Dirk Müller: Das alte und das neue Europa - darum geht's? Aber ist diese Formel, diese Reduzierung wirklich auf die jetzigen Verhältnisse in der NATO übertragbar - jener denkwürdige Satz von Donald Rumsfeld. Amerikaner, Briten und auch Kanadier meinen "sehr wohl". Franzosen und Deutsche sagen "alles Unsinn".
Drei Punkte sind umstritten: der Afghanistan-Einsatz, die nächste Erweiterungsrunde des Bündnisses sowie das amerikanische Raketenabwehrsystem. Bei sämtlichen Fragen stellt sich vor allem Deutschland quer, sagen jedenfalls die Kritiker.
Bei uns am Telefon ist nun Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Guten Morgen!
Franz Josef Jung: Guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr Jung, warum wird Berlin wieder zum Nein-Sager?
Jung: Berlin wird nicht zum Nein-Sager und ich bin auch ganz hoffnungsvoll, dass dieser NATO-Gipfel ein Erfolg wird. Denn erstens: Wir werden uns im Hinblick auf Afghanistan auf eine gemeinsame Strategie verständigen können. Das heißt das, was wir "vernetzte Sicherheit" nennen, was wir bereits seit Jahren auch praktizieren, wird jetzt zur Gesamtstrategie der NATO - in der NATO-Sprache "Compliance of approach" genannt. Das heißt, dass Sicherheit, Wiederaufbau und Entwicklung vorangetrieben werden müssen und dass wir insbesondere den Bereich der Ausbildung verstärken - Ausbildung für Streitkräfte, Ausbildung für Polizei -, denn unser Ziel ist es, dass Afghanistan selbst in der Lage ist, für seine Sicherheit zu sorgen. Und ich bin ganz hoffnungsvoll, dass wir einen Konsens erzielen im Hinblick auf diese Gesamtstrategie.
Der zweite Punkt, was die Frage der Erweiterung anbetrifft: Wir sind uns einig im Hinblick auf die Erweiterung Kroatien, Albanien, Mazedonien. Ich denke, dass es noch gelingen wird, hier die Frage des Namensstreites Griechenland/Mazedonien in den Hintergrund treten zu lassen, damit es hier einen gemeinsamen Beschluss geben kann. Und die Frage der Aufnahme oder sprich der nächsten Stufe der MAP, des "Membership Action Plan" für Ukraine und Georgien, ist noch ein Diskussionspunkt, wobei wir nicht das Thema Veto Russland oder so was hier berücksichtigen, sondern die Frage stellen, ist die Voraussetzung schon gegeben für diese nächste Stufe - sowohl für Georgien als auch für Ukraine. Denn man muss bedenken: Die NATO ist eine Institution die Sicherheit gewährt und nicht die sozusagen Staaten aufnimmt, die noch Bedarf haben für Sicherheit. Im Klartext: Wir sind noch in Georgien mit Soldaten. Ich habe ein Mandat des Deutschen Bundestages für 20 Soldaten in Georgien. Wir sind dort im Hinblick auf die Unterstützung der UNO-Mission mit Sanitätern auch sehr konkret tätig. Deshalb glauben wir, dass es noch ein Stück Zeit bedarf, um letztlich zu diesem Schritt der MAP zu kommen. Aber wir sind gemeinsam der Auffassung, wir brauchen eine klare Perspektive auch für Ukraine und für Georgien im Hinblick auf die Aufnahme in die NATO.
Müller: Wenn wir jetzt bei diesem Thema Ukraine bleiben. Die Washingtoner Seite sagt ganz klar Ja, Moskau sagt Nein, die Bundesrepublik sagt auch Nein. Sie haben gerade die Argumentation ausgeführt, die nicht für alle in der Gänze überzeugend ist und vor allen Dingen nicht in der Substanz. Seit wann ist Moskau der Maßstab für die deutsche Außenpolitik?
