In Hörweite des Mainzer Hauptbahnhofes liegt das Heinrich-Egli-Haus. Das ist schlichter, dreistöckiger Bau aus den 1960er-Jahren. 20 Übernachtungsmöglichkeiten für wohnungslose Männer in einer Herberge gibt es hier, Essen und neue Kleidung für Menschen, die auf der Straße leben. Dazu kommen weitere 50 Einzelzimmer, in denen Obdachlose leben, die wieder ein Leben mit Wohnung und Arbeit anstreben. "Wiedereingliederung" heißt das im Amtsdeutsch. Eine Chance, die Christian Natzinger nutzt. Er war 18 Jahre alt, als er ins Heinrich-Egli-Haus kam:
"Ich komme aus einer zerrütteten Familie. Wir hatten eigentlich nie einen großen Familienzusammenhalt. Ich hatte das Problem, dass ich mit meiner Mutter eigentlich schon von Geburt an alleine zusammengelebt habe. Sie hat dann von der Klinik gesagt gekriegt, dass sie Krebs hat. Hat dann auch in einer schwerwiegenden Operation den Krebs entfernen lassen, das war Darmkrebs. Sie ist dann in einer Nachtoperation wegen Komplikationen gestorben. Und das hat mich dann komplett aus der Bahn geworfen."
Christian Natzinger kam nicht allein klar. Weil sich niemand um ihn kümmerte, begann für den 18-Jährigen die wohl schlimmste Phase seines Lebens:
"Da war ich auf einmal dann alleine, ohne wirklich zu wissen, was soll ich tun. Ich stand dann da und war heillos dem Chaos ausgeliefert. Ach von der Familie her, da ist nicht so ein Zusammenhalt entstanden, so wir müssen da irgendwas machen oder so was. Ich war wirklich komplett alleine. Und habe dann mehr oder weniger ein drei viertel Jahr rumvegetiert. Also es war nicht wirklich leben, das waren Zustände, es war wie ein Rattenloch, kann man sagen. Es war Müll überall, ich habe in Müllbergen gelebt."
Das Mainzer Heinrich-Egli-Haus war für Christian Natzinger die Rettung. Die evangelische Obdachloseneinrichtung ist kein Paradies, doch hier wirkt alles sauber und klar gegliedert. Ein guter Ort für Menschen, die die Orientierung verloren haben. Mark Bär arbeitet hier als Sozialarbeiter. Mit langem, grauem Bart und einem Porträt des linken Philosophen Walter Benjamin über seinem Schreibtisch wirkt er wie ein Altachtundsechziger. Und ein bisschen redet er auch so.
"Viele junge Menschen, die zu uns kommen, kommen aus sozial deklassierten Schichten, heute sagt man bildungsferne Schichten. Im Grunde sagt man ja damit, dass sie zu blöde sind, aber bekanntlich hat das ja auch etwas mit der Klasse zu tun."
Mark Bär ist stolz darauf, dass Christian Natzinger es geschafft hat, wichtige erste Schritte aus dem sozialen Elend zu machen, in das er als Jugendlicher geraten ist. Dennoch: Als heute 23-Jähriger gehört er immer noch zu den elf Prozent aller Wohnungslosen in Rheinland-Pfalz, die jünger als 24 Jahre alt sind. Doch die Chance, bald ein eigenes Arbeitseinkommen und eine Wohnung zu haben, sind für Christian Natzinger groß. Denn er steht wenige Tage vor dem Ausbildungsabschluss als Fachlagerist. Ein Ziel, auf das im Augenblick alles fokussiert ist.
"Wenn das wirklich in der Tasche ist, dann mache ich mir wirklich weiter Gedanken. Weil, überhaupt mal was in der Hand haben und sagen: Hier, ich habe was. Und wenn ich den Brief, dass ich bestanden habe, in der Hand halte, dann kann ich auch wirklich sagen, okay, jetzt gucke ich mal, wie es weiter geht. Schritt für Schritt. Weil wenn ich sage, ich mache alles auf einen Schlag, dann weiß ich, spätestens nach zwei Wochen wäre ich da, wo ich ganz am Anfang war. Und da wieder zurück hin, nein!"
Der Sozialarbeiter Mark Bär sieht die Gefahr, dass immer mehr junge Erwachsene durch soziale Netze fallen. Ein Thema, das die heutige Mainzer Fachtagung zu jungen Wohnungslosen bestimmt. Der erfahrene Obdachlosen-Betreuer glaubt jedoch nicht, dass ausschließlich Hilfsangebote der Wohlfahrtsverbände weiterhelfen. Sein Augenmerk richtet Mark Bär eher auf sinnvolle Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, durch die Jugendliche die Chance bekommen, sich ein selbstständiges Leben zu organisieren.
"Wenn ich schon sage Chance, dann zeigt das schon den Widersinn. Ein junger Mensch erfährt eine Chance, es müsste eigentlich sein Recht sein. Ein junger Mensch möchte sich in der Arbeit erfahren, spüren. Das heißt, nicht das Gespräch bildet ihn weiter, sondern das konkrete Erleben in der Arbeit, in der Praxis."
