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Johanniskraut und Meditieren

Herzrasen, feuchte Hände, Kloß im Hals - diese Symptome kennt wohl jeder, der schon mal in eine Prüfung gegangen ist. Lampenfieber mobilisiert zwar Energiereserven und setzt Adrenalin frei, aber ein Übermaß an Prüfungsangst lähmt oder führt sogar zum Blackout.

Von Katinka Schmitt |
    Studierende, die unter Prüfungsangst leiden, entwickeln oft schon Wochen vor der eigentlichen Prüfung verschiedene Symptome: Magenbeschwerden, Atemnot, Übelkeit, Schwindelgefühle oder aber Schlafstörungen, wie diese Studentin, die kurz vor ihrer Magisterprüfung an der FU Berlin steht:

    "Das äußert sich so, dass ich nicht mehr wirklich schlafen kann und dadurch total den richtigen Bezug zu den Prüfungen auch verliere. Das kommt mir dann alles so irreal vor und dann hab ich auch überhaupt keine Kraft mehr, also keine Energie, die ich irgendwie ins Lernen reinstecken kann."

    Die anstehende Prüfung wird von ihr als Gefahr empfunden und versetzt ihren Körper folgerichtig in Alarmbereitschaft. Dieses Reflexverhalten stammt noch aus einer Zeit, in der wir Menschen beispielsweise vor wilden Tieren fliehen mussten. Damals war dieser Reflex überlebensnotwendig. Im Fall der Studentin aber ist die Gefahr abstrakt: Weglaufen gilt nicht. Und genau das ist das Problem, erklärt Cora Stefanie Weber, Oberärztin der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie an der Charité Berlin,

    "... dass wir nicht mehr wie früher diesem Stressimpuls oder diesem Alarmimpuls nachgeben können, sondern dass wir tatsächlich ja gebremst sind und blockiert sind in unserer Handlung, diese ganzen körperlichen Vorgänge auflaufen, anlaufen, ablaufen, aber nicht ausagiert werden können und dadurch können zum Beispiel diese Stresshormone nicht abgebaut werden."

    Deshalb rät die Ärztin den Studierenden, viel Sport zu treiben und so den Stress wegzulaufen und Stresshormone abzubauen.

    Hilfreich ist es auch, die Prüfungssituation im Vorfeld zu simulieren und Strategien zu entwickeln, wie man in schwierigen Situationen angemessen reagieren kann. Dagmar Krawzcik, Therapeutin in Berlin, hält diese Methoden ebenfalls für probate Mittel, hat aber noch einen anderen Vorschlag, der leicht umzusetzen ist:

    "Für Leistungsabrufen und überhaupt für kreative Leistung, ist es wichtig, dass ja rechte und linke Hirnhälfte zusammenarbeiten. Also beim Lernen überhaupt und natürlich auch in der Prüfung. Und man kann auch bestimmte einfache Übungen machen quasi, um diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Hirn wieder herzustellen."

    Alle Überkreuzbewegungen aktivieren gleichzeitig linke und rechte Hirnhälfte und unterstützen dadurch ihre Zusammenarbeit. Schon das Zähneputzen mit der ungewohnten Hand oder das Stehen mit überkreuzten Beinen üben sich stimulierend aus, so Frau Krawczik. Solche Dinge sind schnell erlernbar und haben einen gewissen Effekt, lösen aber nicht das eigentliche Problem. Prüfungsangst hat meist eine tiefere Ursache und sollte deshalb nicht unterschätzt werden, so Cora Weber von der Charité:

    "Plädieren möchte ich nur dafür, dass wenn sich diese Prüfungsangst wiederholt oder eben so ernsthaft auftritt, dass sie sich entweder bis hin zu Panikattacken steigert oder man sogar diese Prüfung vermeidet, dass dann unbedingt wirklich einen Facharzt für Psychosomatik oder einen Hausarzt, Psychotherapeuten aufgesucht werden sollte."

    Der Studentin bleiben noch sechs Wochen bis zu ihrer ersten Prüfung. Zur Zeit helfen ihr Schlaftabletten, ein wenig mehr zu schlafen, aber sie weiß um deren Suchtpotential.

    "Ich möchte das schon selber in den Griff bekommen und das mit den Tabletten, das ist jetzt so eine ganz kurzfristige Sache und halt wirklich nur jetzt wegen dieser Prüfungen, weil die sind sauwichtig, aber da muss ich schon kucken, dass ich das selber schaffe und das Ganze irgendwie in den Griff kriege und bewältige hoff ich mal, aber wie ...?"

    Zum Beispiel durch eine energetische Therapie, wie sie Frau Krawczik empfiehlt oder die Entspannungsverfahren der Charité, im Rahmen derer der Patient lernt, durch autogenes Training, progressive Muskelentspannung und Atemübungen aus eigener Kraft Blutdruck, Atemfrequenz und Puls zu regulieren. So stellt sich ein angenehmer emotionaler Zustand ein und die Gedanken können wieder fließen.