Jung: Es geht nicht um das Thema Maßstab Moskau, sondern es geht um die Frage, ob nach einem entsprechenden Stufenprozess jetzt Ukraine und Georgien schon in die nächste Stufe dieses MAP kommen sollen, um damit die Aufnahmeperspektive relativ kurzfristig zu erhalten. Sie wissen, dass beispielsweise die ukrainische Bevölkerung mehrheitlich gegen eine derartige Aufnahme in die NATO ist.
Müller: Das waren andere Bevölkerungen aber auch schon!
Jung: Ich habe gerade gesagt, in Georgien sind wir noch mit Truppen. Deshalb glauben wir, dass es hier noch ein Stück Zeit bedarf. Aber wir wollen für beide Nationen eine Perspektive für die NATO selbstverständlich eröffnen.
Müller: Wie sieht diese Perspektive aus?
Jung: Die Perspektive sieht so aus, dass wir in der Zeitabfolge selbstverständlich auch für Ukraine und auch Georgien eine Aufnahme in die NATO sehen, dass wir aber der Auffassung sind, dass es noch etwas mehr Zeit braucht, um genau die Voraussetzungen zu schaffen, dass Georgien und auch die Ukraine letztlich mit dazu beitragen kann, Sicherheit zu gewähren, und nicht wie beispielsweise in Georgien noch eine UNO-Mission notwendig ist, um hier Sicherheit zu gewährleisten.
Müller: Aber es gab ja, Herr Jung, in anderen Fällen auch in der Vergangenheit schon häufiger das Argument, dieses Mitglied aufzunehmen, diesen Kandidaten aufzunehmen, um dort zu demokratisieren und auch systemstabilisierend zu wirken.
Jung: Dieses Argument ist mit Sicherheit richtig und auch zu berücksichtigen, aber wir haben noch keine Nation in die NATO aufgenommen, wo noch Truppen der NATO-Staaten in dieser Nation tätig waren, um dort für Stabilität und friedliche Entwicklung zu sorgen.
Müller: Aber die NATO-Truppen wären ja die richtigen Truppen?
Jung: Ja langsam! Wir sind in Georgien, habe ich gerade eben gesagt, mit Truppen noch und wer in die NATO aufgenommen werden will, muss Sicherheit gewährleisten können und muss nicht Sicherheitsempfänger sein. Das ist denke ich der entscheidende Punkt und hierüber sollten wir uns verständigen. Ich bin aber ganz hoffnungsvoll, dass dies auch gelingt, denn wir sind gemeinsam der Auffassung, dass wir eine Perspektive für die NATO für diese beiden Nationen gewährleisten sollen.
Müller: Das russische Veto spielt demnach, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Jung, keine Rolle?
Jung: So ist es!
Müller: Auch in anderen Fragen spielt das russische Veto keine Rolle?
Jung: Nein! Wir sind als NATO hier sehr einig im Hinblick auf das Thema Gesamtstrategie Afghanistan. Wir sind einig in der Aufnahme der drei Balkanstaaten, auch im Hinblick auf die nächste Stufe, beispielsweise für Bosnien-Herzegowina oder für Montenegro -, aber auch die Perspektive der offenen Tür - beispielsweise für Serbien. Die Frage Ukraine, Georgien habe ich gerade eben erwähnt. Aber auch in den anderen Fragen bin ich recht hoffnungsvoll, dass wir hier zu einem gemeinsamen Konsens kommen. Natürlich wird es noch im einen oder anderen Punkt Diskussionen geben, aber letztlich wird es auch beispielsweise bei dem Thema Raketenabwehr einen Konsens in der NATO diesbezüglich geben, dass es unser Ziel ist, hier mit Russland zu einer Übereinstimmung im NATO-Russland-Rat zu kommen, denn wir wollen eine Schutzfunktion für die Bevölkerung insgesamt und wir wollen hier nicht zu einer Spaltung kommen.
Müller: Eine Übereinstimmung beim amerikanischen Raketenabwehrsystem sagen Sie, die wird kommen. Sieht die dann definitiv so aus, dass diese Raketen auch stationiert werden?
