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Jung, schön und liebenswert

Morgen jährt sich der 200. Todestag von Königin Luise. Sie war die populärste Frau in der Geschichte Preußens, eine frühe Lady Di. Ob sie blond oder brünett war, weiß niemand so genau. Ihre Lieblingsorte aber sind bekannt – und huldigen der Königin in diesem Jahr ganz besonders.

Von Wolf-Sören Treusch |
    Schrill klingt der Schrei des Pfaus, und stolz promeniert der eigensinnige Prachtvogel an den Besuchern vorbei. Kein bisschen schert er sich um die skurrilen Kunstwerke, die seit einigen Wochen die Berliner wie einst ihre Königin auf die Pfaueninsel locken. Vor dem Kavaliershaus steht eine einsame Parkbank. Wer sich darauf setzt, hat einen wunderbaren Blick auf die Havel und hinüber nach Potsdam.

    Die Sache hat nur einen Haken: nach genau einer Minute entwickelt die Bank ein Eigenleben. Sie kippt den Besucher sanft von der Sitzfläche.

    "Es ist kein Scherz, aber da sind Bauteile von der Ariane-5-Rakete drin. Es ist sehr leise, sehr unauffällig, wenn Sie jetzt sich wieder hinsetzen würden, dann geht sie wieder hoch, man kann auf dieser Bank definitiv nicht länger als eine Minute sitzen, das ist das Entscheidende."

    Der Besucher soll ins Grübeln kommen: über sich und seine Sehnsucht danach, mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens zu haben. Christian Engelmann aus München hat die Bank entwickelt.

    "Sie stand mal vier Tage im Englischen Garten, und ich habe einen Manager davon abbringen müssen, die Bank zu zerstören. Der hatte offensichtlich einen schlechten Vormittag, hatte sich einen Sandwich und eine Dose Bier gekauft und wollte eine halbe Stunde Auszeit nehmen und hat die falsche Bank erwischt und dann einen Koller gekriegt. Und ich musste ihn wirklich davon abbringen, die Bank zu zerstören, und auch durch die Erklärung hat er sich nicht wirklich runter bringen lassen. Der war wirklich sauer, dass er nicht mal mehr eine Minute auf einer Parkbank verbringen kann."

    Die Pfaueninsel ist einer der beschaulichsten Orte Berlins. Der Gegenort zum Großstadtleben. Nicht umsonst einer der Lieblingsorte von Königin Luise. Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

    "Die Pfaueninsel ist ein früher Vergnügungspark. Denn Luise war ja ein junges Ding, jung verhuscht, wie sie hier genannt wurde, und hat also gern sich vergnügt mit ihren Freundinnen am preußischen Hof und der ganzen Familie, und dazu war die Pfaueninsel gut geeignet, bisschen ab vom Schuss, da konnte man wirklich frei der Etikette, denn die gab es damals reichlich, sich erholen und vergnügen, und wir haben zeitgenössische Künstler eingeladen, ihre Sicht auf diese Orte zu präsentieren, und so gibt es eine ganze Menge zu entdecken, ausruhen ist auch immer ein aktiver Prozess, das wird da besonders deutlich."

    Königin Luise zum Beispiel kegelte gern. Unter den alten Eichen der Insel räumte sie alle Neune ab. Ob sich der Bildhauer Robert Stieve davon inspirieren ließ? Er entwarf 100 überdimensionale Beton-Eicheln und verteilte sie wie zufällig unter die alten Bäume.

    "Es macht ja auch gerade Spaß, mit diesen übergroßen Eicheln, die eben auch diese Betonfarbe haben, das ist ja auch das Konzept auf der Pfaueninsel, das hier auch sehr viel Totholz belässt, man sieht hier ganz tolle alte Bäume, die gestorben sind und die mit der Zeit, wenn die Rinde durch Wind und Witterung abgeblättert ist, fast einen ähnlichen Farbton kriegen, von daher finde ich das ein ganz interessantes Spiel, was da so einsetzt."

