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Johann Sebastian Bach - 'Jesu, meine Freude'

Am Mikrophon begrüßt Sie Norbert Hornig. Unter dem Stichwort "Alte Musik", verehrte Hörerinnen und Hörer, möchte ich Ihnen zum heutigen Gedenktag eine Neuaufnahme mit Musik von Johann Sebastian Bach vorstellen. * Musikbeispiel: J.S.Bach, Trauer-Ode BWV 198 - Laß, Fürstin, laß noch einen Strahl Groß war die Trauer in Sachsen, als im Jahre 1727 Kurfürstin Christiane Eberhardine starb. Denn Christiane war beliebt, ihr Kunstsinn und ihre Großzügigkeit wußten die Sachsen sehr zu schätzen. Aber auch ihre Standhaftigkeit und Konsequenz, mit der sie am protestantischen Glauben festhielt, als ihr Mann August der Starke um des polnischen Königsthrones wegen zum Katholizismus übertrat. So war es für die protestantischen Leipziger Bürger eine Ehrensache, ihre Fürstin gebührend und in würdigem Rahmen zu betrauern. Hans Carl von Kirchbach, ein junger Adeliger und Gelehrter, organisierte den festlichen Gedenkgottesdienst in der Leipziger Universitätskirche. Dazu bestellte er bei Johann Christoph Gottsched eine Gedenkode und beauftragte Johann Sebastian Bach mit deren Vertonung. Die Ode erzählt aus dem tugendhaften Leben der Königin und beklagt den großen Verlust, den ihr Tod bedeutete. Von der Form her erinnert die Trauer-Ode an Bachs Kirchenkantaten und am Schluß fühlt sich der Hörer in die Stimmung der Bach-Passionen versetzt. Die Palette der instrumentalen Farben ist denkbar vielfältig. Neben den üblichen Streich- und Continuo-Instrumenten verwendet Bach hier je zwei Flöten und Oboen d'amore, außerdem noch zwei Lauten und zwei Gamben - eine für seine Kantaten ungewöhnliche Instrumentierung. Im Falle der Trauer-Ode für Kurfürstin Eberhardine ist die Besetzung mit Gamben und Lauten als klangliche Anspielung auf die Musizierpraxis zu verstehen, wie sie damals an Höfen und in aristokratischen Kreisen üblich war. Andrew Parrott und das englische Barockensemble Taverner Consort & Players haben das klangprächtige Werk jetzt in einer Neueinspielung bei Sony Classical vorgelegt. * Musikbeispiel: J.S.Bach, Trauer-Ode BWV 198 - "Doch, Königin, du stirbst nicht" "Doch Königin, du stirbst nicht" aus der Trauer-Ode "Laß Fürstin, laß noch einen Strahl" BWV 198, die Johann Sebastian Bach 1727 zum Tode von Christiane Eberhardine, der Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, komponierte.

Norbert Hornig |
    Sie hörten das Ensemble Taverner Consort & Players unter Leitung von Andrew Parrott. Auch in seiner neuesten Aufnahme liebt es Andrew Parrott, Traditionen in Frage zu stellen und die gängige Aufführungspraxis bei Bach zu hinterfragen. Der Auffassung des amerikanischen Musikwissenschaftlers und Dirigenten Joshua Rifkin folgend, ist Andrew Parrott zu der Überzeugung gelangt, daß Bach bei der Aufführung seiner Chorwerke die Chorstimmen in den meisten Fällen solistisch besetzte, wobei die Solisten - damals "Concertisten" genannt - auch die Arien und Duette sangen. Zum ersten Mal greift Andrew Parrott in einer Aufnahme der Trauer-Ode auf diese Praxis zurück.

    Zusammen mit der Trauer-Ode für Christiane Eberhardine haben Andrew Parrott und das Ensemble Taverner Consort & Players zwei Motetten aufgenommen, die Bach ebenfalls für Trauergottesdienste komponierte. Auch hier hat Parrott die Chöre erstmals solistisch besetzt und gelegentlich von Instrumentalisten - sogenannten "Ripientisten" - verstärkt. In der Motette "Komm, Jesu, komm" BWV 229 wird der erste Chor von Streichern, der zweite von Bläsern unterstützt. * Musikbeispiel: J.S.Bach, "Komm, Jesu, komm", BWV 229 "Komm, Jesu, komm", Motette zu 8 Stimmen BWV 229 ausgeführt vom Taverner Consort & Players unter Leitung von Andrew Parrott.

    Parrott und seinem Ensemble ist eine ungemein klangschöne Einspielung gelungen, in der die vokalen und instrumentalen Farben facettenreich zur Geltung kommen. Die Tempi erscheinen gemäßigt - dennoch geht der Spannungsbogen nie verloren. Parrott gibt der Musik Zeit, sich zu entfalten. Er kann sich dabei auf eine exellente Instrumentalisten- und Sängerbesetzung verlassen. So hat Andrew Manze - zur Zeit der Star unter den Barockgeigern - sich wie einige andere Musiker der englischen Alte Musik Szene, für diese Bachaufnahme den Taverner Players angeschlossen. Sein markantes gestalterisches Profil prägt die Streichergruppe maßgeblich.

    Die solistische Besetzung der Chöre hat hier eine ungewöhnliche Transparenz und Beweglichkeit der Stimmführung zur Folge, auch wird eine größere Textverständlichkeit erreicht. Mit der Verschlankung des Gesamtklanges orientiert sich Parrott eher am Vorbild der Renaissance. Einer romantisierenden, von Pathos aufgebauschten Bachauffassung geht er ganz bewußt aus dem Wege.

    Hören Sie als letztes Klangbeispiel einen Ausschnitt aus der Motette "Jesu, meine Freude" BWV 227. Fünf Verse aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer und ein Lied von Johann Franck von 1650 bilden die Textgrundlage der Motette. In dieser Aufnahme erhalten die Concertisten in einzelnen Sätzen Verstärkung durch Vokalripientisten. Im Zentrum des Werkes steht eine ausgedehnte Fuge, in der die Ripientisten gezielt zur Verdeutlichung des Stimmverlaufes eingesetzt werden. * Musikbeispiel: J.S.Bach, Jesu, meine Freude BWV 227 - "Ihr aber seid nicht fleischlich" Die Neue Platte. In unsere heutigen Sendung stellten wir eine Neuaufnahme mit Trauermusik von Johann Sebastian Bach vor, die unter dem Titel "Jesu, meine Freude" bei Sony Classical erschienen ist. Zuletzt hörten Sie das englische Barockensemble Taverner Consort & Players unter Leitung von Andrew Parrott mit der Fuge "Ihr aber seid nicht fleischlich" aus der Motette zu 5 Stimmen: "Jesu, meine Freude" BWV 227.

    Am Mikrophon verabschiedet sich Norbert Hornig