. Und wenn ich dann von meiner Arbeit in der Gewerkschaft anfing, wurde es noch schlimmer. Es war wie ein Stigma. Sobald Du einem Arbeitgeber erzählt hast, dass Du bei Bethlehem Steel gewesen bist, warst Du unten durch.
Der Grund dafür: Die Ex-Stahlkocher gelten als überbezahlt und gewerkschaftstreu - solche Arbeitnehmer will sich einfach keine Firma mehr leisten. Aber nicht nur von potenziellen Arbeitgebern in der Region, auch von Präsident Bush fühlen sich die Männer hier betrogen und im Stich gelassen. Hunderttausende Jobs sind in den vier Jahren seiner Amtszeit verloren gegangen. Einfach outgesourct in Billiglohnländer, schimpft Diefenderfer. Für ihn ist deshalb klar: George Bush muss dringend abgewählt werden.
Bush muss weg, ganz einfach. Ich werde auf jeden Fall zur Wahl gehen und meine Frau und mein Sohn auch. Und dann ist Schluss mit Bush. Er versucht die Wirtschaftsprobleme der ganzen Welt zu lösen, prima! Aber zuallererst soll er sich gefälligst um uns kümmern!
Versagen auf ganzer Linie, werfen die Männer Präsident Bush vor - Arbeitslosigkeit, steigende Krankenversicherungsbeiträge, sinkende Löhne, das Desaster im Irak - die Beschwerdeliste ist lang. Vom demokratischen Kandidaten Kerry erwartet Ken Diefenderfer zwar auch keine Wunder, aber besser als Bush sei der allemal.
Bush hat vier Jahre Zeit gehabt und hat nichts erreicht. Deshalb versuch ich's jetzt mit jemand anderem. Kerry mag vielleicht nicht der beste von allen sein, aber er ist allemal besser als der, den wir jetzt haben.
Ex-Gewerkschafter Frank Behum kann dem nur zustimmen. Er arbeitet ehrenamtlich in der örtlichen Zentrale der demokratischen Partei, verteilt Kerry-Aufkleber und Kugelschreiber und versucht potentielle Wähler zu mobilisieren. Sein Urteil über Präsident Bush:
Meiner Meinung nach ist er der größte Lügner der Weltgeschichte, gleich nach Joseph Goebbels. Dieser Mann hat noch nie die Wahrheit gesagt. Wenn der beim Lügen ertappt wird, sagt er einfach: So habe ich das nicht gemeint. Und wenn wir über Wirtschaftsprobleme reden und davon, wie dreckig es den meisten von uns hier geht, ist es glaub ich höchste Zeit, dass sich mal endlich einer um die Menschen in diesem Land kümmert.
Bethlehem, eine Kleinstadt im Nordosten Pennsylvanias galt Jahrzehnte lang als Stahlschmiede Amerikas. In dem kleinen Städtchen am Ufer des Lehigh-Flusses wurde der Stahl für Kriegsschiffe im zweiten Weltkrieg produziert und die Eisenträger für San Franciscos Golden Gate Bridge. Generationen von Stahlkochern hatten hier einen sicheren Arbeitsplatz, erzählt Frank Behum.
Mein Vater, mein Großvater und mein Urgroßvater - alle haben hier gearbeitet. Außerdem diverse Onkel und Cousins, insgesamt fast 100 Leute aus unserer Familie haben im Stahl-Werk geschuftet. Da hängen verdammt viele Erinnerungen dran.
Heute gibt es in Bethlehem nur noch wenige gut bezahlte, gewerkschaftlich abgesicherte Jobs auf Lebenszeit. Die Arbeitslosenzahlen liegen über dem nationalen Durchschnitt von 5,4 Prozent. Seit die Stahlwerke bankrott gegangen sind, halten sich viele Ex-Stahlwerker mit Gelegenheits-Jobs über Wasser. Rocksänger Billy Joel hat vor Jahren über den Zusammenbruch der Stahlregion hier einen Song geschrieben. Es wird immer härter zu überleben, heißt es da. Frank Behum dreht das Autoradio lauter.
Er steuert seinen Truck vorbei am alten Werksgelände durch die Wohnviertel von Bethlehem. In vielen Vorgärten sind Wahlplakate aufgestellt - Pennsylvania gehört zu den so genannten Battleground States, den besonders hart umkämpften Bundesstaaten. George Bush und John Kerry liefern sich ein Kopf an Kopf Rennen und beide Parteien kämpfen bis zur letzten Minute um jede einzelne Stimme. Das große Wahlkampfthema hier heißt Jobs, Jobs, Jobs.
Ein paar Kilometer weiter, im so genannten Career Center von Allentown werden Jobsuchende beraten und fit gemacht für den krisengeschüttelten Arbeitsmarkt. Auf den Gängen warten Mütter mit Kindern und ein paar Jugendliche mit Bewerbungsmappen unter dem Arm. In einem modernen Konferenzraum im zweiten Stock hocken fünf von Frank Behums Ex-Kollegen aus der Stahlmühle. Die meisten sind im Rentenalter, aber an Ruhestand denkt keiner von ihnen. Fast alle sind auf Jobsuche. Zum Beispiel Ken Diefenderfer:
Ich habe als Elektriker gearbeitet, aber es ist verdammt schwer, wieder einen Job in der Schwerindustrie-Branche zu finden. Es gibt einfach nichts mehr, also muss ich mich anderweitig umschauen.
