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Junge Greise im frühen Kosmos

Astronomie. - In Prag erörtern in den kommenden zwei Wochen 2500 Forscher aus aller Welt auf dem aktuelle Fragen der ältesten Wissenschaft der Welt. Zum Auftakt standen Galaxien - also große Systeme von Milliarden von Sternen - im Mittelpunkt.

Von Dirk Lorenzen |
    Mariska Kriek von der Sternwarte Leiden in den Niederlanden forscht in der Vergangenheit des Kosmos. Sie blickt weit hinaus ins Universum - und somit weit zurück in die kosmische Geschichte. Etwa die Hälfte der Galaxien, die es vor neun Milliarden Jahren im noch recht jungen Universum gegeben hat, hatten bereits recht alte Sterne, staunt die Astronomin. Ihr ist diese Entdeckung im Rahmen ihrer Doktorarbeit gelungen. Zudem entstehen in diesen Galaxien kaum noch neue Sterne - der Nachwuchs bleibt aus.

    Woher aber diese "früh vergreisten" Galaxien im jungen Kosmos kommen, ist den Astronomen ein Rätsel. Nach dem Urknall war das All zunächst ein Einheitsbrei aus kaltem, dunklem Gas. Allmählich verklumpte das Gas zu großen Wolken - die ersten Sterne zündeten und die Galaxien bildeten sich. Doch das alles sollte einige Zeit gedauert haben - Zeit, die die jetzt von Mariska Kriek aufgespürten Galaxien kaum gehabt haben können.

    "Die großen roten Galaxien da draußen sehen schon ziemlich normal aus, so wie die Galaxien, die wir heute in unserer kosmischen Nachbarschaft haben. Offenbar ist denen dann in der Entwicklung des Universums nicht mehr viel passiert. Allerdings wissen wir das noch nicht genau. Womöglich ist die Sternentstehung irgendwann wieder angesprungen. Aber wir können beim besten Willen nicht erklären, warum es diese großen roten Galaxien damals schon gegeben hat."

    Die Forscher kennen seit langem schon Galaxien oder Bruchstücke von Galaxien zu noch viel früheren Zeiten. Aber diese Galaxien enthalten zumeist junge blaue Sterne - sie sind sehr aktiv und leuchten hell. Doch die jetzt entdeckten Galaxien sind eher rot und lichtschwach - mit ihnen schließen die Astronomen eine Beobachtungslücke, mit der sie lange zu kämpfen hatten.

    "Wir haben 26 Galaxien in einem Bereich beobachtet, als das Universum zwischen dreieinhalb und viereinhalb Milliarden Jahre alt war. Diese Gegend ist sehr schwer zu beobachten. Denn das sichtbare Licht ist wegen der Ausdehnung des Kosmos so weit verschoben, das es in "normalen" Teleskopen nicht mehr zu sehen ist. Man braucht Teleskope im Bereich der Wärme- oder Infrarotstrahlung wie das neue internationale Gemini-Süd-Teleskop in Chile. Jetzt haben wir erstmals detaillierte Daten aus diesem Bereich des Kosmos."

    Wie so oft in der Astronomie sorgen neue Instrumente für neue Entdeckungen - und neue Rätsel. Denn die Theoretiker haben größte Mühe zu erklären, wie sich nach dem Urknall innerhalb von nur etwa vier Milliarden Jahren große Galaxien bilden konnten - und warum den Galaxien reihenweise die Puste ausgegangen ist, warum sie so plötzlich aufgehört haben, Sterne zu bilden. In einer solchen Lage gibt es auch bei den Astronomen die "üblichen Verdächtigen":

    "Vielleicht hängt es mit den extrem massereichen Schwarzen Löchern im Zentrum dieser Galaxien zusammen. Die Schwarzen Löcher könnten irgendwie die Sternentstehung gestoppt haben. Aber es ist noch völlig unklar, wie genau die Entwicklung der Galaxien und die der Schwarzen Löcher zusammenhängt. In diesem Bereich forschen wir und viele andere Teams gerade weiter."

    Zunächst bleibt den Astronomen nur das Staunen: Im recht jungen Kosmos sind manche Galaxien schon ausgewachsen und schnell gealtert. Um deren Existenz zu verstehen, wird die Theorie allein nicht reichen: Die Forscher müssen beobachten, wie sich diese alt aussehenden Galaxien gebildet haben - und was dann später aus ihnen geworden ist.