Archiv


Jubiläum vor dem Abschied

Seit Monaten schon ist der britische Premierminister Tony Blair ein Regierungschef auf Abruf. Laut Regierungskreisen wird er am 10. Mai offiziell seinen Rücktritt erklären. Doch zunächst steht sein zehntes Amtsjubiläum an. Ob das in London Anlass zum Feiern ist, berichtet unser Korrespondent Martin Zagatta.

    "Noch einmal vier Jahre", rufen ihm seine Anhänger zu, als Tony Blair im Mai 2005 die Unterhauswahl gewinnt, zum dritten Mal in Folge. Doch das Feiern ist der Labour-Partei längst vergangen. Drei von vier Briten wünschen sich inzwischen einen Regierungswechsel, und Tony Blairs Jubiläum steht schon ganz im Zeichen seines Abschieds.

    "Wenn Sie mir 1997 gesagt hätten, dass wir nach zehn Jahren Labour-Regierung 2,5 Millionen zusätzliche Stellen geschaffen und für die längste Wachstumsperiode der Wirtschaft überhaupt gesorgt haben, dann wäre ich damit schon damals sehr zufrieden gewesen", so zieht Blair nun eine positive Bilanz seiner Politik und hält sich vor allem auch zugute, Großbritanniens marodes Schul- und Gesundheitssystem zumindest modernisiert und einen Mindestlohn eingeführt zu haben. Dennoch ist der Premierminister heute so unbeliebt wie kaum einer seiner Vorgänger. Seine Entscheidung, an der Seite von US-Präsident George Bush in den Irak-Krieg zu ziehen, hat ihm das Vertrauen seiner Landsleute gekostet, je klarer es wurde, dass Tony Blair falsch lag mit seiner Begründung für den Feldzug, der Irak verfüge Massenvernichtungswaffen, die innerhalb von 45 Minuten einsatzbereit seien.

    Zehn Jahre nach Blairs Einzug in die Downing Street No. 10 steht das Regierungslager vor allem wegen des Irak-Debakels vor einer schweren Niederlage bei Regional- und Kommunalwahlen morgen. Selbst die Labour-Partei hat den Mann, der sie nach 18 Jahren aus der Opposition herausgeholt und zu drei Wahlsiegen in Folge geführt hat, längst fallen gelassen. Seine Parteifreunde haben Tony Blair im vergangenen Jahr schon die Zusage abgerungen, im Sommer zurückzutreten und damit Platz zu machen für seinen designierten Nachfolger, für Gordon Brown, den Schatzkanzler. Tony Blair ist seither ein Regierungschef auf Abruf, seine Autorität geschwunden.

    "Wann merken Sie endlich, dass alles aus ist, dass es Zeit ist zu gehen", wird Blair von Oppositionsführer David Cameron verspottet. Den 40-Jährigen nennen sie auf der Insel Tory Blair, weil er so sehr an den jungen Tony Blair erinnert, der schon mit 43 Premierminister geworden ist, nachdem er seine Partei völlig umgekrempelt hat: ein Prozess, den die konservative Tory-Opposition gerade durchmacht und der Blairs wahrscheinlichen Nachfolger in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnte. Dass Gordon Brown Regierungschef wird, gilt zwar als sicher. Bei der ersten Wahl allerdings muss der 56-jährige Schotte fürchten, von dem Tory-Chef abgelöst zu werden, so deutlich führt Cameron derzeit in Umfragen. Tony Blair sieht das anders, sagt er jedenfalls.

    "Die nächste Wahl wird ein Kampf zwischen einem Fliegengewicht und einem Schwergewicht", so Blair zu David Cameron, "da können Sie noch soviel im Ring herumtanzen - irgendwann kommen Sie in die Reichweite einer großen kräftigen Faust, gehen K.O. und dann wird der fünfte Oppositionsführer in Folge weggetragen."

    Die Umfragen allerdings sprechen eine andere Sprache. Die Tories liegen deutlich vor Labour - und mit noch weit größerer Mehrheit geben die Befragten an, dass ihnen David Cameron als Premierminister weit lieber wäre als Gordon Brown. Daran, dass es Brown wie Tony Blair auf zehn Jahre im Amt des Regierungschefs bringen könnte, daran glaubt eigentlich niemand.