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Johannes Schenck - "Les Fantaisies bisarres de la Goutte"

Der österreichische Gambist Lorenz Duftschmid hätte in früheren Zeiten Revolution gemacht. Auf seiner neuen cpo-CD spielt er allerdings auch wieder seine Stainer-Gambe, die den Ehrentitel "Kanone" verdient hätte wie die legendäre Guarneri del Gesú von Paganini. Er hat sich eines holländischen Gambisten in Düsseldorfer Diensten angenommen, des weiland Johannes Schenck, der aus Amsterdam stammte und 1712 im Alter von 56 Jahren verblich. Viel weiß man nicht über sein Leben. Er scheint indes eine schillernde Figur gewesen zu sein und ein Zerrissener mit Neigungen zum philosophischen Hintersinn. Duftschmid hat seiner CD einen Schenck'schen Titel gegeben: "Les Fantaisies bisarres de la Goutte - die bizarren Fantasien des Wassertropfens", und er versammelt darunter eine g-moll-Suite für zwei Gamben aus der Sammlung "Die Rhein-Nymphen", ein Solo a-moll, eine Chaconne aus den Scherzi Musicali, eine Solo-Partita d-moll und eine D-dur-Sonate aus dem "Donau-Echo - L'Echo du Danube" von 1706. Mit dabei sind die Gambistin Sophie Watillon, der Theorbenspieler und Gitarrist Rolf Lislevand und der Cembalist Wolfgang Zerer, der sich für den einen oder anderen Satz auch ans Orgelpositiv begibt. Zutage tritt, dass der wackere Schenck auf eine sehr eigenwillige Weise gegen den Schatten des großen Pariser Gambisten Marin Marais ankämpft und dabei die Raschheit des Einfalls und der flüchtigen Permutationen, wie sie für die Melodie- oder besser Gedankenbildung der französischen Gambenmusik charakteristisch sind, mit der Kunst des Kontrapunkts verbindet. Schenck schrieb eine äußerst reflektierte Musik, die bisweilen beinahe schon krude wirkt. Leicht hat er es weder sich noch seinen Zuhörern gemacht. Um dem allem inneren Zusammenhalt zu geben, bedarf es außerordentlicher interpretatorischer Energie. Duftschmid verfügt auf eine sehr imponierende Weise über dieses integrative Potential. Die Werke zerfallen nicht, sondern gewinnen den ganzen Aspektreichtum der musikalischen Rede. Es entstehen tatsächlich innere Dialoge; der Sprachcharakter dieser Kompositionen tritt unmittelbar zutage, was freilich nur möglich ist, wenn einer so virtuos mit dem Bogen umgehen kann wie Lorenz Duftschmid. Als Beispiel sei hier zunächst die Allemande aus der Solopartita d-moll angeführt: * Musikbeispiel: Johannes Schenck - Allemande aus: Partita d-moll für Viola da Gamba solo Soweit Lorenz Duftschmid mit der Allemande aus der Solopartita d-moll für Gambe von Johannes Schenck. Das repetitive Moment der Chaconne gewinnt bei Schenck und seinen Interpreten schon fatalistische Züge. Das Genre wird umgedeutet. Nicht mehr die Steigerung des Tänzerischen steht im Vordergrund, sondern der Ernst eines unabänderlichen, sich verdichtenden Prozesses. Eine dunkle Pracht geht von diesem Stück aus. * Musikbeispiel: Johannes Schenck - aus: Chaconne G-dur Lorenz Duftschmid und Ensemble mit einem Ausschnitt aus der Chaconne des holländischen Gambisten Johannes Schenk. Die CD ist, wie gesagt, bei cpo erschienen unter dem Titel "Les Fantaisies bisarres de la Goutte".

Norbert Ely |