Das Rentnerdasein kann sich der fast 60-jährige Diefenderfer einfach noch nicht leisten. Also hangelt er sich von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob. Im Moment arbeitet er als Lastwagenfahrer. Seine Frau ist wegen eines schweren Unfalls frühpensioniert, aber sie bekommt immerhin eine Berufsunfähigkeitsrente. "Wir sind froh, dass wir unserem Sohn die Collegeausbildung bezahlen konnten", sagt er.
Joe Frankel weiß, wovon sein Kumpel spricht. Als ihm bei Bethlehem Steel gekündigt wurde, war das Jüngste seiner drei Kinder gerade 15. Die Rechnungen für Schule und Ausbildung konnte er nur dank der paar hundert Dollar Arbeitslosenhilfe und einer kleinen Erbschaft bezahlen. Auch er ist im Moment auf Jobsuche.
Ich werde demnächst 61 und natürlich fürchte ich, einem Jüngeren mit Kindern und einer Hypothek den Job wegzunehmen. Ob der Präsident da helfen kann, ich weiß es nicht. Wir stecken einfach in einer Riesenkrise.
Tom Sedor ist einer der wenigen, die trotz der Krise einen neuen Job gefunden haben. Einfach war das nicht.
Ich habe als 16-jähriger Lehrling im Stahlwerk angefangen. Aber irgendwie war mir damals schon klar, dass ich nicht bis zur Rente dort bleiben kann und will,
erzählt der blasse Mann.
Ich wollte da einfach nur weg von der Schichtarbeit, dem Dreck und den Gefahren. Mein Vater ist bei einem Unfall im Stahlwerk gestorben, vielleicht war das auch ein Grund, warum ich möglichst heil da rauskommen wollte. Ich bin froh dass ich gegangen bin.
Sedor hatte Glück, er wurde umgeschult und berät heute selbst Arbeitslose auf Jobsuche. Seiner Meinung nach gibt es sehr wohl noch Jobs in der Region um Bethlehem. Der Haken sei allerdings, dass die Löhne bis zu 50 Prozent unter dem Durchschnitts-Verdienst damals im Stahlwerk liegen. Verträge würden oft nur für ein paar Monate abgeschlossen. Dazu komme, dass insbesondere Ex Stahlwerker einfach schlechte Karten hätten bei vielen Arbeitgebern. Genau diese Erfahrung hat auch Frank Behum gemacht.
Sobald ich in Vorstellungsgesprächen erwähnt habe, dass ich von Bethlehem Steel komme, ging die Sache schief. Und wenn ich dann von meiner Arbeit in der Gewerkschaft anfing, wurde es noch schlimmer. Es war wie ein Stigma. Sobald Du einem Arbeitgeber erzählt hast, dass Du bei Bethlehem Steel gewesen bist, warst Du unten durch.
Der Grund dafür: Die Ex-Stahlkocher gelten als überbezahlt und gewerkschaftstreu - solche Arbeitnehmer will sich einfach keine Firma mehr leisten. Aber nicht nur von potenziellen Arbeitgebern in der Region, auch von Präsident Bush fühlen sich die Männer hier betrogen und im Stich gelassen. Hunderttausende Jobs sind in den vier Jahren seiner Amtszeit verloren gegangen. Einfach outgesourct in Billiglohnländer, schimpft Diefenderfer. Für ihn ist deshalb klar: George Bush muss dringend abgewählt werden.
Bush muss weg, ganz einfach. Ich werde auf jeden Fall zur Wahl gehen und meine Frau und mein Sohn auch. Und dann ist Schluss mit Bush. Er versucht die Wirtschaftsprobleme der ganzen Welt zu lösen, prima! Aber zuallererst soll er sich gefälligst um uns kümmern!
Versagen auf ganzer Linie, werfen die Männer Präsident Bush vor - Arbeitslosigkeit, steigende Krankenversicherungsbeiträge, sinkende Löhne, das Desaster im Irak - die Beschwerdeliste ist lang. Vom demokratischen Kandidaten Kerry erwartet Ken Diefenderfer zwar auch keine Wunder, aber besser als Bush sei der allemal.
Bush hat vier Jahre Zeit gehabt und hat nichts erreicht. Deshalb versuch ich's jetzt mit jemand anderem. Kerry mag vielleicht nicht der beste von allen sein, aber er ist allemal besser als der, den wir jetzt haben.
Ex-Gewerkschafter Frank Behum kann dem nur zustimmen. Er arbeitet ehrenamtlich in der örtlichen Zentrale der demokratischen Partei, verteilt Kerry-Aufkleber und Kugelschreiber und versucht potentielle Wähler zu mobilisieren. Sein Urteil über Präsident Bush:
Meiner Meinung nach ist er der größte Lügner der Weltgeschichte, gleich nach Joseph Goebbels. Dieser Mann hat noch nie die Wahrheit gesagt. Wenn der beim Lügen ertappt wird, sagt er einfach: So habe ich das nicht gemeint. Und wenn wir über Wirtschaftsprobleme reden und davon, wie dreckig es den meisten von uns hier geht, ist es glaub ich höchste Zeit, dass sich mal endlich einer um die Menschen in diesem Land kümmert.