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Junge Kinokunst der Welt

Morgen endet das 58. Internationale Filmfestival in Mannheim-Heidelberg, das zweitälteste Filmfestival in Deutschland nach der Berlinale, aber dabei auf den Nachwuchs spezialisiert.

Von Wolfgang Martin Hamdorf | 14.11.2009
    Eine junge Frau verlässt ihre Heimat. Der Film "My Tehran for Sale" führt in die Dissidentenszene junger Künstler und ist ein ungewöhnliches Porträt der iranischen Hauptstadt. Im Zentrum der Geschichte steht eine junge Schauspielerin in Teheran, die die dauernde Repression durch die Sittenwächter der Revolution nicht mehr erträgt und daher nach Australien auswandern möchte. Aber sie erhält kein Visum, weil sie nach Auffassung der australischen Botschaft nicht genügend unterdrückt würde.

    Das Debüt von Regisseurin Granaz Moussavi ist ausschließlich in Teheran gedreht worden. Das ist sehr untypisch, da iranische Filmemacher oft auf dem Land drehen, mit Metaphern arbeiten und die Wirklichkeit des Landes allegorisch verschlüsseln. Dem wollte die 35-Jährige das Bild ihrer Generation, einer Generation der Großstädte entgegensetzen:

    "Diese Energie und diese Kraft, dieses Gefühl bevorstehender Veränderungen, inspirierten mich zu diesem Film. Diese Energie der jüngeren Generation, die über alle Hindernisse und Widerstände hinweg geht, stimmt auf der einen Seite sehr hoffnungsvoll, und gibt auf der anderen Seite eine Alternative zum gängigen Iranbild vieler iranischer und westlicher Medien."

    In Mannheim kommen unterschiedliche Filmemacher aus unterschiedlichen Kulturen zusammen. Nur am Anfang ihrer Karriere müssen sie stehen: 17 Debütfilme waren dieses Jahr im Wettbewerb zu sehen und acht in der Reihe "Internationale Entdeckungen". Dabei sind dieses Jahr auch viele Filme aus Lateinamerika und oft stellen die Filmemacher die soziale Realität ihrer Länder mit ganz eigenwilligem Ausdruck dar: So etwa der argentinische Wettbewerbsbeitrag "Cano Dorado", "goldenes Rohr". Hier handelt ein junger Arbeiter einer Metallfabrik mit illegalen Waffen und gerät in einen tödlichen Konflikt. Regisseur Eduardo Pinto hat seinen Film in kalten Farben gehalten und sehr rhythmisch montiert, der Inhalt sei über die Form entstanden:

    "Die Form habe ich nie aus den Augen verloren. Als ich anfing zu schreiben, hatte ich bereits diese schnelle Montage im Anfang des Films im Kopf, und auch die Entwicklung der Elemente: das Metall am Anfang an das Feuer und besonders das Wasser. Diese Elemente gaben mir schon die Bilder des ganzen Films vor und nicht nur seine Geschichte."

    Andere Filme in Mannheim erzählen auf ganz einfache und doch beeindruckende Weise von menschlichen Elend und menschlicher Solidarität. In dem spanischen Film "Retorno a Hansala" (Rückkehr nach Hansala) bringen ein spanischer Bestattungsunternehmer und eine junge marokkanische Imigrantin den toten Bruder heim zur Familie. Er ertrank beim Versuch die Meerenge von Gibraltar zu überqueren. Für die Hauptdarstellerin Farah Hamed ein wichtiger Film für die spanische und die marokkanische Gesellschaft:

    "Dieser Film ist wie eine Brücke zwischen den Kulturen und ich fühle mich selbst als Brücke, denn ich bin selbst in Marokko geboren, aber in Spanien aufgewachsen. Ich glaube, solche Filme sind notwendig, denn wir brauchen mehr Brücken und weniger Barrieren."

    Mit dem "Master of cinema" für sein Gesamtwerk wurde dieses Jahr der kanadisch-armenische Filmemacher Atom Egoyan ausgezeichnet. Vor 25 Jahren zeigte er hier in Mannheim seinen ersten Film und gewann einen Preis. Heute, sagte Atom Egoyan, sei Filmemachen weniger elitär und einfacher zugänglich:
    "Aber das Problem ist, dass es heute so viel zu sehen gibt, dass wir uns kaum noch konzentrieren können. Deswegen sind Festivals wie dieses heute so wichtig, weil sie Kriterien schaffen und eine bestimmte Art Filme zu machen und Filme zu sehen unterstützen."