Immer diese Amis in München. Zuletzt hatte Jürgen Rose Bellinis "Norma" in eine Art "Irak von heute" versetzt, da lässt David Alden Händels "Orlando" in der gleichen Uniform antreten und seinen Liebesrivalen Medoro als Orientalen, kein Iraker aber, sondern ein schwarzer Prinz mit Krummdolch aus 1001 Nacht, nur dass Alden sich dieses GI-Camp von Paul Steinberg als grell-triste Popwelt hatte bauen lassen. Keine Haine. Nichts durfte bleiben vom Zauber schöner Landschaften, finsterer Grotten, Liebestempel, den Händel so prachtvoll beschwört. Einzige Erinnerung an einen Baum ist der Tarnanzug, in dem sich der liebeswahnsinnige Soldat Orlando seiner Angebeteten Angelica heimlich nähert, ein trauriger Stalker; was ist nur aus diesem Helden geworden, der es zum Liebesbeweis noch mit allen Ungeheuern aufnehmen wollte.
Orlando furioso, der rasende Roland, ist ein Lieblingsstoff der Barockoper. Gern bedienten sich Scarlatti, Vivaldi, Händel und Co bei Ariosts riesigem Versroman, an dem der Konflikt zwischen Amor und Gloria, des Heldentums für Liebe oder Ruhm so effektstark verhandelt werden konnte. Denn Orlando fällt, als er endlich begreifen muss, dass die schöne Prinzessin Angelica nicht ihn, sondern den schönen dunkelhäutigen Medoro liebt, in jenen Wahnsinn, der sich, als imaginierte Jenseitsfahrt, so attraktiv abgründig komponieren ließ - bei Händel subtil als finsteres Arioso mit Einschüben im "krummen" 5/8-Takt - den Zeitgenossen muss es buchstäblich "verrückt" geklungen haben.
Ivor Bolton führt das Bayerische Barock-Staatsorchester mit schlankem Furor durch derlei Kühnheiten, eine überwiegend souveräne Grenzbegehung zwischen vibratolosen Rauheiten und dem sinnlichen Kitzel schieren Wohlklangs. Seinen magischen Moment aber hatte der Abend, als er am leisesten wurde, als nach der mit Knallbumm blitzenden Raserei Orlandos (der, wo er die Liebe nicht kriegt, nur noch zerstören will), als der Held nach dem Rasen in Heilschlaf sinkt, begleitet bloß noch von zwei Viole d’amore. Hier ist David Daniels mehr bei sich und bei der Figur als in den Extremrouladen, die Händel dereinst dem Kult-Kastraten Senesino in die Gurgel geschrieben hatte.
Lange brauchte der Abend, um an diesen begnadeten Nullpunkt zu kommen, so wie Orlando einen weiten Weg gehen muss bis zu seinem hinter aller lieto-fine-Aufgeräumtheit traurigen Ende: sich selbst besiegt zu haben, aber damit auch die Liebe. So dunkel jedenfalls deutet David Alden die Pointe dieses Versuchaufbaus über Krieg- und Liebesspiele. Der Strippenzieher des Ganzen ist der Zauberer Zoroastro, ein Verwandter von Mozarts Vernunftpriester Sarastro und von der Regie ebenso kritisch gesehen, ein Mad Scientist und Dr. Seltsam im Auftrag der Militärmacht, der den angeknacksten Soldaten durch Gehirnwäsche wieder wehrfähig macht. Statt magischer Tinktur tut es bei ihm schon ein Blechnapf hot coffee. Leider bleibt Alastair Miles, bei soviel Dialektik der Aufklärung, auch vokal geheimnislos und wenig profund.
