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Journalisten unerwünscht?

Journalisten, die in Hamburg über den Strafvollzug berichten, ärgern sich schon seit einiger Zeit darüber, dass sie Gefängnisse nur noch im Rahmen von organisierten Besuchen betreten dürfen. Seit der Abwahl des letzten SPD-geführten Senats vor zweieinhalb Jahren werden Anfragen nach Interviews mit Gefangenen zumeist negativ beschieden. Die Antwort des Hamburger Senats auf eine parlamentarische Anfrage hierzu hat nun den Unmut weiter gesteigert.

Von Thomas Mösch |
    Hat Hamburgs Justizsenator Roger Kusch das Parlament der Stadt belogen? Dies fragt sich zumindest der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Till Steffen. Steffen hatte den Senat gefragt, seit wann die CDU-geführte Justizbehörde selbst bestimmt, ob Journalisten eine Strafanstalt der Hansestadt besuchen dürfen oder nicht. Zuvor hatte das Landgericht Hamburg entschieden, dass darüber die jeweilige Gefängnisleitung zu befinden habe. Geklagt hatte der Westdeutsche Rundfunk, dem die Behörde ein Interview mit einem Gefangenen verboten hatte. Der Senat antwortete vor einer Woche, dass der von dem Gericht beanstandete Fall ein Einzelfall gewesen sei.

    "Stimmt nicht," sagt der Hamburg-Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Jörn Breiholz. Er selbst habe vor eineinhalb Jahren über das erste Amtsjahr des CDU-Justizsenators berichten wollen, unter anderem aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel. Wie früher üblich, habe er den Anstaltsleiter angerufen.

    Daraufhin sagte mir der Anstaltsleiter, er wäre nicht mehr zuständig für den Bereich Presse. Das würde jetzt die Justizbehörde selbst entscheiden, wer in Hamburg Gefängnisse besuchen darf und wer nicht. Ich habe dann die Pressestelle angerufen und habe dann die Antwort bekommen, dass Interviews in Hamburgs Gefängnissen nicht mehr möglich wären.

    Auch die Chefredakteurin des Obdachlosen-Magazins "Hinz und Kunzt" wundert sich über die Antwort des Senats. Ihre Zeitung habe früher regelmäßig über das Leben hinter Gefängnismauern berichtet, erzählt Birgit Müller. Seit dem Amtsantritt von Roger Kusch im Herbst 2001 sei es damit jedoch vorbei.

    Man kann schon fast von Kontaktsperre reden im Vergleich zu früher. Es war früher so, dass ich innerhalb der Haftanstalten sogar mit Insassen sprechen durfte und selbstredend mit der Anstaltsleitung. Das ist nach der Amtsübernahme von Roger Kusch völlig ausgeschlossen gewesen. Uns wurde auch ganz deutlich gesagt, dass das eine Grundsatzentscheidung ist, dass kein Journalist mehr in die Anstalten kommt, es sei denn Roger Kusch ist mit dabei.

    Das hat der damalige Pressesprecher der Behörde auch gegenüber dem WDR erklärt, so geht es aus dem Gerichtsbeschluss vom November hervor. Der jetzige Pressesprecher lehnt es ab, sich zu diesem Thema vor dem Mikrophon zu äußern. Er betont aber - gesetzeskonform -, dass jede Interviewanfrage einzeln geprüft und von der jeweiligen Strafvollzugsanstalt entschieden werde. Die betroffenen Journalisten können bisher jedoch keine Änderung der rigiden Praxis erkennen. Dies bestätigt auch die Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes in Hamburg, Anngeret Witt-Barthel.

    Für die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten hier am Medienstandort Hamburg bedeutet das, dass Zensur ausgeübt wird.

    Sie erkennt in dem Verhalten der Behörde einen Verstoß gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungsfreiheit garantiert.

    Zum einen gibt es ja die freie Meinungsäußerung des Strafgefangenen. Zum zweiten gibt es das Recht auf Berichterstattung der Medien. Und zum Dritten gibt es ja nicht zuletzt ein Informationsrecht der Öffentlichkeit. Alle diese drei Grundsätze sehen wir hier verletzt.

    Der Journalisten-Verband und die Deutsche Journalisten-Union in der Gewerkschaft Verdi vermuten, Senator Kusch wolle verhindern, dass über seine umstrittene Strafvollzugspolitik öffentlich diskutiert wird. Kusch ist 2001 als Hardliner angetreten und hat seitdem viele Hafterleichertungen gestrichen. Offenbar soll über die schlechte Stimmung in den Gefängnissen möglichst wenig nach außen dringen, glaubt FR-Korrespondent Breiholz.

    Es ist im vergangenen Dezember zu regelrechten Aufständen in Hamburgs Langstrafen-Gefängnis Santa Fu gekommen, wo sich die Gefangenen einige Tage lang lautstark zusammen getan haben und auch gegen seine Politik und seine Verordnungen dort protestiert haben. Das war schon fast ein Gefangenenaufstand.

    Der WDR hat unterdessen seine Interview-Anfrage seit Januar zweimal schriftlich erneuert. Eine Antwort ist in Köln bisher nicht eingetroffen.