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Jordanien, die CIA und Afghanistan

Der Selbstmordanschlag auf einen Stützpunkt des US-Geheimdienstes CIA brachte nicht nur die USA, sondern auch Jordanien in Bedrängnis. Die Geheimdienste beider Länder kooperieren miteinander beim Kampf gegen El Kaida. Der Attentäter unterstand einem jordanischen Führungsoffizier.

Von Carsten Kühntopp | 16.01.2010
    Mit militärischen Ehren empfing König Abdullah II. den Leichnam von Hauptmann Ali bin Zeid am Flughafen von Amman. Die staatlich gelenkten Medien berichteten, der Hauptmann, ein entfernter Verwandter des Königs, sei gefallen, als er in Afghanistan an einer - so wörtlich - "humanitären Mission" teilnahm.

    Die Jordanier rieben sich verwundert die Augen, denn zu diesem Zeitpunkt hatten unabhängige Nachrichtensender längst berichtet, was wirklich geschehen war: Hauptmann Zeid war in Afghanistan auf einem Stützpunkt des US-Geheimdienstes CIA ums Leben gekommen, bei einem Selbstmordanschlag; sieben CIA-Agenten starben ebenfalls.

    Der Attentäter war Humam al-Balawi, ein 32 Jahre alter jordanischer Arzt. Amerikaner und Jordanier dachten, Balawi arbeite für sie, als Spion, und habe El Kaida infiltriert. Tatsächlich stand der junge Mann auf der anderen Seite; wenige Tage nach dem Attentat tauchte ein Video auf, in dem sich Balawi zu dem Anschlag bekannte:

    "Das ist ein Brief an die Feinde der islamischen Welt: den jordanischen Geheimdienst und die amerikanische CIA. Der Gotteskrieger bietet seine Religion nicht auf dem Markt der Kompromisse an und wird sie nie verkaufen - selbst dann nicht, wenn die Sonne plötzlich im Westen aufgeht."

    Für die CIA war es die schlimmste Panne seit Jahrzehnten, für die Jordanier hochnotpeinlich, denn sie hatten geglaubt, Balawi erfolgreich gedreht zu haben; Hauptmann Zeid war offenbar sein Führungsoffizier.

    Der jordanische Geheimdienst ist berüchtigt für seine Verhörmethoden. Er leistet hervorragende Arbeit für das Königshaus und kooperiert auch mit verschiedenen Geheimdiensten im Westen. Für die CIA dürften die Jordanier eine ganz besonders wichtige Rolle spielen. Das Königshaus verfolgt einen entschieden pro-westlichen Kurs und sieht sich als Teil einer Achse sogenannter "gemäßigter" arabischer Staaten. Worum es bei der Zusammenarbeit mit der CIA geht, deutete Ali Shukri, langjähriger Berater des Königs, in der BBC an, in einem seltenen Interview zu diesem Thema, wenige Tage nach dem Afghanistananschlag:

    "Die Hilfe beruht auf Gegenseitigkeit. Wir behaupten nicht, so viel zu wissen, wie die Vereinigten Staaten; aber in dieser Region hier sind wir seit bald 40 Jahren mit Anti-Terror-Operationen beschäftigt."

    Die Kooperation zwischen dem US-Geheimdienst und dem jordanischen Königshaus begann in den 50er-Jahren. Von 1957 an zahlte die CIA dem damaligen König Hussein mehrere Millionen US-Dollar jährlich, in bar - zusätzlich zur offiziellen Finanzhilfe auf Regierungsebene, die kurz danach begann. Niemals wurde das Geld dem Monarchen direkt in die Hand gedrückt; stattdessen ließ der jeweilige Ammaner Stationschef des US-Geheimdienstes nach jedem Besuch bei Hussein einfach einen gefüllten Umschlag auf dem Schreibtisch liegen. Eingestellt wurde diese Praxis erst zwanzig Jahre später, als sie bekannt wurde.

