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Juden auf Partnersuche
Kuppelhilfe im Internet

Die Liebe fürs Leben finden – kein leichtes Spiel. Wer als junger jüdischer Mensch jemanden mit der gleichen Religion in Deutschland sucht, muss entweder auf einen großen Zufall hoffen oder sich Hilfe suchen. Viele Juden hierzulande entscheiden sich immer häufiger für die zweite Variante. Mittlerweile gibt es spezielle Kuppelwebseiten oder Shabbatfeiern für Singles.

Von Samuel Acker | 01.09.2015
    Ein Mann mit der jüdischen Kopfbedeckung Kippa sitzt am 07.05.2015 in Berlin beim Festakt zum zehnten Jahrestag der Übergabe des Denkmals für die ermordeten Juden Europas an die Öffentlichkeit.
    Wer in Deutschland nach einem jüdischen Ehepartner sucht, hat es schwer. (dpa / picture alliance / Paul Zinken)
    Im Innenhof der Jüdischen Gemeinde Osnabrück wird gegrillt. Bei koscheren Würstchen und Pommes sitzen rund zwanzig junge Menschen. Sie plaudern auf Russisch, Deutsch, Englisch und Hebräisch. Darunter ist auch Tanja aus Düsseldorf.
    "Ich möchte einen passenden Mann finden. Ich suche die Liebe meines Lebens. Und ich denke, das ist eine gute Gelegenheit, und wenn das Schicksal so will, dann werde ich hier jemanden finden"
    Die 30-Jährige nimmt an einem Single-Shabbat teil. Junge jüdische Männer und Frauen aus ganz Deutschland sind dafür zusammen gekommen. Auf dem Programm stehen Seminare von Rabbinern aus Israel zu Themen wie "Die jüdische Sicht aufs Heiraten". Aber es wird auch getanzt, Minigolf gespielt, und eben gegrillt.
    "Du sollst keine Nichtjuden heiraten..."
    Veranstaltet wird das Ganze von "Morasha", einer orthodoxen Organisation, die junge Juden stärker an ihre Religion binden möchte. Liebe und Heirat spielen dabei eine gewichtige Rolle, sagt Rabbiner David Rose von Morasha.
    "Die jüdische Definition von Liebe und Romantik unterscheidet sich von der säkularen. Natürlich glauben wir daran, dass man sich spontan verlieben kann. Aber wir glauben auch daran, dass man bei wichtigen Entscheidungen sowohl das Herz als auch den Kopf nutzen sollte. Es ist eine große Entscheidung, mit wem man den Rest seines Lebens verbringen möchte."
    Im fünften Buch Moses heißt es: "Du sollst keine Nichtjuden heiraten, du sollst sie weder deinem Sohn zur Frau noch deiner Tochter zum Manne geben." Nur rund 0,2 Prozent der Menschen in Deutschland sind jüdisch, der Anteil der unter 20- bis 40-Jährigen ist noch geringer. Auch deswegen heiratet Schätzungen zufolge jeder zweite Jude hierzulande einen nicht-jüdischen Partner.
    Von der Synagoge in Osnabrück geht es in eine WG-Küche in Dortmund. Maxim Kolbasner hat momentan eine jüdische Freundin, er war aber auch schon mit Nicht-Jüdinnen zusammen. Früher sei ihm die Religion nicht wichtig gewesen, sagt der 23-jährige Wirtschaftsstudent. Mittlerweile ist er aber Leiter des Jüdischen Jugendzentrums in Dortmund, sein Blickwinkel hat sich geändert.
    "Ich zum Beispiel wurde nicht sehr jüdisch erzogen. Ich habe das alles eben durch das Jugendzentrum kennengelernt und mir die jüdische Identität durch das Zentrum angeeignet. Und ich möchte das auch meinen Kinder weitergeben, sodass sie auch eine jüdische Identität haben, und deren Kinder auch."
    Der Halacha zufolge, der jüdisch-religiösen Gesetzgebung, gelten Kinder nur als jüdisch, wenn ihre Mutter jüdisch ist. Kolbasner könnte auch mit einer Nichtjüdin zusammen sein und hoffen, dass sie irgendwann konvertieren möchte. Doch das Judentum ist keine missionarische Religion. Wer konvertieren will, muss oft jahrelang religiöse Schriften studieren, etwa Tora und Talmud. Anschließend muss noch ein Rabbinatsgericht dem Übertritt zustimmen.
    Channukah oder Weihnachten?
    "Siman tov ve mazel tov" singt die Menge, "Ein gutes Zeichen und viel Glück." Adrian Ben Schlomo hat gerade ein Glas zertreten, eines der vielen Rituale einer jüdischen Hochzeit. Das soll Glück bringen – und an den zerstörten jüdischen Tempel in Jerusalem erinnern.
    Gerade hat Ben Schlomo seiner Frau Anna das Ja-Wort gegeben. Kennengelernt hat sich das Paar vor einigen Jahren in der jüdischen Gemeinde in Dortmund. Nun feiern sie dort Hochzeit. Was bedeutet die Ehe für die Braut?
    "Für mich bedeutet das den Anfang einer Familie. Also aus zwei Hälften wird ein Ganzes. Das ist der Anfang unserer eigenen kleinen Familie und einer hoffentlich sehr glücklichen Zukunft."
    Anna studiert Judaistik und Kulturgeschichte. Nach dem Abitur hat sie ein Jahr in Israel gelebt, um ihr Wissen über das Judentum zu vertiefen. Schon damals war sie mit Adrian zusammen, dem seine Religion ebenfalls wichtig ist. Der 32-jährige IT-Berater trägt auch bei der Arbeit seine Kippa, also die religiöse Kopfbedeckung für Männer. Er sei froh, sagt Ben-Schlomo, dass er jemanden gefunden hat, die seinen Glauben teilt:
    "Man sieht oft Pärchen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen oder Religionen kommen und die sehr glücklich sind, und das ist auch wunderbar. Aber ich habe es schon häufig im eigenen Freundeskreis erlebt, dass es durchaus Probleme mit sich bringen kann."
