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Journalistenmord auf Malta
"Eine schwere Last für die freie Meinungsäußerung"

Die Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia hat auch über Malta hinaus für Aufregung gesorgt. Ein halbes Jahr danach ist der Mord noch immer nicht vollständig aufgeklärt. Außerdem stehen kritische Journalisten stärker unter Druck denn je.

Von Iris Rohmann | 16.04.2018
    Das Bild zeigt ein Portrait der ermordeten maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia, die am 16. Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet wurde.
    Die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia ist vor einem halben Jahr durch eine Autobombe getötet wurde. (AFP/Matthew Mirabelli)
    Der Mord an der bekanntesten Bloggerin des Landes hat maltesische Journalisten in Angst und Schrecken versetzt, vor allem die wenigen, die Geldwäsche und Korruption in ihrer Heimat aufklären wollen. Manuel Delia unterhält den Blog "Truth be told". Der Mord an seiner Kollegin, die er 25 Jahre kannte, hat seine Welt verändert.
    "Malta ist jetzt ein Land, in dem eine Journalistin getötet wurde. Ich glaube nicht, dass es für unabhängige Medien eine abschreckendere Wirkung geben kann. Wenn man als Journalist weiß, dass die Informationen, die man findet, einen das Leben kosten können, so wie Daphne Caruana Galizia, dann ist das eine schwere Last für die freie Meinungsäußerung."
    "Drei staatlich organisierte Lügen"
    Malta war noch nie ein Paradies für die freie Presse. Die größten Fernsehkanäle des Landes gehören den politischen Parteien und der Regierung. Von Unabhängigkeit kann da nicht die Rede sein. Und noch immer informiert sich fast 80 Prozent der Bevölkerung über das Fernsehen. Das ist keine Berichterstattung, sondern Gehirnwäsche, meint Delia.
    "Unabhängiger Journalismus ist sehr selten. Er dient ohne Zweifel den Interessen der Besitzer. Und was wir als Zuschauer bekommen ist: Prawda, Prawda und Isvestija. Drei staatlich organisierte Lügen."
    Hohe Schadenersatzforderungen
    Was Emanuel Delia meint: Die allermeisten Medien sind - wie damals in der Sowjetunion - total abhängig von Staat und Partei. Seit Daphne Caruana Galizia enthüllt hatte, dass hochrangige maltesische Politiker in die "Panama Papers" verwickelt seien, wurde sie 47-mal verklagt, hauptsächlich von Politikern.
    Als sie getötet wurde, waren ihre Bankkonten eingefroren, ein Novum in der maltesischen Geschichte. Die nächste Eskalationsstufe erlebte sie nicht mehr: Eine Schadensersatzforderung wegen Rufschädigung über 40 Millionen Dollar. Ein sogenanntes SLAPP-Verfahren, erklärt Carolin Muscat von "The Shift News" in Malta. Diese Online-Zeitung wurde nach der Ermordung der Journalistin gegründet, um ihre kritische Arbeit fortzuführen.
    "SLAPP ist ein Verfahren, das Journalisten finanziell ruinieren soll. Schon allein diese Möglichkeit in den Raum zu stellen, reicht aus, dass auch große Medienhäuser nicht mehr über die betroffenen Firmen schreiben."
    Kritische Berichte zurückgezogen
    In Malta gibt es zwei solcher Firmen, und gegen beide werden Korruptionsvorwürfe erhoben: Die Pilatus Bank, deren Geschäftsführer seit kurzem in Amerika in Untersuchungshaft sitzt, und Henley und Partners, eine Beratungsfirma, die maltesische Staatsbürgerschaften vermittelt. Sämtliche Tageszeitungen in Malta hatten kritische Berichte über diese beiden zurückgezogen. Doch nicht Manuel Delia und nicht "The Shift News".
    "Es geht in solchen Prozessen immer um mehrere Millionen. Summen, die natürlich kein Medienunternehmen überleben kann. Zumindest nicht unser Nachrichten-Portal, das es erst seit fünf Monaten gibt. Aber für uns ist es wesentlich, weiter zu kämpfen, und das Ziel unserer Arbeit ist dagegen anzugehen, nicht nur für uns selbst, sondern für die Pressefreiheit in Malta."
    Drei Viertel vertrauen den Medien nicht
    Denn die ist in Malta weiterhin in Gefahr. Die Regierung unter Joseph Muscat hat vor wenigen Tagen, am 9. April, einen Antrag abgelehnt, maltesische Journalisten und Medien vor solch ruinösen Prozessen zu schützen. In der Bevölkerung stört das nicht viele. Denn drei Viertel der Malteser vertrauen den Medien nicht, so Reporter ohne Grenzen. Damit liegen sie in Europa an drittletzter Stelle.

    Aber das ist nicht die größte Sorge von Manuel Delia. Zwar wurden drei Männer verhaftet, die Daphne Caruana Galizia ermordet haben sollen, doch es ist so gut wie sicher, dass jemand sie mit dem Mord beauftragt hat. Und niemand weiß, wer das gewesen ist.