Unser Zustand ähnelt tiefer Trunkenheit, nachdem wir nun Stunde um Stunde schunkelnd und mit musikphilosophischer Neugierde dem Kufsteiner Lied gelauscht haben - aus dem Munde vom Hinterseer Hansi, vom Lang Franzl, auch von Anni und Rosemarie, nicht zu vergessen die wohl traurig-rührendste Variation von den Tiroler Seppln selbst, die beim Lied über die Perle Tirols die schöne Inbrunst brunftiger Platzhirsche nicht missen lassen.
Unser Zustand ähnelt also tiefer Trunkenheit, aber einen zünftigen Scherz, der jedes Fest der Volksmusik erfrischen würde, bringen wir doch noch heraus und sagen: Hochkultur ist das Jodeln allemal, denn, bitte schön, wo wären in Tirol keine Berge? Denken Sie sich an dieser Stelle das blaue Strahlen von Florian Silbereisen und schon klappt es mit dem Schenkelklopfen über so viel Witz.
Dass der Münchener Richter Peter Guntz zur Offenbarung der Wahrheit - ob nämlich die Jodler zwischen den Strophen des Kufsteiner Liedes diesem erst seinen wahren Wert, das heißt, seinen Warenwert und die famosen 600.000 Euro Gema-Tantiemen jährlich verschafft haben -, dass sich Richter Guntz im Gerichtssaal tatsächlich am anspruchsvollen Oktavjodler versucht hat, den anstelle eines vulgären Kuckucksjodlers eingefügt zu haben sich der Tantiemen-Jäger Egon Frauenberger rühmt, das nötigt einem umso mehr Respekt ab, je höher im Norden man sich das vorstellt.
Richter Gunz hatte nie daran gedacht, sich jemals beruflich damit zu befassen, "ob es 'dudel-do' oder 'dudel-dö' heißt", wie er in durchaus fehlerhafter Anspielung an Loriots Jodeldiplom sagt - das gerichtsnotorische Silbenproblem war aber, genau betrachtet, weit komplexer.
Während Jodler, diese onomatopoetischen Visitenkarten glücklicher Alm-Bewohner, normalerweise mit 'Hodaro', 'Lohodraeho', 'Holladaitijo' oder ähnlich treffend verschriftlicht werden, ging es im Kufstein-Streit darum, ob die nach hinten heraus in unseren Ohren doch etwas hahnenschreihafte Buchstabenfolge "Holla-rä-di-ri, di-ri, di-ri" den von Karl Ganzer vorgesehenen Jodler an jodelphonetischem und jodelkompositorischem Genius soweit überbietet, dass Frauenberger zu Recht Anspruch auf seinen Anteil an den 600.000 Euro erhebt. "Nein", meinte Richter Guntz und begründete: Keiner der Interpreten jodele so, "wie es dasteht".
Wir zollen seinem Sachverstand Beifall, ist doch der Jodler ein anarchisch Ding unter den Pretiosen der Notation und bedeutet für die Alpenwelt, was die freie Improvisation im Jazz dem Rest der Welt bedeutet: das Hervortreten reiner Freiheit in der Musik.
Ja, ja:
"So mancher wünscht sich,
's möchte immer so sein
Bei einem Mäderl
Und an Gläserl Wein."
Aber, auch davon weiß das Kufsteiner Lied:
"Ist der Urlaub
Dann wieder aus.
Da nimmt man Abschied
Und fährt nach Haus."
"Das muss man sich mal vorstellen, liebes Publikum", würde Florian Silbereisen an dieser Stelle wohl sagen: "Da ist der schrecklich Krieg gerade zwei Jahre um, Europa liegt in Schutt und Asche, keiner kann an einen schönen Urlaub mit seinen Lieben denken, und der Postbote Karl Ganzer sieht schon unseren herrlichen Alpentourismus ganz genau voraus - im Jahr 1947."
Und jetzt mal im Ernst: Wenn wir uns diesen Hintergrund vergegenwärtigen, dann erhebt sich der Jodler einem Ton-Adler gleich über die Niederungen der TV-Bespaßung mit Musi und steigt auf bis zur Höhe eines heraldischen Trompetenstoßes und kontinentalen Fanals. Kein anderer als Joseph Ratzinger, nachmals Papst Benedikt der XVI., hat vermutet, dass der Theologe Augustinus von Hippo das Jodeln meinte, als er vom wortlosen Jubeln, Schreien und Singen schrieb, vom - jetzt wörtlich Augustinus - "wortlosen Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht".
