Sonntag, 05. Mai 2024

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Johnnys Jihad - Uraufführung von Marc Pommerenings

Vor einem Jahr war John Walker Lindh die bestgehasste Person in der amerikanischen Presse. Jetzt ist er tragischer Protagonist in Marc Pommerenings Theaterstück Johnnys Jihad. Jihad, damit ist der Kampf gegen die Gottlosen gemeint, die nicht an den Islam glauben. Doch das knapp zweistündige Bühnenspiel ist kein Porträt des amerikanischen Talibankämpfers. Der Autor Pommerening will seinen Zuschauern nicht erklären, wie es zu dieser Tat kommen konnte. Vielmehr erzählt er die Geschichte eines Verrats: Der Protagonist bekennt sich zum Verrat und findet seinen Seelenfrieden schließlich im Bekenntnis - ein nicht unbekanntes Thema in der dramatischen Weltliteratur. Die Sprache ist rhythmische Versformen verpackt. Diese anachronistische Darstellungsform strengt an. Als Zuschauer fühlt man sich manchmal verloren, weiß nicht, welche Person gerade auf der Bühne agiert. Die Sprache fordert aber auch heraus und zieht allein durch ihren Rhythmus in den Bann. Dazu Marc Pommerening:

Von Susanne Arlt | 10.09.2004
    Durch diese Verssprache wird das sehr aktuelle Thema, das noch nicht abgeschlossen ist, wird kaltgemacht dadurch und wird damit erst glaube ich gestaltbar. Die Alternative wäre gewesen, so ein Art von Dokumentartheater, das sich aus verschiedensten Zitaten zusammensetzt, das montiert wäre, ich habe immer den Calauer es handelt sich um ein historisches Drama aus dem Jahre 2001, ich möchte das soweit wie möglich von mir weghalten, eben weil einen das ganze Thema so unmittelbar trifft.

    In Johnnys Jihad geht es um Gott, um Recht, um Gerechtigkeit - um Krieg, um Folter und um Tod. Theaterschreiber Pommerening ist zwar an einer ernsthaften Auseinandersetzung interessiert. Doch auf der Bühne will er nur mit einem gewissen Abstand auf die politischen Vorgänge blicken. Das Theaterstück Johnnys Jihad ist kein Abziehbild von den politischen Ereignissen nach dem 11. September sein. Das Stück wirkt ebenso politisch als auch parteilos. Pommerening greift auf antike europäische Theaterformen zurück und setzt historisierende Mittel wie das chorische Sprechen ein. Aus dem chorischen Text heraus schält der Regisseur die Figuren, die im Laufe des Abends immer mehr Konturen erhalten.

    Johnny Walker Lindhs Geschichte ist in dem Bühnenstück wie auch im wahren Leben eng mit der von Michael Spann verschränkt. Spann, der CIA-Agent, sieht in der Erfassung Lindhs seine Lebensaufgabe, büßt dafür aber sein Leben ein. Auf der Staatsebene gibt es die Figur des Präsidenten und seines Beraters. Eine wichtige Rolle spielt die Mutter von John Walker Lindh. Sie stellt sich auch auf der Bühne die Frage, wie ihr Sohn Taliban-Kämpfer werden konnte. Da die Schauspieler mal in der ersten, mal in der dritten Person sprechen, grenzen sie niemanden aus. Chorisches und Solistisches lösen sich voneinander ab. Die Inszenierung lebt von diesem Herausbrechen jedes Einzelnen aus dem Chor und seinem Zurückkommen in die Gemeinschaft.
    Da wird jemand zurückgebracht, gewaltsam, aus dem Land aus dem er ausgebrochen ist, zurück ins Land der Ungläubigen gewissermaßen, um eine Heimat, die er im Land seiner Geburt nicht findet, am Ende der Welt zu suchen.