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Journalisten bei der IAA
Viel Show und wenig Kritik

Hubraum, PS-Zahl und Beschleunigung – für rund 8.000 Automobil-Journalisten aus aller Welt sind es die wichtigen Themen während der IAA in Frankfurt. Kritiker beklagen dort die große Nähe von Journalisten zur Industrie. Auch wenn es den "Autotest mit Damen" inzwischen nicht mehr gibt.

Von Thomas Wagner | 13.09.2017
    Bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main (Hessen) wird am 12.09.2017 der Mercedes _AMG Project One vorgestellt. Vom 14. bis 24.September präsentieren Hersteller auf der weltgrößten Autoshow ihre Neuheiten. Foto: Uli Deck/dpa | Verwendung weltweit
    Journalisten bei der IAA in Frankfurt (dpa)
    Da hat Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche wohl recht: Was als Pressekonferenz zur Vorstellung neuer Fahrzeugmodelle angekündigt ist, gerät zur Riesen-Show. Dabei fahren auf der Bühne eben nicht nur neue Autos auf. Tänzerinnen und Tänzer wirbeln über den Boden, Riesen-Schweinwerfer zeichnen mit Riesen-Lichtkegel geometrische Figuren, auf Riesen-Projektionsflächen sieht man die Skylines großer Metropolen.
    "Es ist immer wahnsinnig viel Show: Desto größer der Marke, desto größer der Stand, desto mehr Bimbamborium. Es ist laut. Es ist hell. Aber letztendlich kommt nur ein Auto auf die Bühne gefahren."
    "Der Show-Effekt bei den Veranstaltungen wird immer größer. Ich bin auch ein Gegner davon. Anscheinend haben die Hersteller den Eindruck, dass sie mit Knalleffekten, bunten Lichtern und lauter Musik um Aufmerksamkeit buhlen müssen."
    Multimediale Auto-Show
    Wohl wahr. Denn so wie Mercedes machen sie es alle: Kaum ein Hersteller, der auf der IAA in Frankfurt Pressekonferenzen nicht zur multimedialen Show umfunktioniert. Eva Laun ist Wirtschaftsredakteurin beim SWR, Jan Rosenau Redakteur beim Fachblatt "Automobilzeitschrift". Mögen die beiden auch noch sehr eher an Informationen denn an Show-Acts interessiert sein - sie sind damit wohl in der Minderheit. Die meisten der über tausend Frauen und Männer im Saal, die alle den großen IAA-Presseausweis um den Hals hängen haben, zücken, so ähnlich wie Teenies beim Anblick diverser Youtube-Stars, ihre Handy-Cams und fotografieren begeistert. Von journalistischer Distanz ist bei vielen von ihnen nichts zu spüren.
    "Natürlich ist die Autobranche so groß, so mächtig, dass viele Journalisten ja ‚embedded‘ sind und auch, glaube ich, insgeheim Fans mancher Marke."
    Burkart Riering ist Chefredakteur der "Automobilwoche" - und kennt sich aus im Geschäft mit dem Autojournalismus. Dass viele in der Branche eher unkritisch über Autos und das Drumherum unter und oberhalb der Motorhaube berichten, habe eine lange Tradition.
    "Wenn man die alten Geschichten hört, da kann man schon ins Grübeln kommen, wieviel Nähe denn Autojournalisten zu unseren Unternehmen haben. Die alten Geschichten, die sind teilweise nicht mehr jugendfrei auch...."
    "Autotest mit Damen"
    "Autotest mit Damen" waren noch vor 20, 25 Jahren üblich in einer damals fast nur von Männern dominierten Disziplin, so flüstern es heute noch altgediente Autojournalisten leise im Gespräch – um gleichzeitig ein wenig lautstarker zu betonen, dass sie an derartigen PR-Aktionen natürlich nie beteiligt gewesen seien. Tatsächlich dürften sie inzwischen der Vergangenheit angehören – völlig zu Recht, findet Burkart Riering:
    "Es ist heute ein wenig distanzierter. Wir müssen politisch frei sein, wir müssen unabhängig sein - am besten ist es - die alten Geschichten - die Zeiten sind gottseidank vorbei...."
    ...nicht zuletzt deshalb, weil der Ablauf so mancher Luxusreise für Autojournalisten den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Die Hersteller, die solche als Information getarnten Luxus-Reisen am Rande der Korruption anboten, gerieten erheblich unter Druck. Heutzutage könnten Automotive-Medien, die etwas auf sich halten, ohnehin nur bestehen, wenn sie auch kritisch berichten, betont Andreas May. Redakteur bei "Autobild":
    "Dann fahren wir mit den Autos auf einen ehemaligen Militärflugplatz. Beim Bremsen schwächeln viele. Wir machen Fahrvergleiche mit den Autos auf Straßen, ob es da Unterschiede gibt. Die Lenkungen - wie spricht sie an? Alles das testen wir."
    Unabhängigkeit unter Beweis stellen
    Nur so, glaubt Andreas May, könne ein Medium seine Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit unter Beweis stellen. Genauso sieht das auch Jan Rosenau, Redakteur bei der Zeitschrift "Automobilwirtschaft":
    "Wir schreiben nicht die Pressearbeit der Unternehmen nach. Da müssen unsere Leser sicher sein, dass wir uns eben nicht beeinflussen lassen und neutral berichten. Das ist ganz wichtig für einen Fachjournalisten."
    Dass es Automobil-Journalismus auch seriös sein kann, bestätigt Ferdinand Dudenhöfer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen: "Ja, bin ich absolut sicher, dass es das gibt."
    Parallel dazu gebe es aber nach wie vor auch die andere Seite jenes Automobil-Journalismus, bei dem die Unabhängigkeit der beteiligten Journalisten zumindest in Zweifel steht.
    Journalisten werden "gepampert"
    "Wo es dann Reisen gibt, wo alles finanziert wird vom Autobauer - man wird gepampert von vorne bis hinten. Und damit beeinflusst man natürlich auch Meinungen."
    Was aber tun als Leser, der sich mithilfe von Medien ein möglichst objektives Bild von den Stärken und Schwächen eines neuen Autos machen will?
    "Ich glaube, das ist schwierig. Deshalb sollte man sich nicht auf eine Meinung verlassen, sondern andere Meinungen anschauen, dass man mal Dinge liest, die von Deutscher Umwelthilfe, von Greenpeace und anderen dargestellt worden sind und die dann vergleicht mit anderen Tests, die man findet. Wir können uns bemühen, durch mehrere Quellen ein besseres, objektiveres Bild zu gewinnen."