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Jüdische Kultur in Berlin

2005 kam Aviv Russ nach Deutschland. In Israel hatte er schon jahrelang bei verschiedenen Radiosendern gearbeitet. Nun steht er jede Woche beim Offenen Kanal Berlin vor dem Mikrofon - und moderiert auf Deutsch und auf Hebräisch.

Von Dieter Wulf | 11.06.2011
    Jeden Freitag Mittags um Zwölf steht Aviv Russ beim Berliner Offenen Kanal "Alex" live vor dem Mikro. Bei ihm spricht selbst Angela Merkel hebräisch.

    Ein paar Sätze, mit der die Kanzlerin die Abgeordneten des israelischen Parlaments, der Knesset, begrüßt hatte.

    "Ich fand das sehr süß einfach wie Angela Merkel hebräisch gesprochen hat und ich dachte, ich muss unbedingt diesen Satz auch in meine Sendung nutzen, weil es ist auch eine große Ehre für mich, dass ich diese Gelegenheit habe hier in Deutschland, hebräisch zu sprechen und deutsch zu lernen und hier Radio machen."

    Aber damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärt Guido Westerwelle dann:

    "Aber es ist Deutschland hier."

    2005 kam Aviv Russ nach Deutschland. In Israel hatte er schon jahrelang bei verschiedenen Radiosendern gearbeitet.

    "Da habe ich so eine Art Ausbildung, israelische Ausbildung gemacht, ... lernt man einfach alles, moderieren, Redaktion, Produktion, Schnitt, ein bisschen Technik."

    Warum nicht auch hier in Deutschland Radio für die eigenen Landsleute machen, dachte er sich, denn die Zahl der Israelis die vorübergehend oder ständig in Deutschland leben, nehme ständig zu, besonders in Berlin.

    "Man schätzt zwischen 5000 und 15.000. Keiner weiß genau wie viel, weil viele von uns -. wie bei mir - wir haben einen europäischen Pass, das heißt, wir müssen uns nicht anmelden bei Behörden und keiner zählt uns als Israelis."

    Berlin sei bei den Israelis gerade hoch im Kurs, meint Aviv Russ.

    "Die Israelis suchen immer nach einem neuen Trend. Das war immer New York, das war London, jetzt ist es Berlin."

    Besonders nach der dreijährigen Armeezeit gehen viele Israelis erst mal für längere Zeit ins Ausland.

    "Bisher haben viele einen Rucksack genommen und nach Indien gefahren, nach Südamerika gefahren, Thailand. Und jetzt Berlin ist ein alternativer Urlaubsort für junge Israelis. Die haben kein Interesse an dem Dschungel und sie wollen lieber in den Urban-Dschungel, um was zu erleben."

    In den ersten Jahren produzierte Aviv Russ die Sendung ganz auf Hebräisch. Seit 2009 moderiert er hauptsächlich auf Deutsch und fasst die Themen dann noch mal auf hebräisch zusammen. Diesmal ist der Student Alexander Uhlmann mit im Studio.

    "Schalom, Schabat Schalom, Schalom Alex, Kol Berlin bei Alex und mit Alex wieder denselben Witz wenn Du da bist – ein Running Gag – Kol Berlin die deutsch israelische Radiosendung auf 88.4 und Kol Berlin bedeutet auf Deutsch – Stimme Berlins – und wir sind natürlich life aus Berlin."

    Gemeinsam stellen sie auf Deutsch das Buch "Jeder stirbt für sich allein" von Hans Fallada, vor das in Deutschland 1946 und jetzt in Israel auch auf Hebräisch erschienen ist. Danach fasst Aviv Russ für die Hörer alles noch mal auf Hebräisch zusammen.

    Viele Israelis sind nur ein paar Monate, vielleicht ein paar Jahre in Berlin. Gute Deutschkenntnisse haben nur wenige, vermutet der Moderator. Da sei diese deutsch hebräische Sendung umso wichtiger. Außerdem seien die Deutschkurse am Goethe-Institut in Jerusalem und Tel Aviv seit einiger Zeit total ausgebucht. Auch dort höre man seine Sendung übers Internet.

    "Wir bekommen feedback von jungen Leuten, junge Israelis die nach Berlin umziehen wollen und sie lernen jetzt die Sprache zum Beispiel im Goethe-Institut in Tel Aviv und sie nutzen die Sendung, um die Sprache zu verbessern, weil sie hören den hebräischen Teil und danach den deutschen Teil und hören ein bisschen von der Stimmung in Berlin."

    Auch er sei am Anfang skeptisch gewesen. Wie es wohl sei als Israeli in der Stadt, wo Hitler, wie er sagt "seine Arbeit machte". Aber das habe sich bald gegeben. Die Geschichte sei hier eben überall sichtbar, das habe es ihm leichter gemacht. Und auch darüber reden zu können, jeden Freitag, Mittags um zwölf vor dem Mikro.

    "Die Sendung ist für mich auch zu beschreiben als Integrationsprojekt. Wir integrieren unsere Kultur hier in Deutschland und integrieren die deutsche Kultur in Israel."