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Josh Hommes "Desert Sessions"
Aus der Komfortzone in die Wüste

1996 startete der US-Musiker Josh Homme die "Desert Sessions", ein verlängertes Wochenende von Kolleginnen und Kollegen, die sonst nicht zusammen spielen. Bei wilden Jams in der Wüste entsteht verrückter Krach, denn die Konstellationen sind immer bunt gemischt. Nun sind Folge "11 & 12“ erschienen.

Von Marcel Anders | 03.11.2019
    Drei Männer und drei Frauen stehen vor einem Schild mit dem Titel Rancho de la Luna.
    Dave Catching hat sich mit Rancho de la Luna einen Lebenstraum erfüllt. (Andreas Neumann)
    Musik: "Girl Boy Tom"
    Joshua Tree, drei Autostunden östlich von Los Angeles, inmitten der Mojave Wüste. Die meisten der 7400 Einwohner sind Aussteiger und gestrandete Glücksritter. Dave Catching, Gitarrist der Eagles Of Death Metal, hat sich hier 1993 einen Lebenstraum erfüllt - sein eigenes Studio: Rancho de la Luna. Ein Komplex aus drei Häusern mit einem kuriosen Arsenal an alten Instrumenten und Analog-Equipment, aber auch einer äußerst relaxten Atmosphäre. Die Heimat der "Dessert Sessions" - aus gutem Grund, wie Josh Homme verrät.
    Auf eigene Instrumente verzichtet
    Josh Homme: "Gebe es ein Buch zum Thema "Wie baut man ein Heimstudio", dann wäre hier nichts, wie es sein sollte. Und zwei Mal falsch ergibt noch kein richtig, aber vierzig Mal falsch, macht es ziemlich verrückt. Man spielt Schlagzeug im Badezimmer, singt in der Küche und benutzt das Kissen, auf dem man nachts schläft, um die Verstärker zu dämmen. Außerdem gibt es kein anderes Studio auf der Welt, wo alle schlagartig aufhören zu arbeiten, um den Sonnenuntergang zu bewundern. Nach dem Motto: "Kommt raus und schaut euch das an."
    Musik: "Noses In Roses"
    Rancho de la Luna ist der perfekte Ort für ein Happening der etwas anderen Art – für ein verlängertes Wochenende unter Musikern, die alle eng mit Gastgeber Josh Homme befreundet sind. Vielleicht gehen sie daher auch das Risiko ein, auf ihre eigenen Instrumente zu verzichten und zu spielen, was immer sie im Studio vorfinden. In den letzten 20 Jahren haben Mitglieder von Soundgarden, Monster Magnet, Nine Inch Nails, Marilyn Manson und den Hives an vergangenen Desert Sessions teilgenommen. Aber auch PJ Harvey und Chris Goss. Alle handverlesen von Homme, der sie einsetzt wie Schachfiguren.
    "Ich mag es, wenn eine merkwürdige Chemie entsteht. Dafür erstelle ich Listen und wenn sie lustig oder verrückt erscheinen, ist das ein guter Ausgangspunkt. Es wäre doch langweilig, wenn da nur Country-Künstler oder nur Rock´n´Roller teilnehmen würden. Ich finde es spannender, jemand in einem Rahmen zu platzieren, den er oder sie so gar nicht kennt. Wie Billy Gibbons von ZZ-Top. Es birgt eine gewisse Gefahr, ihn herauszufordern. Und das mag ich."
    Musik: "Move Together"
    Josh Homme reißt Rauschebart Gibbons aus seinem Blues-Rock-Kontext und lässt ihn stattdessen zu einem schrägen Synthie-Beat improvisieren. Mit witzigen Zeilen über leere Whiskey-Flaschen und partnerschaftliche Tristesse. Dieses mutige Experiment funktioniert genauso wie der Spacerock mit Les Claypool von Primus, Folkiges mit Mike Kerr von Royal Blood, Garagen-Rock mit Jake Shears von den Scissor Sisters. Homme schickt seine Kollegen aus der Komfortzone aufs musikalische Glatteis. Höhepunkt des wahnwitzigen Treibens: Der Auftritt eines gewissen Töornst Hülpft aus Lappland.
    Kunstdruck als Schallplatten-Cover
    "Ich kenne ihn nicht wirklich. Es war eine dieser Situationen, in denen man nett zu einer Person ist, weil man das Gefühl hat, dass alle anderen mit ihr vertraut sind. Und die anderthalb Stunden, in denen "Chic Tweetz" entstanden ist, waren geradezu magisch. Jede Desert Session braucht einen ausgelassenen Moment, um sicherzustellen, dass sie nicht zu ambitioniert klingt, es muss immer etwas Nerviges, Dämliches dabei sein. Womit ich nichts gegen Töornst sagen will, aber dieses Stück ist so dämlich, dass es meine Kinder lieben. Sie fragen ständig danach."
    Musik: "Chic Tweetz"
    Ob dieser Töornst Hülpft vielleicht doch Gastgeber Homme selbst ist? Diese Vermutung weist er empört zurück, auch, wenn der Begriff "Schmutzfink", der im Text auftaucht, eines seiner deutschen Lieblingswörter ist. Doch selbst, wenn es so sein sollte. Bei den Desert Sessions ist alles erlaubt. Hier geht es ums Austoben unter Freunden. Kommerziell, so Homme, ist der Spaß allerdings ein Verlustgeschäft. Schließlich leistet man sich einen teuren Kunstdruck als Schallplatten-Cover.
    "Wir verkaufen die Vinyl-Ausgabe für 30 Dollar, dabei kostet sie allein 27 Dollar in der Herstellung. Das hat damit zu tun, dass da die Pferde mit mir durchgegangen sind. Ich bin nach dem Motto vorgegangen: "Was hätte ich am liebsten? Was würde ich kaufen?" Es richtet sich also in erster Linie an mich. Und es muss auch keine großen Umsätze erzielen. Das einzige, was zählt, ist, dass sich die Leute auf die Veröffentlichung freuen. Was vielleicht ein bisschen idealistisch ist."
    Musik: "Easier Said Than Done"
    Den Idealismus kann sich Homme leisten. Als Chef der Queens Of The Stone Age hat er in den letzten Jahren mehrere Bestseller veröffentlicht und die größten Hallen der Welt gefüllt. Einer der letzten Rockstars. Zudem einer, der sich nicht an die Gesetze der Unterhaltungsindustrie hält. Bei den Desert Sessions sucht Homme vor allem seinen Spaß, aber auch neue Herausforderungen.
    "Ich muss meinen nächsten Mount Everest finden, den es zu besteigen lohnt. Aber ich will nicht einfach ein weiteres Album rausbringen. Im Sinne von: "Hier sind zehn Songs, mit denen ich zwei Jahre auf Tour gehen kann." Das bedeutet mir nichts. Ich muss an das glauben, was ich tue. Jetzt mache ich erst einmal eine Pause und beobachte, was um mich herum passiert."
    Musik: "Crucifire"
    Musik: "Something You Can't See"