Jung: Uns geht es darum, dass es hier nicht zu einer Spaltung kommt, dass hier das amerikanische System möglichst verbunden werden kann mit einem System der NATO, um sozusagen eine einheitliche Schutzfunktion für Europa zu haben und nicht eine Spaltung Europas oder der NATO-Staaten. Und zweitens, dass wir im NATO-Russland-Rat eine Übereinstimmung erzielen, damit hier nicht gegenseitige Positionen aufgebaut werden, sondern ein gemeinsames Sicherheitsinteresse gesehen wird - auch von Seiten Russlands. Hier werden ja noch die Diskussionen geführt, aber ich bin auch in dem Punkt ganz hoffnungsvoll, dass es hier zu einer Verständigung auch mit Russland im NATO-Russland-Rat kommen kann.
Müller: Herr Jung, aber wenn es zu einer Spaltung innerhalb der NATO führen würde, dann würde das ja bedeuten, dass der Grund dafür ist, dass es keine Notwendigkeit gibt aus deutscher Sicht für diese Stationierung.
Jung: Langsam! Wir wollen genau keine Spaltung Europas und der NATO. Bisher ist das System so konzipiert, dass Teile Europas nicht davon abgedeckt sind. Deshalb denke ich ist es richtig, wenn wir hier darüber sprechen, eine NATO-Ergänzung, wenn ich das so formulieren darf, vorzunehmen, um eine gesamte Schutzfunktion für Europa und für die NATO zu erstellen. Das ist der Punkt, um den es geht, und dann geht es um die Abstimmung mit Russland.
Müller: Wie wichtig sind die Milliarden, die dafür ausgegeben werden müssen?
Jung: Die NATO ist zurzeit dabei, entsprechende Untersuchungen noch vorzunehmen, die dann auch zu der Frage finanzielle Erfordernisse Antwort geben. Diese Untersuchungen liegen noch nicht vor.
Müller: Aber die Bundesregierung wird Geld bereitstellen?
Jung: Die Bundesregierung ist der Meinung, dass wir in einer Gesamtkonzeption gefordert sind, Schutzfunktion für unsere Bevölkerung auch im Hinblick auf diese Herausforderung aufzubauen. Es geht hier um Herausforderungen, die sich auf das Jahr 2014 konzentrieren. Und wenn ich einmal einen Vergleich wählen darf? Sie können sich vielleicht erinnern, als damals der Irak SCUT-Raketen auf Israel abgeschossen hat, wie froh man war, dass man PATRIOT-Raketen in Israel hatte, um diese entsprechend zu entschärfen. Ich glaube es geht darum, eine Schutzfunktion für unsere Bevölkerung aufzubauen und dies im Konsens in der NATO, aber auch mit dem NATO-Russland-Rat.
Müller: Herr Jung, um das noch einmal festzuhalten. Für viele war das ja in den vergangenen Wochen und Monaten nicht immer so ganz klar. Sie unterstützen eindeutig ein neues Raketenabwehrsystem in irgendeiner Form amerikanischer Bauart, aber es muss sich taktisch-strategisch noch etwas weiter ausdehnen und verändern?
Jung: Wir sind für eine gesamte Schutzfunktion, auch im Hinblick auf die Raketenabwehr, gemeinsam mit den Amerikanern und der NATO, die abgestimmt ist im NATO-Russland-Rat, also auch die Zustimmung Russlands bekommt, um unsere Bevölkerung vor derartigen Angriffen in Zukunft schützen zu können.
Müller: George Bush ist zum letzten Mal dabei. Ist das gut für die NATO?
Jung: Ich denke der amerikanische Präsident - und dafür bin ich ihm sehr dankbar - hat noch einmal sehr deutlich gemacht, welchen hervorragenden Beitrag die Bundesrepublik Deutschland leistet zur Stabilität und friedlichen Entwicklung - beispielsweise auch in Afghanistan - und im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung. Er hat hier die entsprechende Unterstützung wie ich finde auch verdient. Es ist das letzte Mal, dass er in seiner Präsidentschaft an einem solchen Gipfel teilnimmt - übrigens auch der russische Präsident das letzte Mal in dieser Funktion -, und von daher werden wir uns dann auf neue Persönlichkeiten einzustellen haben.
