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Junganwälte müssen Unternehmer sein

1990 gab es noch 56.000 zugelassene Rechtsanwälte in Deutschland - heute sind es fast 140.000. Der Markt wird eng. Wer nicht das Glück hat, in einer Großkanzlei, in Justiz oder Verwaltung unterzukommen, wird notgedrungen selbstständiger Rechtsanwalt - und muss um Mandanten kämpfen. So geht es immer noch den meisten Juraabsolventen. Allerdings dürfen Anwälte nur eingeschränkt für ihre Dienste werben. Junganwälte müssen kreativ sein, um Mandanten zu gewinnen.

Von Pascal Fischer |
    Endlich - eine potentielle Mandantin meldet sich. Sie hat über Bekannte von der jungen Kanzlei erfahren. John Dahl hat Anfang vergangenen Jahres mit zwei Studienfreunden eine Kanzlei im Prenzlauer Berg in Berlin eröffnet. Noch läuft viel über Mundpropaganda. Das Türschild draußen lockt nur wenige hinein. Dahl und seine Kollegen haben daher schon eine Künstlerin gefragt, ob sie in den Kanzleiräumen Bilder ausstellen möchte.

    " Die Idee war, dass man sich im Kiez bekannt macht... Hier ist ja künstlerisch anbitioniertes Bevölkerungspotential da, das man die auf diese Art anspricht. "

    Schließlich erlaubt das Gesetz nur eine eingeschränkte und allgemeine Werbung: Eben per Türschild oder per Zeitungs-Anzeige, die einen Tätigkeitsschwerpunkt angibt. Direkt angesprochen werden dürfen potentielle Mandanten nicht. Sprüche wie "Wir kämpfen für Sie!" "Kommen Sie zum besten Anwalt Berlins" sind verboten. John Dahl will deshalb auch Abendveranstaltungen mit literarischen Lesungen und juristischen Vorträgen anbieten. Rechts-Info gepaart mit Unterhaltung sozusagen. Das Konzept sieht vor,...

    "…dass man einen Vortrag hält und aus künstlerischer Ecke einen Autor aus seinem Buch vorlesen lässt, damit es nicht so staubtrocken bleibt und die unterschiedlichen Interessen zusammengeführt werden. "

    Solche Kundschaft interessiert insbesondere Jan Simon aus der Kanzlei. Er kümmert sich um Urheberrechtsfragen. Denn auch privat interessiert er sich für Musik, arbeitet nebenher als Musikjournalist. Und das hat Vorteile: Einerseits hat Simon eine zweite Einnahmequelle neben der langsam anlaufenden Anwaltsexistenz. Simon lernt bei seinen Interviews auch Künstler mit rechtlichen Problemen kennen. Potentielle Mandanten, für die Simon der passende Anwalt ist,...
    "...weil die Leute dann erfahren: Du interessierst Dich nicht nur für Musik, Du kannst es auch rechtlich beurteilen. Prüf doch mal meinen Vertrag! "

    Auch, wenn jeder Anwalt am Anfang alle Rechtsgebiete beackert - eine Spezialisierung sei notwendig, sagt Cord Brückmann vom Deutschen Anwaltverein in Berlin. Wenn das Hobby zum juristischen Arbeitsschwerpunkt wird, gerät das oft zur besten Auszeichnung und hilft bei der Mundpropaganda:

    " Man muss die Menschen verstehen, man muss die Lebenssachverhalte verstehen! "

    Damit auch gänzlich fremde Kunden kommen, geben viele Junganwälte die Zurückhaltung ihrer älteren Kollegen auf, erzählt Jan Simon: In den Bezirken Prenzlauer Berg und Friedrichshain sieht man immer mehr Kanzleien im Erdgeschoss von Häusern. Dort arbeiten die Juristen dann für alle Passanten sichtbar.

    " Viele in einem richtigen Schaufenster, wo dann in Milchglasschrift ANWALT draufsteht. Das verbreitet sich so ein bisschen, Freunde von mir machen das und sind erfolgreich. Wie attraktiv das wirklich ist, ist schwer zu beurteilen. "

    Noch weiter geht Stephan Kuven. Der 33jährige wirbt seine Kunden allein über das Internet. Dort hat er die Seite "Mahnoffice" eingerichtet. Wer Geld bei einem Schuldner eintreiben möchte, kann eine Email schreiben und wird noch am selben Tag zurückgerufen. Oder er kann sein Problem im Livechat besprechen oder - ganz altmodisch - anrufen.

    " Junge Leute fühlen sich mit Onlinehandel und so weiter im Internet mehr und mehr zuhause und haben weniger Probleme, ihren anwältlichen Rat über Internet zu suchen. Wenn die anwältliche Schwellenangst abgebaut wird, kommt man gut in Kontakt! "

    Drucker und Frankiermaschine laufen heiß. Mit 4 Anwälten arbeitet Kuven mittlerweile in seiner jungen Kanzlei.

    Das Geschäft läuft gut, eben weil so viele Arbeitsschritte automatisiert sind. Weil das Tätigkeitsfeld "Forderungseinzug" nicht viel Geld bringe, müsse man bundesweit tätig sein - Rentabilität und Kundenakquise im nötigen Umfang könne allein das Internet bieten, meint Stephan Kuven.

    Solche Beispiele begeistern Cord Brügmann vom Deutschen Anwaltverein. Er rät davon ab, sich von düsteren Berufsprognosen abschrecken zu lassen. Man müsse begreifen, ...

    "...dass der Anwaltsberuf kein Selbstläufer mehr ist... Diejenigen Anwälte, die erfolgreiche Konzepte haben, das sind die, die Konzepte entwickelt haben, die einen Businessplan geschrieben haben. Man muss sich auf den Beruf vorbereiten, und wer das tut, wird Erfolg haben."