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Jung und ausgebrannt

Astronomie. - Fast täglich entdecken die Astronomen irgendwo im All eine Supernova, eine helle Sternexplosion. Was genau bei einer Supernova passiert, ist den Forschern ein Rätsel. Klar ist nur, dass es mindestens zwei grundverschiedene Mechanismen gibt, die einen Stern explodieren lassen. Über Supernovae und ihre Rätsel diskutierten bis heute 100 Experten aus aller Welt auf einem von zwei Max-Planck-Instituten und der Europäischen Südsternwarte veranstalteten Workshop in Garching.

    Von Dirk Lorenzen

    "Kurz, aber heftig" lautet das Lebensmotto massereicher Sterne. Hat ein Stern etwa zehnmal so viel Masse wie die Sonne, strahlt er enorm hell - dafür ist aber auch schon nach einigen zehn Millionen Jahren Schluss. Zunächst verbrennt so ein Stern ganz normal - wie die Sonne auch - im Innern Wasserstoff zu Helium. Ist der Wasserstoff verbraucht, wird Helium zu Kohlenstoff verbrannt, Kohlenstoff schließlich zu Sauerstoff - und so geht es über Silizium und Magnesium weiter bis zum Eisen. Dann sitzt der Stern in der Falle - denn Eisen lässt sich nicht mehr verbrennen und die Ereignisse überschlagen sich, erklärt Hans-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching:

    Diese Brennphasen, die am Ende des Sternlebens ablaufen, vollziehen sich in wenigen Tagen beziehungsweise sogar nur Stunden Dauer. Das Silizium-Brennen selbst läuft in weniger als einem Tag ab und bildet dann im Inneren des Sternes den Eisenkern. Dieser Eisenkern kann nicht beliebig groß werden. Der wird instabil, sobald seine Masse eine bestimmte Grenzmasse erreicht hat und kollabiert, um einen Neutronenstern zu bilden.

    Ein Neutronenstern hat mehr Masse als die Sonne, ist aber nur etwa 20 Kilometer groß - in ihm ist die Materie also extrem dicht gepackt. Nur der Eisenkern wird zum Neutronenstern - die restlichen etwa 90 Prozent der Sternmasse fliegen in einer gewaltigen Explosion nach außen. Die Astronomen sehen das alle helle Supernova. Allerdings ist dann die tatsächliche Explosion schon vorbei. Den Forschern bleibt nur der Blick auf die leuchtenden Reste.

    Um aus dieser Information Rückschlüsse zu ziehen auf die Vorgänge, die bei der Explosion und möglicherweise auch in den letzten Sekunden vor der Explosion abgelaufen sind, brauchen wir theoretische Modelle. Wir müssen also mit diesen theoretischen Modellen sozusagen zurück rechnen aus den beobachteten Eigenschaften der Explosion auf das, was im tiefsten Innern des explodierten Sterns vor sich gegangen ist.

    Und da scheinen Neutrinos die überragende Rolle zu spielen. Sie enthalten 99 Prozent der beim Kollaps des Sterns frei gesetzten Energie. Nur ein Prozent geht in die Explosion, davon wiederum nur ein Prozent in sichtbares Licht. Die Astronomen sehen also nur die Spitze des Eisbergs - und rätseln bis heute, was genau die Explosion antreibt.

    Neutrinos sind geisterhafte Teilchen, die praktisch ungestört durch Materie hindurchgehen und sich nur mit viel Aufwand nachweisen lassen. Dennoch sind sie die große Hoffnung der Astronomen, denn Neutrinos tragen wirklich Informationen aus dem Zentrum der Explosion - wie vielleicht auch Gravitationswellen, winzige Störungen in Raum und Zeit, die laut Theorie bei der Entstehung eines Neutronensterns auftreten.

    Die Supernova-Forscher stecken in der Klemme: Das Licht ist zwar fast durch das ganze All zu sehen - enthält aber kaum Informationen über die Sternexplosion selbst. Neutrinos und Gravitationswellen kommen aus dem Zentrum der Explosion, sind aber bei den weit entfernten Objekten, mit denen es die Astronomen in jeder Nacht zu tun haben, auf der Erde nicht mehr nachzuweisen. So haben Hans-Thomas Janka und seine Kollegen alle einen Traum: Eine Supernova bei uns zu Hause, mitten in unserer Milchstraße...

    Wir müssten einen ungeheuren Glücksfall haben, wenn wir in unserer Lebenszeit tatsächlich eine galaktische Supernova-Explosion finden können. Das Interessante dabei ist, man müsste diese Supernova nicht einmal sehen können. Die könnte sich auch hinter Staub in unserer eigenen Galaxie verbergen. Wir würden diese Supernova aber über die detektierten Neutrinos und möglicherweise Gravitationswellen eindeutig nachweisen können. Und allein Neutrinos und Gravitationswellen wären schon eine ganz spektakuläre Beobachtung, mit deren Hilfe sowohl die Astrophysiker wie auch Teilchenphysiker und Kernphysiker eine Unmenge neuer Informationen gewinnen würden.

    Also: Daumen drücken und warten - wer weiß, vielleicht treffen gerade jetzt die Lichtstrahlen und Neutrinos einer heimischen Supernova bei uns ein. Bald gibt es sicher wieder eine. Und bald heißt bei den Astronomen morgen, übermorgen oder in tausend Jahren.