Müller: Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Jung: Sehr gerne. Auf Wiederhören Herr Müller!
Drei Punkte sind umstritten: der Afghanistan-Einsatz, die nächste Erweiterungsrunde des Bündnisses sowie das amerikanische Raketenabwehrsystem. Bei sämtlichen Fragen stellt sich vor allem Deutschland quer, sagen jedenfalls die Kritiker.
Bei uns am Telefon ist nun Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Guten Morgen!
Franz Josef Jung: Guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr Jung, warum wird Berlin wieder zum Nein-Sager?
Jung: Berlin wird nicht zum Nein-Sager und ich bin auch ganz hoffnungsvoll, dass dieser NATO-Gipfel ein Erfolg wird. Denn erstens: Wir werden uns im Hinblick auf Afghanistan auf eine gemeinsame Strategie verständigen können. Das heißt das, was wir "vernetzte Sicherheit" nennen, was wir bereits seit Jahren auch praktizieren, wird jetzt zur Gesamtstrategie der NATO - in der NATO-Sprache "Compliance of approach" genannt. Das heißt, dass Sicherheit, Wiederaufbau und Entwicklung vorangetrieben werden müssen und dass wir insbesondere den Bereich der Ausbildung verstärken - Ausbildung für Streitkräfte, Ausbildung für Polizei -, denn unser Ziel ist es, dass Afghanistan selbst in der Lage ist, für seine Sicherheit zu sorgen. Und ich bin ganz hoffnungsvoll, dass wir einen Konsens erzielen im Hinblick auf diese Gesamtstrategie.
Der zweite Punkt, was die Frage der Erweiterung anbetrifft: Wir sind uns einig im Hinblick auf die Erweiterung Kroatien, Albanien, Mazedonien. Ich denke, dass es noch gelingen wird, hier die Frage des Namensstreites Griechenland/Mazedonien in den Hintergrund treten zu lassen, damit es hier einen gemeinsamen Beschluss geben kann. Und die Frage der Aufnahme oder sprich der nächsten Stufe der MAP, des "Membership Action Plan" für Ukraine und Georgien, ist noch ein Diskussionspunkt, wobei wir nicht das Thema Veto Russland oder so was hier berücksichtigen, sondern die Frage stellen, ist die Voraussetzung schon gegeben für diese nächste Stufe - sowohl für Georgien als auch für Ukraine. Denn man muss bedenken: Die NATO ist eine Institution die Sicherheit gewährt und nicht die sozusagen Staaten aufnimmt, die noch Bedarf haben für Sicherheit. Im Klartext: Wir sind noch in Georgien mit Soldaten. Ich habe ein Mandat des Deutschen Bundestages für 20 Soldaten in Georgien. Wir sind dort im Hinblick auf die Unterstützung der UNO-Mission mit Sanitätern auch sehr konkret tätig. Deshalb glauben wir, dass es noch ein Stück Zeit bedarf, um letztlich zu diesem Schritt der MAP zu kommen. Aber wir sind gemeinsam der Auffassung, wir brauchen eine klare Perspektive auch für Ukraine und für Georgien im Hinblick auf die Aufnahme in die NATO.
Müller: Wenn wir jetzt bei diesem Thema Ukraine bleiben. Die Washingtoner Seite sagt ganz klar Ja, Moskau sagt Nein, die Bundesrepublik sagt auch Nein. Sie haben gerade die Argumentation ausgeführt, die nicht für alle in der Gänze überzeugend ist und vor allen Dingen nicht in der Substanz. Seit wann ist Moskau der Maßstab für die deutsche Außenpolitik?
Jung: Es geht nicht um das Thema Maßstab Moskau, sondern es geht um die Frage, ob nach einem entsprechenden Stufenprozess jetzt Ukraine und Georgien schon in die nächste Stufe dieses MAP kommen sollen, um damit die Aufnahmeperspektive relativ kurzfristig zu erhalten. Sie wissen, dass beispielsweise die ukrainische Bevölkerung mehrheitlich gegen eine derartige Aufnahme in die NATO ist.
