Johannes Mattheson: Der brauchbare Virtuose - ''12 Sonate per violino overo Traverso solo col continuo''
Wir stellen Ihnen heute die Sammlung von ''12 Sonaten für Violine oder Traversflöte Solo und Continuo - Der brauchbare Virtuoso'' von Johannes Mattheson vor, eine beim französischen Label Alpha erschienene Neueinspielung mit Diana Baroni - Traversflöte, Pablo Valetti - Violine, Petr Skalka - Violoncello und Dirk Börner - Cembalo. * Musikbeispiel: J. Mattheson: Sonate I, 1. Intrada Dies war die Intrada, der einleitende Satz der ersten der 12 Sonaten von Johannes Mattheson. ''Der Affect, den sie erwecken soll, ist ein Verlangen nach mehrem: weil sie gemeiniglich als einer Einleitung viel Gutes von dem folgenden Wercke verspricht. Ob es allemahl gehalten wird, stehtet dahin'', so der Komponist in seiner Abhandlung ''Der vollkommene Kapellmeister'' über die ''Intrada''. Jede der 12 Sonaten von Matthesons Sammlung ''Der brauchbare Virtuoso'' ist konzipiert für ''Violino, overo Traverso solo, col continuo'', für Violine oder Traversflöte, aber es sind auch andere Instrumentierungen denkbar. Die Flötistin Diana Baroni und der Geiger Pablo Valetti haben hier, ''um den fanfarenartigen Charakter der I. Sonate zu unterstreichen, die Solo-Stimme zuweilen doppelt besetzt, um einen Tutti/Solo-Effekt herzustellen. Schon in dieser I. Sonate sollten sämtliche Möglichkeiten der Instrumentierung ausgenützt werden, um gleichsam einen Vorgeschmack auf alle möglichen Klangfarben zu geben. * Musikbeispiel: J. Mattheson - Sonate I, 6. Aria ''Der Brauchbare Virtuoso, welcher sich (nach beliebiger Überlesung der Vorrede) mit 12 neuen Kammersonaten auf der Flute Traversière, der Violine und dem Claviere bei Gelegenheit hören lassen mag: als wozu ihm hiermit völlige Erlaubnis gibt; Johannes Mattheson'' - so lautet der vollständige Titel von Matthesons Sonaten-Sammlung. Die Vorrede, auf die er sich hier bezieht, umfasst insgesamt 14 Seiten und in ihr wird auf recht deutliche und polemische Weise dargestellt, was einen Künstler der damaligen Zeit ausmachen sollte und vor allem auch, welcher Laster er sich enthalten müsse: ''Fressen, Sauffen, Unverschämtheit, Tobackgestank, Unhöflichkeit, Unreinlichkeit, Gottlosigkeit, Schweren, Fluchen, Verläumden, Schelten, garstige Reden und Thaten, Falschheit, Vergeudung, Faulheit und Müßiggang''. Mattheson wird schon einen Grund gehabt haben, solcherlei Untugenden aufzuführen. Aber er geht allgemein mit seinen Kollegen ins Gericht und so verurteilt er auch diejenigen, die zu sehr das Altertum und seine Musik lieben, für ihn war immer nur das Allerneueste reizvoll. So war er auch ärgerlich darüber, dass seine 1717 fertiggestellten Sonaten erst 1720 erschienen, zu dieser Zeit hätte er doch schon wieder anders, etwas ''galanter'' komponiert. Dies zeigt auch, wie Mattheson immer darauf bedacht war, dem jeweiligen Zeitgeschmack gerecht zu werden. Und wie er in seiner Schrift ''Grundlage einer Ehrenpforte'' sozusagen eine ''Hitliste'' der ''tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Tonkünstler'' usw. anfertigte, so wird auch bestimmten ''Kollegen'' in seinem brauchbaren Virtuosen die Referenz erwiesen, wie zum Beispiel Corelli, Muffat oder wie hier in der Allemande der V. Sonate, Buxtehude. * Musikbeispiel: J. Mattheson - Sonate V, 23. Allemande Johannes Mattheson war einer der einflussreichsten Theoretiker seiner Zeit und hat in mehr als einem Dutzend Büchern die wichtigsten Fragen der Kompositionslehre, der Musiktheorie, der Aufführungspraxis und der