In genau diesem Sinne.
Unser Zustand ähnelt also tiefer Trunkenheit, aber einen zünftigen Scherz, der jedes Fest der Volksmusik erfrischen würde, bringen wir doch noch heraus und sagen: Hochkultur ist das Jodeln allemal, denn, bitte schön, wo wären in Tirol keine Berge? Denken Sie sich an dieser Stelle das blaue Strahlen von Florian Silbereisen und schon klappt es mit dem Schenkelklopfen über so viel Witz.
Dass der Münchener Richter Peter Guntz zur Offenbarung der Wahrheit - ob nämlich die Jodler zwischen den Strophen des Kufsteiner Liedes diesem erst seinen wahren Wert, das heißt, seinen Warenwert und die famosen 600.000 Euro Gema-Tantiemen jährlich verschafft haben -, dass sich Richter Guntz im Gerichtssaal tatsächlich am anspruchsvollen Oktavjodler versucht hat, den anstelle eines vulgären Kuckucksjodlers eingefügt zu haben sich der Tantiemen-Jäger Egon Frauenberger rühmt, das nötigt einem umso mehr Respekt ab, je höher im Norden man sich das vorstellt.
Richter Gunz hatte nie daran gedacht, sich jemals beruflich damit zu befassen, "ob es 'dudel-do' oder 'dudel-dö' heißt", wie er in durchaus fehlerhafter Anspielung an Loriots Jodeldiplom sagt - das gerichtsnotorische Silbenproblem war aber, genau betrachtet, weit komplexer.
Während Jodler, diese onomatopoetischen Visitenkarten glücklicher Alm-Bewohner, normalerweise mit 'Hodaro', 'Lohodraeho', 'Holladaitijo' oder ähnlich treffend verschriftlicht werden, ging es im Kufstein-Streit darum, ob die nach hinten heraus in unseren Ohren doch etwas hahnenschreihafte Buchstabenfolge "Holla-rä-di-ri, di-ri, di-ri" den von Karl Ganzer vorgesehenen Jodler an jodelphonetischem und jodelkompositorischem Genius soweit überbietet, dass Frauenberger zu Recht Anspruch auf seinen Anteil an den 600.000 Euro erhebt. "Nein", meinte Richter Guntz und begründete: Keiner der Interpreten jodele so, "wie es dasteht".
Wir zollen seinem Sachverstand Beifall, ist doch der Jodler ein anarchisch Ding unter den Pretiosen der Notation und bedeutet für die Alpenwelt, was die freie Improvisation im Jazz dem Rest der Welt bedeutet: das Hervortreten reiner Freiheit in der Musik.
Ja, ja:
"So mancher wünscht sich,
's möchte immer so sein
Bei einem Mäderl
Und an Gläserl Wein."
Aber, auch davon weiß das Kufsteiner Lied:
"Ist der Urlaub
Dann wieder aus.
Da nimmt man Abschied
Und fährt nach Haus."
"Das muss man sich mal vorstellen, liebes Publikum", würde Florian Silbereisen an dieser Stelle wohl sagen: "Da ist der schrecklich Krieg gerade zwei Jahre um, Europa liegt in Schutt und Asche, keiner kann an einen schönen Urlaub mit seinen Lieben denken, und der Postbote Karl Ganzer sieht schon unseren herrlichen Alpentourismus ganz genau voraus - im Jahr 1947."
Und jetzt mal im Ernst: Wenn wir uns diesen Hintergrund vergegenwärtigen, dann erhebt sich der Jodler einem Ton-Adler gleich über die Niederungen der TV-Bespaßung mit Musi und steigt auf bis zur Höhe eines heraldischen Trompetenstoßes und kontinentalen Fanals. Kein anderer als Joseph Ratzinger, nachmals Papst Benedikt der XVI., hat vermutet, dass der Theologe Augustinus von Hippo das Jodeln meinte, als er vom wortlosen Jubeln, Schreien und Singen schrieb, vom - jetzt wörtlich Augustinus - "wortlosen Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht".
In genau diesem Sinne.