Müller: Das waren andere Bevölkerungen aber auch schon!
Jung: Ich habe gerade gesagt, in Georgien sind wir noch mit Truppen. Deshalb glauben wir, dass es hier noch ein Stück Zeit bedarf. Aber wir wollen für beide Nationen eine Perspektive für die NATO selbstverständlich eröffnen.
Müller: Wie sieht diese Perspektive aus?
Jung: Die Perspektive sieht so aus, dass wir in der Zeitabfolge selbstverständlich auch für Ukraine und auch Georgien eine Aufnahme in die NATO sehen, dass wir aber der Auffassung sind, dass es noch etwas mehr Zeit braucht, um genau die Voraussetzungen zu schaffen, dass Georgien und auch die Ukraine letztlich mit dazu beitragen kann, Sicherheit zu gewähren, und nicht wie beispielsweise in Georgien noch eine UNO-Mission notwendig ist, um hier Sicherheit zu gewährleisten.
Müller: Aber es gab ja, Herr Jung, in anderen Fällen auch in der Vergangenheit schon häufiger das Argument, dieses Mitglied aufzunehmen, diesen Kandidaten aufzunehmen, um dort zu demokratisieren und auch systemstabilisierend zu wirken.
Jung: Dieses Argument ist mit Sicherheit richtig und auch zu berücksichtigen, aber wir haben noch keine Nation in die NATO aufgenommen, wo noch Truppen der NATO-Staaten in dieser Nation tätig waren, um dort für Stabilität und friedliche Entwicklung zu sorgen.
Müller: Aber die NATO-Truppen wären ja die richtigen Truppen?
Jung: Ja langsam! Wir sind in Georgien, habe ich gerade eben gesagt, mit Truppen noch und wer in die NATO aufgenommen werden will, muss Sicherheit gewährleisten können und muss nicht Sicherheitsempfänger sein. Das ist denke ich der entscheidende Punkt und hierüber sollten wir uns verständigen. Ich bin aber ganz hoffnungsvoll, dass dies auch gelingt, denn wir sind gemeinsam der Auffassung, dass wir eine Perspektive für die NATO für diese beiden Nationen gewährleisten sollen.
Müller: Das russische Veto spielt demnach, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Jung, keine Rolle?
Jung: So ist es!
Müller: Auch in anderen Fragen spielt das russische Veto keine Rolle?
Jung: Nein! Wir sind als NATO hier sehr einig im Hinblick auf das Thema Gesamtstrategie Afghanistan. Wir sind einig in der Aufnahme der drei Balkanstaaten, auch im Hinblick auf die nächste Stufe, beispielsweise für Bosnien-Herzegowina oder für Montenegro -, aber auch die Perspektive der offenen Tür - beispielsweise für Serbien. Die Frage Ukraine, Georgien habe ich gerade eben erwähnt. Aber auch in den anderen Fragen bin ich recht hoffnungsvoll, dass wir hier zu einem gemeinsamen Konsens kommen. Natürlich wird es noch im einen oder anderen Punkt Diskussionen geben, aber letztlich wird es auch beispielsweise bei dem Thema Raketenabwehr einen Konsens in der NATO diesbezüglich geben, dass es unser Ziel ist, hier mit Russland zu einer Übereinstimmung im NATO-Russland-Rat zu kommen, denn wir wollen eine Schutzfunktion für die Bevölkerung insgesamt und wir wollen hier nicht zu einer Spaltung kommen.
Müller: Eine Übereinstimmung beim amerikanischen Raketenabwehrsystem sagen Sie, die wird kommen. Sieht die dann definitiv so aus, dass diese Raketen auch stationiert werden?
