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Julius H. Schoeps. "Die missglückte Emanzipation. Wege und Irrwege deutsch-jüdischer Geschichte".

Auch der Rückblick des Potsdamer Historikers Julius H. Schoeps auf die "missglückte Emanzipation" ist von einer Optik der "Mitte" bestimmt, einer Optik, die deutsch-jüdische Geschichte nicht nur als jüdische, sondern gleichermaßen auch als Teil der deutschen Geschichte begreift:

Willi Jasper |
    Auch der Rückblick des Potsdamer Historikers Julius H. Schoeps auf die "missglückte Emanzipation" ist von einer Optik der "Mitte" bestimmt, einer Optik, die deutsch-jüdische Geschichte nicht nur als jüdische, sondern gleichermaßen auch als Teil der deutschen Geschichte begreift:

    Die Geschichtswissenschaft benutzt in letzter Zeit die Formel von der `Beziehungsgeschichte´, die besagt, dass Juden und Deutsche auf deutschem Territorium, insbesondere in den letzten drei Jahrhunderten, eine gemeinsame Geschichte hatten, die nicht isoliert oder losgelöst voneinander betrachtet werden kann."

    Wenn man sich vorurteilslos bemühe, so Julius Schoeps, die im 19. Jahrhundert gehegten Hoffungen und Träume, aber auch die Enttäuschungen und Gegnerschaften nachzuvollziehen, könne man sich der Logik der Hegelschen Geschichtsdialektik nicht entziehen. Zwar habe das Bemühen der Juden in Deutschland, "dazugehören zu wollen", nicht automatisch in die Katastrophe führen müssen – aber ganz abwegig sei es nicht, die Emanzipation als These, den modernen Antisemitismus als Gegenthese und den Zionismus als Synthese aufzufassen. Am Beispiel von Theodor Herzls Visionen des Judenstaates gelingt es, die abstrakte Geschichtsformel zu veranschaulichen. In seinem Gründungsmanifest der zionistischen Bewegung äußerte Herzl bereits 1896 die Überzeugung, die Emanzipation der Juden als Integrationsmaßnahme habe versagt, das Streben nach Akkulturation und Assimilation sei ein zum Scheitern verurteilter Irrweg. Aufschlussreich ist dabei der Hinweis, dass Herzls Zionsidee weit mehr den Theorien Hegels und dem nationalstaatlichen Denken des 19. Jahrhunderts verhaftet war als den traditionell-religiösen Überlieferungen des Judentums. Dass wir heute keineswegs den Endzustand der Geschichte erreicht haben, dafür sprechen nicht nur Hegels Logik, sondern auch die politischen Ereignisse.