    Auch die Beiträge der anderen Künstler schwanken zwischen poetischer Randnotiz und freier Assoziation. "Die Inselwelt der Königin" ist eine von drei zentralen Ausstellungen, die die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten im Jahr des 200. Todestages von Königin Luise ausrichtet. Ab 31. Juli gibt es in Schloss Paretz "Die Kleider der Königin" zu sehen, eine Ausstellung über das Modebewusstsein der jungen Luise. Sie besaß so viele Kleider, dass sie sie mehrmals täglich wechselte, um alle einmal anziehen zu können. Und im Berliner Schloss Charlottenburg lief bis Ende Mai eine Ausstellung zu "Leben und Mythos der Königin". Mit großem Erfolg: mehr als 60.000 Besucher fanden den Weg ins Schloss.

    Ein Höhepunkt der Ausstellung war die Luisenwohnung im Neuen Flügel. Dank einer kürzlich wieder entdeckten Inventarliste von 1810 konnte sie nahezu originalgetreu rekonstruiert und mit dem alten Mobiliar wieder eingerichtet werden. Stiftungsmitarbeiterin Carola Zimmermann.

    "Luise hat hier vor allen Dingen ihre Porzellane aufbewahrt, und zwar auf sehr vielen kleinen Servanten und kleinen Tischen und Tripiettes, wie man sagt: kleine Tische auf drei Beinen, und die waren wirklich voll gestellt mit Porzellan aus der KPM, Tassen und vor allen Dingen auch Zuckerdosen, wir haben den Hinweis auf acht Zuckerdosen, was auch tief blicken lässt auf eventuelle Schwächen der Königin, ja, und damit war hier dieses Zimmer im Grunde genommen gefüllt, auch mit anderen kleinen Erinnerungsstücken, die wir, soweit wir sie noch haben, hier auch gerne wieder hinstellen."

    Die Luisenwohnung ist weiterhin zu besichtigen. Ebenso wie die letzte Ruhestätte der Königin im Charlottenburger Schlossgarten: das Mausoleum. Es wurde umfassend restauriert. Die Sarkophagskulptur von Christian Daniel Rauch erstrahlt in neuem Glanz. Der Kunsthistoriker Philipp Demandt.

    "Rauch hat über mehrere Monate, das ist gut dokumentiert, unter den Augen des Witwers, was keine einfache Aufgabe gewesen ist, diese Sarkophag-Skulptur modelliert, wir sehen Luise auf ausdrücklichen Wunsch Friedrich Wilhelms des Dritten in einem hauchdünnen Gewand, das sich fast wie nass über diesen Körper legt, alle ihre Formen sind sichtbar, es ist eigentlich eine unglaublich erotische Ausstrahlung, ein großer sinnlicher Reiz, der aus dieser Figur hervorkommt, sie ist auch nicht als Tote dargestellt, sondern als Schlafende. Eigentlich eine schlafende Göttin."

    Auf der Spurensuche nach Luises Lieblingsorten landet man unwillkürlich wieder auf der Pfaueninsel. Ausstellungskurator Michael Lukas meint, genau hier Luises "spirit" entdeckt zu haben.

    "Ich glaube, dass der Geist der Weltflucht durchaus auch nach wie vor durch diese Insel spricht. 17 Jahre lang gab es permanent Koalitionskriege. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen haben sie sehr beansprucht, und ich glaube, für sie war das wie ein Arkadien hier: sie wollte einfach nur weg und die Dinge auch vergessen."

    Er selbst hat einen riesigen Kunststoffbelag entworfen, eine Art 'fliegenden Teppich', der mitten auf der Wiese gelandet ist. Er symbolisiere, so Michael Lukas, die Sehnsucht der Königin, aus dem Alltag auszusteigen.

    Bis Ende Oktober kann man sich noch anschauen, auf welch unterschiedliche Art und Weise die Künstler sich vom Mythos Königin Luises haben inspirieren lassen.