Jung: Uns geht es darum, dass es hier nicht zu einer Spaltung kommt, dass hier das amerikanische System möglichst verbunden werden kann mit einem System der NATO, um sozusagen eine einheitliche Schutzfunktion für Europa zu haben und nicht eine Spaltung Europas oder der NATO-Staaten. Und zweitens, dass wir im NATO-Russland-Rat eine Übereinstimmung erzielen, damit hier nicht gegenseitige Positionen aufgebaut werden, sondern ein gemeinsames Sicherheitsinteresse gesehen wird - auch von Seiten Russlands. Hier werden ja noch die Diskussionen geführt, aber ich bin auch in dem Punkt ganz hoffnungsvoll, dass es hier zu einer Verständigung auch mit Russland im NATO-Russland-Rat kommen kann.
Müller: Herr Jung, aber wenn es zu einer Spaltung innerhalb der NATO führen würde, dann würde das ja bedeuten, dass der Grund dafür ist, dass es keine Notwendigkeit gibt aus deutscher Sicht für diese Stationierung.
Jung: Langsam! Wir wollen genau keine Spaltung Europas und der NATO. Bisher ist das System so konzipiert, dass Teile Europas nicht davon abgedeckt sind. Deshalb denke ich ist es richtig, wenn wir hier darüber sprechen, eine NATO-Ergänzung, wenn ich das so formulieren darf, vorzunehmen, um eine gesamte Schutzfunktion für Europa und für die NATO zu erstellen. Das ist der Punkt, um den es geht, und dann geht es um die Abstimmung mit Russland.
Müller: Wie wichtig sind die Milliarden, die dafür ausgegeben werden müssen?
Jung: Die NATO ist zurzeit dabei, entsprechende Untersuchungen noch vorzunehmen, die dann auch zu der Frage finanzielle Erfordernisse Antwort geben. Diese Untersuchungen liegen noch nicht vor.
Müller: Aber die Bundesregierung wird Geld bereitstellen?
Jung: Die Bundesregierung ist der Meinung, dass wir in einer Gesamtkonzeption gefordert sind, Schutzfunktion für unsere Bevölkerung auch im Hinblick auf diese Herausforderung aufzubauen. Es geht hier um Herausforderungen, die sich auf das Jahr 2014 konzentrieren. Und wenn ich einmal einen Vergleich wählen darf? Sie können sich vielleicht erinnern, als damals der Irak SCUT-Raketen auf Israel abgeschossen hat, wie froh man war, dass man PATRIOT-Raketen in Israel hatte, um diese entsprechend zu entschärfen. Ich glaube es geht darum, eine Schutzfunktion für unsere Bevölkerung aufzubauen und dies im Konsens in der NATO, aber auch mit dem NATO-Russland-Rat.
Müller: Herr Jung, um das noch einmal festzuhalten. Für viele war das ja in den vergangenen Wochen und Monaten nicht immer so ganz klar. Sie unterstützen eindeutig ein neues Raketenabwehrsystem in irgendeiner Form amerikanischer Bauart, aber es muss sich taktisch-strategisch noch etwas weiter ausdehnen und verändern?
Jung: Wir sind für eine gesamte Schutzfunktion, auch im Hinblick auf die Raketenabwehr, gemeinsam mit den Amerikanern und der NATO, die abgestimmt ist im NATO-Russland-Rat, also auch die Zustimmung Russlands bekommt, um unsere Bevölkerung vor derartigen Angriffen in Zukunft schützen zu können.
Müller: George Bush ist zum letzten Mal dabei. Ist das gut für die NATO?
Jung: Ich denke der amerikanische Präsident - und dafür bin ich ihm sehr dankbar - hat noch einmal sehr deutlich gemacht, welchen hervorragenden Beitrag die Bundesrepublik Deutschland leistet zur Stabilität und friedlichen Entwicklung - beispielsweise auch in Afghanistan - und im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung. Er hat hier die entsprechende Unterstützung wie ich finde auch verdient. Es ist das letzte Mal, dass er in seiner Präsidentschaft an einem solchen Gipfel teilnimmt - übrigens auch der russische Präsident das letzte Mal in dieser Funktion -, und von daher werden wir uns dann auf neue Persönlichkeiten einzustellen haben.
Müller: Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
Jung: Sehr gerne. Auf Wiederhören Herr Müller!