Christian Natzinger hat jetzt die große Möglichkeit, das Obdachlosenheim am Mainzer Hauptbahnhof hinter sich zu lassen:
"Im Moment stehe ich kurz davor: Job, Wohnung und eigenes Leben. Wo ich auf eigenen Füßen stehe."
"Ich komme aus einer zerrütteten Familie. Wir hatten eigentlich nie einen großen Familienzusammenhalt. Ich hatte das Problem, dass ich mit meiner Mutter eigentlich schon von Geburt an alleine zusammengelebt habe. Sie hat dann von der Klinik gesagt gekriegt, dass sie Krebs hat. Hat dann auch in einer schwerwiegenden Operation den Krebs entfernen lassen, das war Darmkrebs. Sie ist dann in einer Nachtoperation wegen Komplikationen gestorben. Und das hat mich dann komplett aus der Bahn geworfen."
Christian Natzinger kam nicht allein klar. Weil sich niemand um ihn kümmerte, begann für den 18-Jährigen die wohl schlimmste Phase seines Lebens:
"Da war ich auf einmal dann alleine, ohne wirklich zu wissen, was soll ich tun. Ich stand dann da und war heillos dem Chaos ausgeliefert. Ach von der Familie her, da ist nicht so ein Zusammenhalt entstanden, so wir müssen da irgendwas machen oder so was. Ich war wirklich komplett alleine. Und habe dann mehr oder weniger ein drei viertel Jahr rumvegetiert. Also es war nicht wirklich leben, das waren Zustände, es war wie ein Rattenloch, kann man sagen. Es war Müll überall, ich habe in Müllbergen gelebt."
Das Mainzer Heinrich-Egli-Haus war für Christian Natzinger die Rettung. Die evangelische Obdachloseneinrichtung ist kein Paradies, doch hier wirkt alles sauber und klar gegliedert. Ein guter Ort für Menschen, die die Orientierung verloren haben. Mark Bär arbeitet hier als Sozialarbeiter. Mit langem, grauem Bart und einem Porträt des linken Philosophen Walter Benjamin über seinem Schreibtisch wirkt er wie ein Altachtundsechziger. Und ein bisschen redet er auch so.
"Viele junge Menschen, die zu uns kommen, kommen aus sozial deklassierten Schichten, heute sagt man bildungsferne Schichten. Im Grunde sagt man ja damit, dass sie zu blöde sind, aber bekanntlich hat das ja auch etwas mit der Klasse zu tun."
Mark Bär ist stolz darauf, dass Christian Natzinger es geschafft hat, wichtige erste Schritte aus dem sozialen Elend zu machen, in das er als Jugendlicher geraten ist. Dennoch: Als heute 23-Jähriger gehört er immer noch zu den elf Prozent aller Wohnungslosen in Rheinland-Pfalz, die jünger als 24 Jahre alt sind. Doch die Chance, bald ein eigenes Arbeitseinkommen und eine Wohnung zu haben, sind für Christian Natzinger groß. Denn er steht wenige Tage vor dem Ausbildungsabschluss als Fachlagerist. Ein Ziel, auf das im Augenblick alles fokussiert ist.
"Wenn das wirklich in der Tasche ist, dann mache ich mir wirklich weiter Gedanken. Weil, überhaupt mal was in der Hand haben und sagen: Hier, ich habe was. Und wenn ich den Brief, dass ich bestanden habe, in der Hand halte, dann kann ich auch wirklich sagen, okay, jetzt gucke ich mal, wie es weiter geht. Schritt für Schritt. Weil wenn ich sage, ich mache alles auf einen Schlag, dann weiß ich, spätestens nach zwei Wochen wäre ich da, wo ich ganz am Anfang war. Und da wieder zurück hin, nein!"
Der Sozialarbeiter Mark Bär sieht die Gefahr, dass immer mehr junge Erwachsene durch soziale Netze fallen. Ein Thema, das die heutige Mainzer Fachtagung zu jungen Wohnungslosen bestimmt. Der erfahrene Obdachlosen-Betreuer glaubt jedoch nicht, dass ausschließlich Hilfsangebote der Wohlfahrtsverbände weiterhelfen. Sein Augenmerk richtet Mark Bär eher auf sinnvolle Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, durch die Jugendliche die Chance bekommen, sich ein selbstständiges Leben zu organisieren.
"Wenn ich schon sage Chance, dann zeigt das schon den Widersinn. Ein junger Mensch erfährt eine Chance, es müsste eigentlich sein Recht sein. Ein junger Mensch möchte sich in der Arbeit erfahren, spüren. Das heißt, nicht das Gespräch bildet ihn weiter, sondern das konkrete Erleben in der Arbeit, in der Praxis."
Christian Natzinger hat jetzt die große Möglichkeit, das Obdachlosenheim am Mainzer Hauptbahnhof hinter sich zu lassen:
"Im Moment stehe ich kurz davor: Job, Wohnung und eigenes Leben. Wo ich auf eigenen Füßen stehe."