Matthias Hartmann hätte nun Franz Schuberts Streichquartett in d-moll – Der Tod und das Mädchen - intonieren lassen können, doch er enthält sich als Regisseur der deutschsprachigen Erstaufführung dieser "Todesvariationen" aller Fosse-"Stimmung". Die Vorlage hat durchaus noch den Blues, doch Hartmann stellt den Plattenspieler ab, schafft eine Atmosphäre nach der Sperrstunde. In einem weißen, sich leicht nach hinten verengenden Kasten gibt es außer einem weißen Hocker, der hauptsächlich gebraucht wird, um dem Autor beim Schlussapplaus auf die Bühne zu helfen, nichts zum Festhalten für die sechs Schauspieler. Dennoch haben ihre Hände Hochkonjunktur, die aus Fleisch und Blut, ineinander verkrallt oder ins Leere greifend - und ihre Schatten. Denn der Bühnenbildner Karl-Ernst Hermann lässt eine Kamera wie einen Suchscheinwerfer beständig an der Rampe entlangfahren, sie schafft Parallelgesellschaften zu den agierenden Paaren, die wie auf einem Laufband über die Hinterwand gleiten und ihre Befindlichkeit und die Beziehungen zueinander kenntlich machen. Je nach Standort und Licht werden sie größer oder kleiner – so genial einfach hat selten einer alles illustrierende Videowerk ad absurdum geführt.
So formbewusst, beinahe geometrisch diese Studie der verpassten Gelegenheiten und immerwährenden Abschiede angelegt ist – so konsequent vermeidet die Regie den "hohen Ton". Hans-Michael Rehberg, der sich als "älterer Mann" kaum vom Fleck bewegt, höchstens mal die Hacken hebt, grummelt oder verschluckt seine Jas und Neins. "Ich kann dein Gesicht nicht mehr sehen" sagt er mehrmals zu seiner Ex-Frau und man weiß nicht, ob sie ihn an seine tote Tochter erinnert oder einfach verschwinden soll, weil die neue junge Freundin wartet. Barbara Nüsses "ältere Frau" ist ganz irdisch verzagt und verhärmt, sogar Freund Tod eher von dieser Welt. Als netter harmloser Gymnasiast erfüllt Johannes Zirner die schwarze Mission an seiner Teenager-Freundin. Cathérine Seifert geht mit großen naiven Augen und eine Spur zu kokett durchs junge Leben und dann ins Wasser. Den letzten Schritt möchte sie am Ende wieder rückgängig machen – er ist nur eine Todesvariation, denn tot sein kann man auch im Leben.