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Journalistische Unabhängigkeit
Google-Geld fürs Redaktionspraktikum

Praktikanten können in der Regel froh sein, für ihre Arbeit überhaupt Geld zu bekommen. Anders geht es den Google-News-Fellows: sie werden vom Internetriesen für Medienpraktika bezahlt. Das gefällt nicht jedem.

Von Lisa Hänel | 09.05.2018
    20.03.2018, Hamburg: Eine junge Frau schaut vor einer Pressekonferenz zur Google Zukunftswerkstatt Hamburg in eine VR-Brille von Google. Lehrer und Schüler, Berufstätige und Gründer sollen bei Google in Hamburg fitter für die Codes und Digitalisierung von Morgen werden.
    Auch Google Stipendiaten haben die Büroräume von Google besucht und eine Virtual Reality Brille aufgesetzt (dpa / Christian Charisius)
    Elena Erdmann hat ein eher ungewöhnliches Praktikum gemacht. Zwei Monate lang war sie bei der "Wirtschaftswoche" und hat dafür 5500 Euro bekommen.
    Die 29-Jährige studierte Informatikerin hat vor allem datenjournalistische Projekte umgesetzt. Bezahlt wurde sie aber nicht von der "Wirtschaftswoche" selbst, sondern vom Tech-Giganten Google. Sie war eine von rund 20 sogenannten "Google News Lab Fellows", die mit der Hilfe eines Google-Stipendiums in eine große deutschsprachige Redaktion geschickt werden. Mit dabei sind unter anderem der Spiegel, ZeitOnline und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ein Sprungbrett für die jungen Journalisten.
    "Es ist vielleicht 'ne Möglichkeit für jemanden, der nicht so ganz den traditionellen journalistischen Hintergrund hat, mal Redaktionsluft zu schnuppern - sozusagen."
    Der Pressekodex untersagt Geschenke
    Was eine große Chance für junge, vor allem datenaffine Nachwuchsjournalisten sein kann, ist nicht unumstritten. Von Google bezahlte Arbeitskräfte in den Redaktionen - das gefährde die Unabhängigkeit des Journalismus, sagen Kritiker wie der freie Datenjournalist und Doktorand an der Universität Mainz, Frederik von Castell. Dass Redaktionen dadurch Fachkräfte bekommen, die sie sonst nicht bezahlen könnten, lässt er nicht gelten:
    "Ganz fest davon überzeugt bin ich, dass das Geld, das Google hier den Verlagen einspart, also maximal 5500 Euro, die möglichen Zweifel an der Unabhängigkeit der Redaktionen niemals aufwiegt."
    Für Lorenz Matzat, ebenfalls freier Datenjournalist und Kritiker des Google-Stipendiums, ist das für die Ausbildung gezahlte Geld noch aus einem weiteren Grund problematisch:
    "Es gibt im Pressekodex einen Hinweis darauf, dass man keine Geschenke annehmen darf. Bei diesen Förderungen, sei es eben von irgendwelchen Software Projekten oder eben diesen Fellowships geht's um 10.000 oder 100.000 Euro. Das ist meiner Meinung nach schon das übliche Maß, das da überschritten wird."
    Es geht nicht um Geschenke sondern um Qualität
    Weltfremd und altmodisch klingen diese Argumente für Stephan Weichert. Er ist presseverantwortlicher Herausgeber des Online-Debattenportals "Vocer" und nimmt seit drei Jahren Google-Fellows in seiner Redaktion auf:
    "Ich kann die Haltung nachvollziehen. Ich finde, das höre ich aber immer von sehr saturierten Journalisten, die in fest angestellten Positionen auf Lebenszeit sitzen. Aber die Realität von Journalisten sieht ja heute ganz anders aus."
    Deshalb könne man das Annehmen von Geschenken, so Weichert, nicht verallgemeinern. Bei dem Stipendiaten-Programm von Google gehe es nicht um Geschenke, sondern vor allem um Qualität.
    Die "Digital News Initiative" ist ein Innovationstopf, den Google vor drei Jahren für journalistische Investitionen in Europa geschaffen hat. 150 Millionen Euro lässt sich der Konzern die Investition kosten, über 200 Verlage und Medienhäuser kooperieren mit dem Tech-Unternehmen. Das Stipendiaten-Programm ist eine Kooperation unter Vielen, die Google anbietet. Für Konzernsprecher Ralf Bremer sind diese Investitionen in den Journalismus eine logische Konsequenz:
    "Insofern ist das für uns überhaupt keine Frage, dass wir den Journalismus und auch die Verlage in Zeiten, die wirklich herausfordernd sind, kooperativ begleiten und mit unterstützen. Wir wissen, dass Gesellschaft guten Journalismus braucht. Und deshalb sind wir hier wirklich fest entschlossen mitzuhelfen."
    Eine Form von Lobbyismus?
    Google, ein natürlicher Partner des Journalismus? Frederik von Castell, Doktorand am Journalistischen Seminar der Uni Mainz, bestreitet das.
    "Lobbyismus funktioniert heute nicht mehr darüber, dass man einen Gefallen für einen anderen Gefallen tut. Lobbyismus ist heute vor allem dafür da Zugänge zu bekommen, an Netzwerke anzuknüpfen und auch in diesem Fall - und das finde ich einen ganz wichtigen Punkt - eine gewisse implizite Schuld, eine gewisse implizite Verpflichtung zu schaffen. Das heißt, es wird nicht direkt gefordert. Gleichzeitig muss man sich aber vorstellen, dass gerade weil es sich an junge Journalisten richtet, 5500 Euro Förderungen nicht so schnell vergessen werden."
    Während Kritiker davon ausgehen, dass die Geförderten langfristig beeinflusst und an Google gebunden werden, kann das Stipendiatin Elena Erdmann nicht bestätigen:
    "Also ich stehe eigentlich nach dem Stipendium genauso zu Google wie davor. Ich habe vielleicht ein bisschen mehr Einblicke darüber, wie es funktioniert. Und ich glaube, ich bin durchaus trotzdem noch in der Lage, kritisch darüber zu denken."
    Auch wenn sie keine nachhaltige Beeinflussung durch den Geldgeber erkennen kann, wäre es auch Elena Erdmann lieber, es gäbe noch zusätzliche Programme, an die sich gut ausgebildete junge Journalisten richten könnten. Auch Stephan Weichert von Vocer meint, Google sollte nicht der einzige Akteur auf dem Feld der journalistischen Innovationen bleiben, und sieht die öffentliche Hand ebenfalls in der Pflicht:
    "Warum gibt es in der öffentlichen Struktur wie in anderen Ländern Skandinaviens zum Beispiel nicht die Möglichkeit für Medienunternehmen sich auch auf öffentliche Gelder zu bewerben, um ihre Redaktionen zu finanzieren. Also ich finde, da müssen wir ein bisschen offener damit umgehen und nicht aus dem Blick der 80er und 90er Jahre heraus argumentieren."
    Während in Deutschland noch über neue Finanzierungsmodelle gestritten wird, macht Google munter weiter. Der Innovationstopf für digitalen Journalismus soll von Europa auf die Welt ausgeweitet werden. Statt 150 Millionen will Google dann in den kommenden drei Jahren fast 300 Millionen Euro investieren.