Die große blaue Zeichnung an einer der Wände verdeutlicht es: Das Leben fließt, es wandelt und entwickelt sich, kommt nie zum Stillstand und braucht darum Instanzen, die diesen Wandel leiten und begleiten. Das ist in modernen Gesellschaften ebenso der Fall wie in traditionellen. Eine solche traditionelle Gesellschaft ist Marokko, wo der jüdisch Psychoanalytiker Paul Dahan 1947 geboren wurde.
Juden und Muslime - und natürlich auch Christen - lebten und leben in dem Land. Nicht immer harmonisch, doch man arrangierte sich. Politische Mäßigung, das ist für Dahan eines der wichtigsten Kennzeichen einer funktionierenden Religion. Zugleich, meint er, erfüllt sie aber auch ganz andere, ganz wesentliche Aufgaben.
Die Geburt, die Heirat und der Tod. Jede Gesellschaft strukturiert sich auf Grundlage dieser drei Ereignisse. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Übergänge zu regeln, die ja immer auch enorme psychische Belastungen sind. Man ist nicht mehr der Alte, man wird ein neuer Mensch. Das zu verkraften, ist nicht leicht, und so ist es Aufgabe der Religion, zu gewährleisten, dass man heil von der einen Phase des Lebens in die nächste kommt. Die größte Herausforderung liegt natürlich in der Deutung des Todes.
In dieser Fähigkeit aber, und hier folgt Dahan seinem Gewährsmann Sigmund Freud, liegt auch der absolutistische, potentiell totalitäre Charakter der Religion. Nicht nur den fremden Mächten kann der Menschen sich unterwerfen, sondern auch den religiösen Riten, Priestern, Glaubenssätzen. Hier kann sie umschlagen, die Religion, zum Fetisch und darüber gefährlich werden. "Blicke auf die Identität" ist die Ausstellung im Untertitel überschrieben, und der Plural plädiert deutlich und diskret zugleich für ein offenes Religionsverständnis, einen selbstreflexiven Glauben, der nichts so sehr scheut wie die Versuchung des Fundamentalismus.
Das Ziel dieser Ausstellung ist, zu zeigen, dass die Menschen, die einen religiösen oder politischen Extremismus pflegen, einer sehr verengten Weltsicht anhängen, die alles ablehnen, was anders, fremd, unbekannt ist. Darum wollen sie es bekämpfen. Wir hingegen wollen zeigen, wie Unterschiedlichkeit und Fremdheit das eigene Leben bereichert, wie vielseitig Menschen sein können. das ist etwas ganz anderes als sich ausschließlich durch ein einziges Merkmal zu definieren, etwas zu sagen, "Ich bin ausschließlich Jude".
Wie solche Haltungen zwar nicht eingeübt werden müssen, wohl aber eingeübt werden können, zeigen die vielen mit den Riten verbundenen Kultgegenstände, die die Ausstellung zeigt: Das Diadem, das bei der Hochzeit anzulegende Stirnband, die Ayacha,den Gürtel, der bei dieser Gelegenheit zu tragen ist, und natürlich das Henna, mit dem sich sowohl jüdische als auch muslimische Frauen vor der Heirat die Hände schmücken - und sich, so will es der Mythos, durch die Muster zugleich auch schützen. Wie sehr die Religion das Leben der Menschen bestimmt, kann man auch anhand der gezeigten Beschneidungswerkzeuge sehen. Sie erinnern die junge Muslime und Juden schon von jüngsten Jahren an daran erinnern, dass ihnen etwas fehlt, sie nicht vollkommen sind. Das, so Dahan, hat durchaus tieferen Sinn.
In Marokko ist der Ritus bei den Juden wie den Muslimen gleichermaßen ausgeprägt. Seit Jahrhunderten pflegt man die gleichen oder sehr ähnliche Bräuche und Riten. Das gilt etwa für die Beschneidung der Knaben am siebten Tag der Woche. Die Beschneidung signalisiert dem Knaben, dass er unvollkommen ist. Vollkommen ist nur Gott. Und darum weiß der Knabe, dass er demütig sein muss.
In Marokko wird die Psychoanalyse bis heute kaum praktiziert. Das ist nicht erstaunlich: Eine Gesellschaft, der es vor allem darauf ankommt, den Einzelnen ins Kollektiv einzugliedern, kann an der Pflege der Individualität kein allzu großes Interesse haben. Gut möglich, meint Dahan, dass sich das allmählich ändert. Freud selbst war natürlich niemals in Marokko. Dank Dahan reist er aber nun endlich in das Land, zumindest ideell. Denn wenn die Ausstellung im Frühjahr ihre Pforten in Brüssel schließt, wird sie vom Sommer an in Casablanca und Rabat zu sehen sein.
