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Jugendarbeitslosigkeit in Spanien
Viele werden schwer vermittelbar bleiben

Die schlimmsten Zeiten der Wirtschaftskrise scheint Spanien zwar überwunden zu haben, aber die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch - besonders bei den jungen Menschen. Eine feste Anstellung haben nur wenige, viele Verträge werden nur für Monate, Wochen oder sogar wenige Tage abgeschlossen. Und Besserung ist nicht in Sicht.

Von Marc Dugge | 08.08.2016
    Junge Demonstranten sitzen auf einem Platz in Madrid, Spanien. Sie protestieren gegen die Spar- Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik der spanischen Regierung.
    Schon vor Jahren haben junge Spanier gegen die Arbeitsmarktpolitik der Regierung protestiert. Viel verändert hat sich nicht. (dpa/picture alliance/epa/Javier Lizon)
    Besuch in Albacete, einer Stadt im Süden der Region Castilla La Mancha. Eine 170.000-Einwohner-Stadt, die ein spanischer Dichter vor hundert Jahren mal das "New York von La Mancha" genannt hat. Weil Albacete für ihn der Inbegriff der Moderne, der Industriegesellschaft war. Auch heute gibt es hier Industrie, werden etwa Hubschrauber und Messer hergestellt. Aber von der immerwährenden Aufbruchsstimmung einer Stadt wie New York ist Albacete weit entfernt.
    "Im Sommer kann man hier manchmal einen Job finden. Im Tourismus und in der Gastronomie geht was, das sind aber auch die einzigen Bereiche. Und ab September wird’s schwierig", sagt Carlos, 27 Jahre alt. Carlos ist einer der vielen jungen Arbeitslosen der Stadt. Die Wirtschaftskrise hat auch in Albacete Spuren hinterlassen: 2007 waren noch rund zehn Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung als arbeitslos registriert – in den Hochzeiten der Krise waren es knapp 28, heute immerhin noch etwa 21 Prozent. Carlos hat in Spanien Gastgewerbe studiert. Aber keinen Job gefunden.
    Lieber an der Uni bleiben und weiter qualifizieren
    "Ich mache jetzt noch einen zusätzlichen Abschluss und hoffe darauf, dass mir jemand Arbeit anbietet, in der Hotellerie vor allem. Ab und zu bekomme ich einen Anruf, wenn jemand bei einer Feier eine Hilfe braucht. Aber einen festen Job mit einer 40 Stunden-Woche habe ich nicht."
    So wie Carlos geht es vielen jungen Spaniern. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hierzulande so hoch wie kaum irgendwo sonst in Europa. Und wer heute einen Job bekommt, für den sind 800 Euro oft das höchste der Gefühle. Über 90 Prozent der neu abgeschlossenen Verträge sind befristet - teilweise sogar nur für einige Tage, Wochen oder Monate. Manche entscheiden sich daher dafür, lieber noch an der Uni zu bleiben und sich weiterzuqualifizieren. Aber auch ausgebildete Akademiker arbeiten später als Stadtführer, Kellner oder sitzen an der Supermarktkasse. Viele leben von Schwarzarbeit oder von der Hilfe der Familie.
    Kein Wunder, dass sich viele junge Spanier dafür entscheiden, ins Ausland zu gehen. Auch nach Deutschland. In der Hoffnung, später mal einen Job in der Heimat zu bekommen. Diese Hoffnung hatte auch Belén. Sie hat in Deutschland gearbeitet und ist wieder nach Spanien zurückgekehrt. Es war eine harte Landung: "Ich habe so viele Lebensläufe verschickt, so viele Bewerbungsgespräche geführt. Die meisten Jobs waren furchtbar: Schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten, eine Woche Probezeit, und zwar unbezahlt!"
    Keine Profile von Arbeitssuchenden
    Sie hat mittlerweile einen Job gefunden, bei einem Versicherungsunternehmen. Befristet natürlich - und schlecht bezahlt. Aber sie hat einen Job. Das hat sie vielen in ihrem Alter voraus. Dabei gilt auch in Spanien die sogenannte "Jugendgarantie". Wie andere EU-Staaten hatte sich auch Spanien dazu verpflichtet, jungen Menschen unter 25 bei der Jobsuche zu helfen. Innerhalb von vier Monaten nachdem sie die Schule verlassen haben oder arbeitslos geworden sind, soll ihnen eine hochwertige Arbeitsstelle angeboten werden. Oder aber sie sollen sich weiterbilden können, um sich für einen Posten zu qualifizieren.
    Doch bisher sei in Spanien kaum etwas passiert, so der Ökonom Florentino Felgueroso. Auch weil sich Spanien in den Sitzungen in Brüssel kaum einbringe. Und auch im eigenen Land liege beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit vieles im Argen: "Spanien ist das einzige Land, dass keine genauen Profile der Arbeitssuchenden angelegt hat. Wir haben sechs Millionen Arbeitslose, aber wir wissen nicht, was sie können, ob die Nummer zwei auf der Liste leichter anzustellen ist als die Nummer sieben. Wir haben außerdem weniger Jobberater als vor der Krise."
    Dabei würden Jobberater so dringend gebraucht, meint Felgueroso. Aber auch er macht sich keine Illusionen, dass eine ganze Menge junger Menschen schwer vermittelbar bleiben wird. Jene, die die Schule abgebrochen haben, damals im Bauboom, vor der Krise. Als sich auf dem Bau leicht viel Geld verdienen ließ. "Das ist das fetteste Problem von Spanien: Ein Fünftel der 18- bis 24-Jährigen haben nur die schulische Grundbildung genossen. Weil sie die Schule abgebrochen haben - immer noch! Zehn Prozent von ihnen haben noch nicht mal Grundschulniveau. In der Krise waren es sogar 35 Prozent! Ein 18-Jähriger, der so aus der Schule kommt, ist nicht zu vermitteln. Und der hat noch 50 Jahre Arbeitsleben vor sich!"