Gesanglich gehört der Abend dem exquisiten Damen-Trio, dem ausdrucksvoll geführten Mezzo von "Medoro" Beth Clayton, der Angelica von Rosemary Joshua (beweglich, farbenreich, mit leichtem Hang zum Anschleifen der Töne) und der anrührenden Olga Pasichnyk als Schäferin Dorinda. Sie singen gut und schön, wenn auch nicht engelsgleich. Aber Engel sind sie alle nicht, in Aldens melancholischem Barock-Pop haben Engel keinen Platz. Hartnäckige Buh-Brüller verhalfen diesem im Grunde wenig "aufregenden", fast etwas absehbaren Abschieds-Händel der Intendanz von Sir Peter Jonas dann noch zu einiger Umstrittenheit.
Orlando furioso, der rasende Roland, ist ein Lieblingsstoff der Barockoper. Gern bedienten sich Scarlatti, Vivaldi, Händel und Co bei Ariosts riesigem Versroman, an dem der Konflikt zwischen Amor und Gloria, des Heldentums für Liebe oder Ruhm so effektstark verhandelt werden konnte. Denn Orlando fällt, als er endlich begreifen muss, dass die schöne Prinzessin Angelica nicht ihn, sondern den schönen dunkelhäutigen Medoro liebt, in jenen Wahnsinn, der sich, als imaginierte Jenseitsfahrt, so attraktiv abgründig komponieren ließ - bei Händel subtil als finsteres Arioso mit Einschüben im "krummen" 5/8-Takt - den Zeitgenossen muss es buchstäblich "verrückt" geklungen haben.
Ivor Bolton führt das Bayerische Barock-Staatsorchester mit schlankem Furor durch derlei Kühnheiten, eine überwiegend souveräne Grenzbegehung zwischen vibratolosen Rauheiten und dem sinnlichen Kitzel schieren Wohlklangs. Seinen magischen Moment aber hatte der Abend, als er am leisesten wurde, als nach der mit Knallbumm blitzenden Raserei Orlandos (der, wo er die Liebe nicht kriegt, nur noch zerstören will), als der Held nach dem Rasen in Heilschlaf sinkt, begleitet bloß noch von zwei Viole d’amore. Hier ist David Daniels mehr bei sich und bei der Figur als in den Extremrouladen, die Händel dereinst dem Kult-Kastraten Senesino in die Gurgel geschrieben hatte.
Lange brauchte der Abend, um an diesen begnadeten Nullpunkt zu kommen, so wie Orlando einen weiten Weg gehen muss bis zu seinem hinter aller lieto-fine-Aufgeräumtheit traurigen Ende: sich selbst besiegt zu haben, aber damit auch die Liebe. So dunkel jedenfalls deutet David Alden die Pointe dieses Versuchaufbaus über Krieg- und Liebesspiele. Der Strippenzieher des Ganzen ist der Zauberer Zoroastro, ein Verwandter von Mozarts Vernunftpriester Sarastro und von der Regie ebenso kritisch gesehen, ein Mad Scientist und Dr. Seltsam im Auftrag der Militärmacht, der den angeknacksten Soldaten durch Gehirnwäsche wieder wehrfähig macht. Statt magischer Tinktur tut es bei ihm schon ein Blechnapf hot coffee. Leider bleibt Alastair Miles, bei soviel Dialektik der Aufklärung, auch vokal geheimnislos und wenig profund.
Gesanglich gehört der Abend dem exquisiten Damen-Trio, dem ausdrucksvoll geführten Mezzo von "Medoro" Beth Clayton, der Angelica von Rosemary Joshua (beweglich, farbenreich, mit leichtem Hang zum Anschleifen der Töne) und der anrührenden Olga Pasichnyk als Schäferin Dorinda. Sie singen gut und schön, wenn auch nicht engelsgleich. Aber Engel sind sie alle nicht, in Aldens melancholischem Barock-Pop haben Engel keinen Platz. Hartnäckige Buh-Brüller verhalfen diesem im Grunde wenig "aufregenden", fast etwas absehbaren Abschieds-Händel der Intendanz von Sir Peter Jonas dann noch zu einiger Umstrittenheit.