Juden und Muslime - und natürlich auch Christen - lebten und leben in dem Land. Nicht immer harmonisch, doch man arrangierte sich. Politische Mäßigung, das ist für Dahan eines der wichtigsten Kennzeichen einer funktionierenden Religion. Zugleich, meint er, erfüllt sie aber auch ganz andere, ganz wesentliche Aufgaben.
Die Geburt, die Heirat und der Tod. Jede Gesellschaft strukturiert sich auf Grundlage dieser drei Ereignisse. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Übergänge zu regeln, die ja immer auch enorme psychische Belastungen sind. Man ist nicht mehr der Alte, man wird ein neuer Mensch. Das zu verkraften, ist nicht leicht, und so ist es Aufgabe der Religion, zu gewährleisten, dass man heil von der einen Phase des Lebens in die nächste kommt. Die größte Herausforderung liegt natürlich in der Deutung des Todes.
In dieser Fähigkeit aber, und hier folgt Dahan seinem Gewährsmann Sigmund Freud, liegt auch der absolutistische, potentiell totalitäre Charakter der Religion. Nicht nur den fremden Mächten kann der Menschen sich unterwerfen, sondern auch den religiösen Riten, Priestern, Glaubenssätzen. Hier kann sie umschlagen, die Religion, zum Fetisch und darüber gefährlich werden. "Blicke auf die Identität" ist die Ausstellung im Untertitel überschrieben, und der Plural plädiert deutlich und diskret zugleich für ein offenes Religionsverständnis, einen selbstreflexiven Glauben, der nichts so sehr scheut wie die Versuchung des Fundamentalismus.
Das Ziel dieser Ausstellung ist, zu zeigen, dass die Menschen, die einen religiösen oder politischen Extremismus pflegen, einer sehr verengten Weltsicht anhängen, die alles ablehnen, was anders, fremd, unbekannt ist. Darum wollen sie es bekämpfen. Wir hingegen wollen zeigen, wie Unterschiedlichkeit und Fremdheit das eigene Leben bereichert, wie vielseitig Menschen sein können. das ist etwas ganz anderes als sich ausschließlich durch ein einziges Merkmal zu definieren, etwas zu sagen, "Ich bin ausschließlich Jude".
Wie solche Haltungen zwar nicht eingeübt werden müssen, wohl aber eingeübt werden können, zeigen die vielen mit den Riten verbundenen Kultgegenstände, die die Ausstellung zeigt: Das Diadem, das bei der Hochzeit anzulegende Stirnband, die Ayacha,den Gürtel, der bei dieser Gelegenheit zu tragen ist, und natürlich das Henna, mit dem sich sowohl jüdische als auch muslimische Frauen vor der Heirat die Hände schmücken - und sich, so will es der Mythos, durch die Muster zugleich auch schützen. Wie sehr die Religion das Leben der Menschen bestimmt, kann man auch anhand der gezeigten Beschneidungswerkzeuge sehen. Sie erinnern die junge Muslime und Juden schon von jüngsten Jahren an daran erinnern, dass ihnen etwas fehlt, sie nicht vollkommen sind. Das, so Dahan, hat durchaus tieferen Sinn.
In Marokko ist der Ritus bei den Juden wie den Muslimen gleichermaßen ausgeprägt. Seit Jahrhunderten pflegt man die gleichen oder sehr ähnliche Bräuche und Riten. Das gilt etwa für die Beschneidung der Knaben am siebten Tag der Woche. Die Beschneidung signalisiert dem Knaben, dass er unvollkommen ist. Vollkommen ist nur Gott. Und darum weiß der Knabe, dass er demütig sein muss.
In Marokko wird die Psychoanalyse bis heute kaum praktiziert. Das ist nicht erstaunlich: Eine Gesellschaft, der es vor allem darauf ankommt, den Einzelnen ins Kollektiv einzugliedern, kann an der Pflege der Individualität kein allzu großes Interesse haben. Gut möglich, meint Dahan, dass sich das allmählich ändert. Freud selbst war natürlich niemals in Marokko. Dank Dahan reist er aber nun endlich in das Land, zumindest ideell. Denn wenn die Ausstellung im Frühjahr ihre Pforten in Brüssel schließt, wird sie vom Sommer an in Casablanca und Rabat zu sehen sein.