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Joghurtbecher unter der Motorhaube

Die Idee, aus Abfall Energie zu gewinnen ist nicht neu. Nach diesem Prinzip funktio-nieren Müllverbrennungsanlagen, die Wärme erzeugen. Zwei niedersächsische In-genieure gehen einen anderen Weg. In einem eigens konstruierten Reaktor wandeln sie Plastikabfälle in Gas um - mit dem man zum Beispiel ein Auto antreiben kann.

Von Christoph Kersting |
    Michael J. Fox hat es vorgemacht im Filmklassiker "Zurück in die Zukunft": Ein Auto, das Müll tankt, dank "Fluxkompensator".

    So klingt es, wenn aus einer verrückten Vision Wirklichkeit wird. Man sieht es, hört es oder riecht es zwar nicht sofort, aber der rote VW Lupo, der auf einem Hinterhof im niedersächsischen Lohne steht, hat tatsächlich so eine Art Flux-kompensator unter der Motorhaube. Genauer: einen Minireaktor, der aus Abfall Gas produziert und den Kleinwagen antreibt, sagt sein Besitzer Peter Eckhoff, der hauptberuflich übrigens Windräder konstruiert:

    "Also, wir können im Endeffekt alles reintun in den Reaktor, was Kohlenstoff ent-hält. Natürlich haben wir bei Öl und bei Kunststoff eine höhere Ausbeute, als wenn wir Laub und Gras reintun, das ist klar, also man muss dann sagen: Wie viel Energie brauche ich, und danach muss ich den Input auswählen."

    Der metallene Kohlenstoffreaktor hat in etwa Form und Größe zweier Liter-flaschen und lässt sich durch einen Schraubverschluss öffnen, um die Re-aktorkartusche mit Plastikmüll zu befüllen. Der Kunststoff wird dann durch die Hitze des Benzinmotors auf bis zu 600 Grad erhitzt, wodurch die Plastik-moleküle zerlegt werden und ein Gas entsteht, das dem Motor als zusätzliche Energie zugeführt wird. Physiker Jean-Marie Stankovic-Gansen, der das Modul gebaut hat, vergleicht seine Anlage mit der Hybridtechnik – nur dass hier statt Strom Gas verarbeitet wird. Auch mit der Energieausbeute ist der Erfinder zu-frieden:

    "Wir haben Tests gemacht: Bei 100 Gramm Kunststoff können Sie bis zu 100 Kilo-meter fahren und haben eine Ersparnis zwischen 15 und 25 Prozent an Sprit."

    Außerdem beschleunige der Lupo merklich schneller, seitdem er zusätzlich mit Plastik im Tank fahre. Anders als Erdgas- oder Autogasanlagen lässt sich der Kohlenstoffreaktor sogar mit Dieselmotoren kombinieren.

    Dass Kunststoff grundsätzlich als Brennstoff taugt, bestätigt auch Henning Al-bers. Der Umwelttechniker von der Hochschule Bremen weist jedoch darauf hin, dass Kunststoff nicht gleich Kunststoff ist:

    "Das ist ja im Wesentlichen erstmal eine Matrix aus Kohlenstoff und Wasserstoff, die liefern ja auch den Energiegehalt, und es kommt natürlich auch noch auf die Be-gleitstoffe an, und damit stellt sich ja dann auch die Frage: Haben wir Schadstoffe, die da zu berücksichtigen sind, oder haben wir da keine Probleme mit Schad-stoffen."

    PVC etwa enthält Chlor, das aus den Rauchgasen von Müllverbrennungs-anlagen aufwendig heraus gefiltert werden muss. Laut Peter Eckhoff kein Prob-lem mit dem Kohlenstoffreaktor, weil der Müll hier nicht thermisch verwertet, also nicht verbrannt wird:

    "Also wenn wir das Auto mit Reaktor betreiben, haben wir bessere Ausgangswerte am Auspuff als wenn wir es ohne betreiben. Das heißt, dieses Gas ist sauber. Und wir haben ja auch die Reststoffe untersuchen lassen, und die Reststoffe haben Dün-gecharakter, das heißt wir könnten das ohne Probleme aufs Land ausbringen und als Dünger wieder gebrauchen."

    Doch der Kleinwagen, der Plastikmüll tankt, ist für die beiden Tüftler eher ein Schmankerl. Ihnen schwebt ein industrieller Einsatz ihrer Technik vor. Eine entsprechende Pilotanlage haben sie bereits im Nachbarort gebaut: einen Koh-lenstoffreaktor, der Plastikmüll und organischen Abfall im großen Stil schluckt. Auch der Patentantrag läuft, jetzt suchen die beiden noch einen Industrie-partner, um ihre Technik auf den Markt zu bringen. Erstes Interesse zeigte jetzt eine große Reederei aus Bremen.