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John Ford bei der Viennale
Film-Epiker des amerikanischen Traums

Von Josef Schnelle | 04.11.2014
    Als man Orson Welles einmal gefragt hat, welcher Filmemacher ihn beeinflusst habe, da hat er geantwortet: Die alten Meister: John Ford, John Ford, John Ford. Der hat selber von sich gesagt, er mache nur Western. Das stimmt nur zur Hälfte. In 60 Jahren seines Filmschaffens hat er rund 140 Filme gedreht und eigentlich alles erfunden, was den modernen Film geprägt hat: die Perspektive, die Farben, die Figuren. Er ist der Chronist der Entstehung der amerikanischen Nation mit Landnahme, der großen Utopie von der grenzenlosen Demokratie und dem Scheitern der großen Versprechungen allgemeiner Menschenrechte in den Indianerkriegen im 19. Jahrhundert.
    Mehr als 50 der erhaltenen Filme waren jetzt in einer umfassenden Retrospektive im Rahmen des Filmfestivals Viennale in Wien zu sehen. Im Filmmuseum, das gerade sein 50-jähriges Bestehen feiert. Parallel dazu hat Viennale-Direktor Hans Hurch, Mitveranstalter der Retrospektive, in klassischer wienerischer Konkurrenz Peter Handke gebeten, seine Lieblingsfilme zu benennen. Ungern ließ sich der Schriftsteller dabei auf drei John-Ford-Filme beschränken. Die beiden Schauen - eine im Metrokulturhaus und eine im Filmmuseum - werden von den meisten Besuchern als Ganzes betrachtet. Und so konnte man "How Green was My Valley" gleich zwei Mal sehen. Fords Hymne auf die Wonnen der Gemeinschaft von ihrem Verfall her gesehen gilt vielen Kennern als der beste Film, den John Ford je abgeliefert hat. Wiens Festivaldirektor Hans Hurch hat ihn zusammen mit Handke angesehen.
    "Der Handke ist (aus einem Film) rausgegangen und hat gesagt: Er muss sich mit seinem Bruder versöhnen. Die waren seit vielen Jahren zerstritten. Er sagt, er werde jetzt seinen Bruder wieder suchen. Ich mein, gibt's was Schöneres als so eine Vorstellung, dass ein Film einen wieder zusammen bringt mit dem eigenen Bruder. Ich wüsste nicht, wer das sonst kann, vielleicht der Renoir, aber das ist wieder eine andere Richtung."
    "Ein großer Moralist"
    Der falschen Festlegung Fords auf seine Western mit John Wayne, die vor allem visuell natürlich großartig sind, wird in der Retrospektive mit seinen weniger bekannten Gesellschaftsporträts und Komödien entgegen gearbeitet. Festivaldirektor Hurch beschreibt die Quintessenz des Schaffens Fords so:
    "Sie ganz große Lehre von Ford ist, dass er ein großer Moralist war."
    Tatsächlich zeigt die überfällige Filmschau John Ford vor allem als großen Unbekannten und Meister der kleinen Form. Er lebte und arbeitete im Hollywood-Studiosystem mit all seinen Zwängen, trotzte ihm jedoch einige der schönsten Filme ab, die die Cinephilen der 60er-Jahre ins Schwärmen brachten. Der Autorenfilm der 70er-Jahre entwickelte sich aus der Analyse der "alten Meister" des Hollywoodmainstreams.
    "Ford ist ein Musterbeispiel dafür, wie man das künstlerische Tun vorstellen darf, als beengt, limitiert, als von allen möglichen Wünschen, Forderungen, denen gegenüber man eine Person, einen Charakter, einen Stil, durchsetzen, durchkämpfen, formen muss."
    Alexander Horwath vom Filmmuseum in Wien sieht in den John Ford-Filmen auch schon die großen Fragen unserer Zeit verhandelt.
    "Was ist "The man Who Liberty Valence erschoss" anders als ein groß angelegter Diskurs in einer Arena reifer gebildeter Menschen, die verschiedene Sicht auf das im Zivilisationsprozess befindliche Amerika des mittleren späten 19. Jahrhundert. Es ist der Austrag von ganz ganz wesentlichen Fragen, die eigentlich jede Gesellschaft treffen und durch die relative Einfachheit des Stils, durch die Klarheit kann das in den Vordergrund treten."
    In "The Searchers" dem am weitesten fortgeschrittenen Western von John Ford, in dem John Wayne unter dem Rollennamen Ethan seinen rassistischen Furor besiegen muss, ist am Ende er der einzige, der die Tür zum gemeinsamen Heim nicht betreten kann. Ruhelos reitet er in der letzten Szene davon.