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Journalistenausbildung in Paris
Neue Stimmen und neue Blickwinkel

Sie wollen Starthilfe für Menschen mit frischen, innovativen Medien-Projekten leisten: Französische Online-Journalisten bieten kostenlos journalistische Fortbildungen für Menschen aus den Banlieues an - ein Sprungbrett für Jungtalente aus Minderheiten-Gruppen.

Von Suzanne Krause | 18.07.2017
    Wohnblocks aus den 60er- und 70er-Jahren im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois
    Jungen Menschen aus den Pariser Vorstädten wird Starthilfe für ihre Medienprojekte geboten. (picture-alliance / Robert B. Fishman)
    Im "StreetPress"-Büro präsentiert Jeremy Léger stolz seine Webplattform 2HIF. 2HIF steht für "Hiphop Info Frankreich". Der erste französische Online-Dienst zur Hiphop-Kultur entstand Anfang 2016 und zählt 160.000 Fans. Von der Teilnahme am Media Makers-Kurs verspricht sich Jeremy Léger einiges.
    "Unsere Webplattform verfügt über guten Inhalt, über Fans. Was fehlt, ist das tragfähige Geschäftsmodell, damit wir von unserer Arbeit leben können. Media Makers soll uns die richtigen Tipps und Kontakte vermitteln."
    Online-Medium setzt auf Videos für Gehörlose
    Vier Monate lang, immer Montags und Dienstags, helfen Profis den Neulingen mit Rat und Tat und kostenlos auf die Sprünge. Gerade tagt das Dutzend Kurs-Teilnehmer an einer langen Tischreihe. In einer Ecke wird heftig gestikuliert: eine Gruppe Gehörloser tauscht sich zu ihrem Projekt aus - ein Webmedium für Menschen mit Höreinschränkungen. Denn sie sind täglich mit massiven Verständigungsproblemen konfrontiert, weiß Initiatorin Noémie Chorlais aus eigener Erfahrung. Das Online-Medium soll vor allem auf Videos mit Gebärdensprache setzen. Mit Informationen und Nachrichten für Gehörlose, die ihnen sonst nirgendwo zugänglich sind, übersetzt Marianne Dell die Gebärdensprache von Noémie Chorlais.
    "Wir wollen das Thema Erste Liebe aufgreifen - das interessiert doch jeden. Aber dazu wurde noch nie etwas in Gebärdensprache veröffentlicht. Das ist nur ein Alltagsthema, das wir für Gehörlose übersetzen möchten."
    "Nothing but the Wax" - Afromode
    Die erste Ausgabe der kostenlosen Starthilfe für innovative Medienprojekte lief im Sommer 2016. Kurs-Initiatorin Cécilia Gabizon erhielt damals siebzig Bewerbungen, drei wurden ausgewählt. Darunter das Webplattform-Projekt "Nothing but the Wax". Wax bezeichnet die typischen buntbedruckten Stoffe in Afrika. "Nothing but the Wax", von einer jungen Französin afrikanischer Abstammung gemacht, ist seit seiner Taufe auf Erfolgskurs, freut sich Cécilia Gabizon.
    "Da geht es um die Afromode. Im Sinne von Mode als kultureller Ausdruck. Dieses Online-Medium richtet sich an die Nachkommen afrikanischer Einwanderer, es präsentiert Kleidung aus traditionellen Stoffen mit modernen Schnitten. Dank dieser Mode haben junge Leute in Europa, deren Eltern aus Afrika einwanderten, eine kulturelle Ausdrucksmöglichkeit entwickelt, die auch bei anderen sehr gut ankommt. Das hatten sie bislang vergeblich gesucht."
    Französische Medien unterstützen die "Street School"
    Der Media Maker-Kurs ist das jüngste Kind der StreetSchool. Die bietet seit 2012 eine kompakte einjährige Einführung in den Journalismus, jeden Samstag, kostenlos, für 30 Nachwuchstalente. Viele entstammen den Sozialbaughettos rund um Paris, weit weg von den herkömmlichen Elite-Journalismus-Schulen, sagt Cécilia Gabizon. Sie war lange Jahre als Reporterin der konservativen Tageszeitung Le Figaro in den sozialen Brenpukten der Vorstädte unterwegs.
    "Bei Recherchen in der Banlieue sagten mir viele immer wieder: 'Was die Medien über uns berichten, ist doch völlig daneben'. Und ich antwortete: Selber schuld! Ergreift doch endlich das Wort und sagt was vernünftiges, statt mir Prügel anzudrohen. Wir haben dann gemeinsam überlegt, wie man solche Desinformationen beheben kann. Und ein partizipatives Medium entwickelt, um jungen Banlieue-Bewohnern eine Stimme zu geben. Das war der Vorläufer der StreetSchool."
    Unterstützt wird die "Street School" von etablierten französischen Medien. Ein Sprungbrett für Jungtalente aus Minderheiten-Gruppen. Allein vom allerersten Jahrgang mit fünfzehn Teilnehmern sind heute zehn als Journalisten tätig - die andere Stimmen, andere Blickwinkel in die Medien bringen.