    Welche Feiertage will man begehen – Channukah oder Weihnachten? Und wird zu Hause koscher gegessen oder nicht? Solche Fragen hören sich banal an, können aber bei jüdisch-nicht-jüdischen Paaren zu handfesten Krisen führen.
    Eine der Brautjungfern auf der Hochzeit in Dortmund ist Liz Shumanova, 25 Jahre alt, Architekturstudentin. Viele ihrer Freunde sind Nicht-Juden – und das sei auch gut so. Aber es gebe Punkte, die sie mit ihnen lieber nicht anspricht.
    "Ich habe immer ein unbehagliches Gefühl, wenn ich über das Judentum rede, oder das was ich erlebt habe, oder etwas das mit der Synagoge zusammen hängt oder meinen jüdischen Freunden. Und bei meinen jüdischen Freunden ist das nicht so. Da bin ich total frei und kann über alles reden, ohne zu denken: Wie nehmen die das jetzt wahr? Ist das falsch? Oder rede ich zu oft über das Judentum oder das Jüdische?"
    Liz ist Single. Wenn sie es sich aussuchen könnte, sagt sie, würde sie auch gerne jüdisch heiraten – aber die Auswahl in Deutschland sei einfach begrenzt.
    "Ich wohne in Kassel, und in Kassel gibt es eine sehr kleine Gemeinde. Und selbst wenn ich dort regelmäßig hingehe, gibt es dort so gut wie gar keine potenziellen Kandidaten."
    Allerdings, ergänzt sie, stecken die Gemeinden und private Organisationen viel Energie in die Aufgabe, junge Juden deutschlandweit miteinander bekannt zu machen. Es gibt Ferienlager für junge Erwachsene, einen Jugendkongress – und eben auch Seminar-Wochenenden für Singles.
    Beim Single-Shabbat in Osnabrück unterhalten sich die Teilnehmer angeregt beim Grillen. Heftig geflirtet wird aber kaum, die Stimmung erinnert eher an ein Klassentreffen. Obwohl sie sich gerade erst kennengelernt haben, wirken viele der jungen Leute vertraut. Genau das sei der Grund, warum sie einen jüdischen Partner sucht, sagt Inna aus Krefeld.
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    Inna aus Krefeld hat an einem Single-Shabbat teilgenommen. Sie sagt: "Spiritualität kann man nicht mit Worten ausdrücken. Wortlos fühle ich mich daher nur von einem jüdischen Partner verstanden. (Samuel Acker)
    "Gerade die Religion, oder die Spiritualität, oder die Kultur, mit der man aufgewachsen ist, das ist ein ganz innerer Teil der Persönlichkeit, der meistens verborgen ist, und der mit Worten auch gar nicht vermittelbar ist. Deswegen fühle ich mich einfach wortlos nur von einer jüdischen Person verstanden."
    Kuppler - der Clou bei jüdischen Dating-Plattformen
    Manche der Teilnehmer sind mehr als 500 Kilometer gefahren, um beim Single-Shabbat nach der oder dem Richtigen Ausschau zu halten. Doch zunehmend verlagert sich die jüdische Partnersuche auch ins Digitale. Bracha Rosenblum ist bei der orthodoxen Organisation Morasha zuständig für eine neue Website, "Morasha Match". Das Konzept erinnert an säkulare Dating-Plattformen wie Elitepartner oder Friendscout24: Die Nutzer können ein Profil anlegen, ihre Hobbys beschreiben und ein Foto einstellen. Doch es gibt einen Clou, wie die Projektleiterin erklärt.
    "Wenn sich die Leute ihr Profil anlegen, müssen sie eine Kontaktperson in ihrer jüdischen Gemeinde angeben. Die Idee ist, dass diese Kontaktpersonen dann im Internet nach geeigneten Partnern für die Singles suchen".
    Das bedeutet: Nicht die Nutzer selbst schreiben sich an, sondern Kuppler, meistens Rabbiner, suchen nach den geeigneten Partnern. Sie sollen beurteilen: Teilen zwei Menschen den gleichen Humor, stellen sie sich das Familienleben ähnlich vor? Das Verkuppeln von Partnern, genannt "Schidduch", hat eine lange Tradition unter gläubigen Juden. Jahrhundertelang fuhren in Osteuropa Heiratsvermittler von Dorf zu Dorf und brachten heiratswillige jüdische Menschen zusammen. Theoretisch können Juden heute über das Internet in Windeseile andere jüdische Menschen kennenlernen. Dennoch sei etwas Schützenhilfe immer noch willkommen, glaubt Rosenblum:
    "Obwohl wir diese moderne Technologie haben, gibt es immer noch einige sehr einsame Menschen. Sie haben große Schwierigkeiten, jemanden für das Eheleben zu finden, in unserem Fall ein jüdisches Eheleben. Und wir glauben, dass wir als Dritter im Bunde da helfen können."
    Beim Single Shabbat lernen sich die jungen Frauen und Männer aber noch analog kennen. Zwei von ihnen stehlen sich kurz raus aus der Gemeinde. Die orthodoxen Projektleiter müssen ja nicht alles mitkriegen. Sie wollen trotz des Shabats, an dem Feuermachen verboten ist, eine gemeinsame Zigarette rauchen. Ganz kosher ist das nicht, und sicher auch nicht gesund – aber irgendwie schon romantisch.