ästhetischen Beurteilung von Musik erörtert, wobei die Lehre von der Melodie als dem Primat einer vollkommen eingerichteten Komposition im Mittelpunkt stand. Beeinflusst von der Aufklärung beschrieb er den damaligen Zustand der Musik und des Musiklebens und noch heute kommt kein Interpret, der sich mit der Musik des 18.Jahrhunderts auseinandersetzt, an dem Studium seiner Schriften vorbei. Doch Mattheson war nicht nur Musiktheoretiker sondern insgesamt eine komplexe Persönlichkeit, so wirkte er auch als Komponist, Organist, Cembalist, Sänger, Kapellmeister, Übersetzer, Diplomat, Jurist, Architekt, sowie Handels- und Finanzexperte. Matthesons Kompositionswerk ist überaus umfangreich und enthält zahlreiche Opern, Oratorien und Passionsmusiken, Kantaten, Kammermusik sowie Solo-Literatur für Orgel und Cembalo. Das meiste seines Oeuvres wurde bei der Bombardierung Hamburgs im 2. Weltkrieg zerstört, aber vielleicht hat sich noch etwas erhalten können, wurden doch einige Bestände der Hamburger Bibliothek noch rechtzeitig ausgelagert. Seine Sammlung ''Der brauchbare Virtuose'' hat Mattheson den Brüdern Dobbeler gewidmet. Der Cembalist Johann-Henrico Dobbeler hatte bei Mattheson Generalbass-Unterricht und Diederico spielte als Flötist unter seiner Leitung . Somit liegt eine Besetzung für Flöte und Cembalo nahe, wie sie auch von Toke Lund Christiansen und Jesper Bøje Christensen in ihrer Referenz-Aufnahme von 1990 vorgenommen wurde. Doch der Titel ''Für Violine oder Flöte und continuo'' lässt auch andere Instrumentierungen offen. Die Musiker dieser Einspielung sind mit ihrer Interpretation teilweise freizügig umgangen, haben von eigenen Vorspielen und freien Überleitungen ''hier und da Gebrauch gemacht'', und, wie im Falle der Sarabande der XII. Sonate, auch schon mal eine obligate Violinstimme hinzugefügt. Was die Verzierungen und die Aussetzung des Generalbasses anbelangt, der in diesem ''Kammerstil'' besonders ''manierlich'' sein soll, da hat Mattheson in seinen Schriften wie zum Beispiel der ''Großen Generalbaßschule'' oder dem ''Vollkommenen Kapellmeister'' genügend Vorgaben und Anregungen für eine lebendige Interpretation gegeben. ''Die größte Schwierigkeit, eines anderen Arbeit aufzuführen'', so Mattheson, ''besteht wohl darin, dass eine scharffe Urteilskraft dazu erfordert werde, fremder Gedancken Sinn und Meinung recht zu treffen. Denn wer nie erfahren hat, wie es der Verfasser selber gerne haben möge, wird es schwerlich gut heraus bringen, sondern dem Dinge, die wahre Kraft und Anmuth offt dergestalt benehmen, dass der Autor, wenn ers selber mit anhören sollte, sein eigenes Werck kaum kennen dürfte''. Ob die Musiker dabei dennoch den Tenor der Musik Matthesons getroffen haben, vermag jeder Hörer für sich entscheiden. Meiner Meinung nach entstand hier eine beispielhafte Aufnahme, in der sich nicht sklavisch an die historischen Maßgaben gehalten wurde, aber man dennoch der Musik, die voll von Andeutungen, Zitaten und auch hintergründigem Humor ist, mit großer Stilsicherheit und virtuoser Lebendigkeit gerecht wurde. * Musikbeispiel: J. Mattheson - Sonate XII, 22. Alla Corelli/23. Corrente DIE NEUE PLATTE im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die Sammlung von ''12 Sonaten für Violine oder Traversflöte Solo und Continuo'' - ''Der brauchbare Virtuoso'' von Johannes Mattheson vor, eine beim noblen französischen Label Alpha erschienene Neueinspielung mit Diana Baroni - Traversflöte, Pablo Valetti - Violine, Petr Skalka - Violoncello und Dirk Börner - Cembalo.