Heinlein: Die geplante Sondersteuer, so argumentieren ja die Bundesländer, sei nicht ausreichend, um diesen Trend zu stoppen. Sie halten sie für ausreichend?
Hüllinghorst: Ich denke, das muss man doch erst mal probieren. In Deutschland ist das ja noch nie probiert worden, im Bereich Alkohol mit Steuern den Konsum zu reglementieren. Bisher wurden Steuern eingenommen, um den Haushalt zu füllen. Insofern ist das ein Versuch, aber wenn man zum Beispiel auf den Tabak guckt und auf die Einführung der Tabaksteuer oder die Erhöhung, dann merkt man, dass es eine Wirkung auf den Umsatz hat.
Heinlein: Wer will denn diese Sondersteuer verhindern? Ist das auch auf den Einfluss der Getränkeindustrie zurückzuführen oder glauben Sie tatsächlich, es ist nur Parteitaktik der Union?
Hüllinghorst: Nein, es ist natürlich auch die Industrie. Die Diskussion geht doch immer mit der Wirtschaftspolitik, wo argumentiert wird mit Arbeitsplätzen und Agrarerzeugnissen und ähnlichen Dingen und der Gesundheitspolitik, wo wir wissen, Alkohol ist eine der vermeidbaren Ursachen für Krankheit und anderer Folgen. Diese Diskussion ist geführt worden. Man muss auch wissen, dass der Spirituosenumsatz zurückging und dann hat man neue Produkte kreiert, insbesondere für Mädchen. Man hat sie süß gemacht, man hat eine jugendliche Zielgruppe erwischt und hat dadurch den Konsum der Firmen stabilisieren können. Wenn das teurer wird, wird der Konsum zurückgehen und natürlich wird man da versuchen, über seinen eigenen Ministerpräsidenten Einfluss zu nehmen, hier etwas zu ändern.
Heinlein: Also eine Art Einstiegsdroge vor allem für jugendliche Mädchen, die Bier, Wein oder Schnäpse gar nicht mögen?
Hüllinghorst: Ja, wenn Sie schon das Wort Einstiegsdroge verwenden, ich würde noch einen draufsetzen, junge Menschen werden mit diesen Getränken angefixt. Sie merken nicht, dass Alkohol drin ist, es ist süß und es macht ihnen am Anfang auch nicht viel aus, aber sie gewöhnen sich dran. Natürlich wird nicht jeder davon abhängig, aber unser Ziel ist es in den Vorbeugebemühungen den Konsum von Kindern und Jugendlichen zumindest herauszuschieben oder zu reduzieren.
Heinlein: Muss auch der Verkauf dieser Alcopops stärker kontrolliert werden, auch wenn sie jetzt teurer werden? Denn viele Jugendliche kommen ja in den Geschäften durchaus problemlos an diese alkoholhaltigen Limonaden.
Hüllinghorst: Ja, ich glaube schon. Die Verantwortung der Industrie hört doch nicht auf, wo die Sachen verkauft oder aus der Firma geliefert werden, sondern die Verantwortung hört doch erst da auf, wo sie über die Ladentheke gehen. Sie müssen sich das so vorstellen: Jedes Kind und jeder Jugendliche der Suchtmittel konsumiert, konsumiert etwas, das durch die Hände von Erwachsenen gegangen ist. Das muss kontrolliert werden, dafür gibt es Gesetze, aber niemand kümmert sich drum.
Heinlein: Aber wenn jetzt diese Alcopop-Getränke teurer werden, dann können doch Jugendliche einfach einen Umweg nehmen und sich Cola und Limonade kaufen und den mit billigem Fusel mischen, dann hat man auch ähnliche Wirkung.
Hüllinghorst: Das können sie und das machen sie auch, aber Fakt ist, dass vor 1996,1997 der Alkoholkonsum bei Jugendlichen zurückging. Wir hatten eine Tendenz, die war positiv, es wurde weniger getrunken, es war nicht "In", man brauchte den Alkohol in der Menge nicht. Diese Tendenz, weniger Alkohol zu konsumieren bei jungen Menschen ist durch die Alcopops umgedreht worden. Sie geht wieder nach oben, insbesondere bei 15-, 16-, 17-jährigen. Das ist das Problem. Insofern habe ich überhaupt keine Angst, dass jemand umsteigt, sondern wir müssen ein Zeichen setzten, was normal ist und was nicht.
Heinlein: Ist es allein auf diese Alcopop-Getränke zurückzuführen, dass es wieder "In" ist, betrunken zu sein, auf Partys, für Jugendliche?
Hüllinghorst: Ich glaube, das hat noch einen weitere Grund. Ich glaube, dass sich die Trinksitten, ich sage das mal sehr vorsichtig, europäisieren und das beispielsweise dieses exzessive Trinken, wie es zum Beispiel in Irland oder England üblich ist, bei bestimmten Anlässen auch nach Deutschland kommt. Wenn Reiseveranstalter für 23 Euro zusätzlich, all inclusive, Getränke verkaufen bis zum Abwinken und die Menschen sich ausziehen und daneben benehmen, ist das eine neue Tendenz. Die hat mit den Alcopops alleine nichts zu tun, aber das ist ein wichtiger Bestandteil der Jugendkultur.