    Die ausländische Unterstützung war Fluch und Segen zugleich für Hussein. Ohne sie hätte die Monarchie in Jordanien damals kaum überlebt. Doch die meisten Menschen in der arabischen Welt sahen das Königshaus in Amman schlicht als eine Kreation des westlichen Imperialismus, künstlich am Leben erhalten von ihrem Schutzherrn in Washington. Damals war es nicht Hussein, der die Menschen begeisterte, sondern es war Gamal Abdel Nasser, der ägyptische Präsident, mit seinen pan-arabischen, sozialistischen
    Ideen.

    Rund eine Woche nach dem Afghanistananschlag Ende letzten Jahres beschloss die jordanische Regierung schließlich, publizistisch in die Offensive zu gehen. Nach einem Gespräch mit seiner amerikanischen Kollegin in Washington äußerte sich der jordanische Außenminister Nasser Judeh so offen wie noch nie zum Thema Afghanistan:

    "Es gibt eine jordanische Präsenz in Afghanistan - und zwar schon seit vielen Jahren. Es handelt sich um eine humanitäre Präsenz, eine logistische Präsenz und Geheimdienstoperationen, um unsere Bürger zu schützen und zu verhindern, dass Terroristen ihre abscheulichen Taten verüben können. Wissen ist Macht, sagt man - und dieses Wissen mit anderen zu teilen, ist auch Macht."

    Jordanien ist eines von nur zwei arabischen Ländern, die an ISAF beteiligt sind, der von der NATO geführten Mission in Afghanistan; das andere Land sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Webseite von ISAF gibt die jordanische Beteiligung mit sieben Soldatinnen oder Soldaten an; weitere Informationen fehlen.

    Das Königshaus begreift radikale Islamisten im Allgemeinen und El Kaida im Besonderen als die gefährlichsten Feinde des Staates. 2005 wurde dies durch einen Dreifach-Anschlag unterstrichen, als sich Selbstmordattentäter in drei Hotels in Amman in die Luft jagten; 60 Menschen kamen ums Leben. Für das Attentat verantwortlich war ein Jordanier, Ahmed Al-Khalayleh, genannt "Abu Musab al-Zarqawi"; ein halbes Jahr nach den Anschlägen konnte ihn die US-Armee im Irak töten.

    Auch aus dem pro-westlich orientierten Jordanien ziehen also junge Männer für El Kaida in den Kampf. Der jordanische Experte Yassir Za'atreh sieht dies als eine Reaktion auf westliche Politik:

    "Das ist das Ergebnis von Umständen, die im Zusammenhang mit der amerikanischen Aggression gegen die islamische Welt stehen - angefangen von der Al-Aqsa-Intifada in Palästina über die Anschläge des 11. Septembers 2001, die einige inspirierten - bis hin zu Afghanistan und Irak. Diese jungen Männer glauben, dass sie nicht etwa für Chaos und Gewalt sorgen, sondern dass sie damit einen Angriff auf die islamische Welt abwehren."

    Innenpolitisch ist dies eine gewaltige Herausforderung für das jordanische Königshaus. Schon erklärte die "Islamische Aktionsfront", die wichtigste Oppositionskraft des Landes, das Engagement in Afghanistan verstoße gegen die Verfassung. "Dies ist nicht unser Krieg", heißt es in einer Stellungnahme mehrerer Gruppen, Zitat:

    Wir verlangen das Ende der sogenannten Sicherheitszusammenarbeit mit dem zionistischen Feind und den amerikanischen Geheimdiensten und fordern den Abzug der jordanischen Soldaten aus Afghanistan.

    Die Allianz mit den USA ist bei vielen Jordaniern unpopulär, genauso wie der Frieden mit Israel. Doch gerade die enge Zusammenarbeit - nicht zuletzt im Geheimdienstbereich - macht Jordanien für Washington und Tel Aviv zu einem Aktivposten. Das wiederum hilft, das Überleben der haschemitischen Dynastie in Jordanien zu sichern. König Abdullah findet sich also in einem ähnlich schwierigen Dilemma, wie schon sein Vater vor 40 Jahren.