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Junge Plattentektonik auf altem Planeten?

Geophysik. - Es gibt zwei offensichtliche Faktoren, die die Erde zu etwas Besonderem machen: Erstens gibt es Leben - und vor allem: höheres Leben auf ihr -und zweitens hat sie Plattentektonik. Die Plattentektonik hält unseren Planeten lebendig. Doch wann hat dieses Phänomen eingesetzt? Diese Frage ist vollkommen offen, auch wenn sicher erscheint, dass die junge Erde zu heiß gewesen ist für die Plattentektonik. Jetzt schlägt ein amerikanischer Geophysiker einen sehr späten Zeitpunkt für den Beginn der Plattentektonik vor.

Von Dagmar Röhrlich |
    Merkur hat sie nicht, Venus hat sie nicht, Mars hat sie nicht: Nur die Erde hat sie - sie ist im Sonnensystem der einzige Planet mit Plattentektonik. Nur sie lässt mit diesem besonderen Mechanismus Hitze ab. Ihr Inneres wird umgewälzt: An mittelozeanischen Rücken steigt Lava auf und erstarrt zu neuer Meereskruste. Im Lauf der Jahrmillionen nimmt diese Kruste immer mehr Wasser auf, wird kalt und schwer und sinkt ins Erdinnere zurück. Diese Zonen, an denen ozeanische Platten absinken, heißen Subduktionszonen. Robert Stern von der University of Texas in Dallas:

    " Wir kennen inzwischen den Motor hinter diesen Plattenbewegungen, die die Kontinente über die Erde ziehen: Es ist das Absinken der Lithosphäre, also der äußeren Schicht um die Erde herum, die aus der Kruste und dem obersten Teil des Mantels besteht. Dieses Absinken ist für 90 Prozent der Kräfte verantwortlich, die die Platten antreiben. Bisher hatte man gedacht, dass das der Druck macht, den die an den mittelozeanischen Rücken aufsteigende Lava ausübt. Die Platten werden also nicht geschoben, sondern durch das Absinken der Lithosphäre gezogen wie ein nasses Handtuch, das vom Rand der Badewanne gleitet."

    Wenn also der Motor der Plattentektonik von der Schwerkraft abhängt - wann war die Erde reif dafür?

    " Der Motor der Plattentektonik läuft erst, wenn die Lithosphäre dicht und damit schwer genug ist: Um an den Subduktionszonen absinken zu können, muss sie also erst dichter werden als der Mantel darunter. Sonst kann das Ganze nicht funktionieren."

    Geochemische Daten zeigen, dass der junge Planet in seinem Inneren sehr viel heißer war als die Erde heute. Auch die junge Kruste soll leichter gewesen sein. Wenn die Subduktionszonen den Start der Plattentektonik markieren, dann lässt sich dieser Zeitpunkt anhand ihres Alters bestimmen, so Stern:

    " Das bringt uns auf drei heiße Spuren, denn es gibt drei für Subduktionszonen typische Gesteine - das sind die so genannten Blauschiefer, die Ophiolithe und noch ein dritter Typ. Die entstehen, weil die mit Wasser vollgesogene ozeanische Kruste den Erdmantel um sich herum kalt abschreckt: Die Gesteine, die dann sich entlang dieser Zone bilden, entstehen also unter vergleichsweise niedrigen Temperaturen bei gleichzeitig sehr hohen Drücken."

    Diese drei "Indikatorgesteine" sind in der Erdgeschichte äußerst selten - bis in die Zeit vor rund 600 Millionen Jahren: Dann werden sie plötzlich häufig:

    " Das ist das Spannende. Das deutet darauf hin, dass die Subduktion erst vor rund 600 Millionen Jahren begonnnen hat. Deshalb ist es logisch, dass das der Zeitpunkt ist, an dem auch die Plattentektonik einsetzte. "

    Das wäre eine Milliarde Jahre später, als es die meisten seiner Kollegen denken - und damit sind die Ideen sehr umstritten. Allerdings wäre es ein sehr interessanter Zeitpunkt: Denn damals setzten auf der Erde urplötzlich wilde Klimaschwankungen ein, und wenig später entstanden, wie aus dem Nichts, die ersten Tiere. Interessant ist die Idee vom späten Beginn der Plattentektonik auch für die Erforschung der anderen Planeten. Die Erde hätte erst spät ihren Sonderweg eingeschlagen.

    " Alle Planeten haben Krusten, und die sieht im Grunde wie Kontinentalkruste aus. Auch das Gros der irdischen Kontinentalkruste ist viel älter als die Plattentektonik, entstand vor mehr als 2,7 Milliarden Jahren, als das Erdinnere noch zu heiß war für Plattentektonik, und es gibt keine Hinweise darauf."

    Vielmehr scheint sich die frühe Erde zunächst eher so abgekühlt zu haben, wie es für den Mars angenommen wird: über "Mantelplumes", also ultraheißes Gestein, das in einer schmalen Röhre von der Kern-Mantel-Grenze aufsteigt und an der Oberfläche Vulkane speist. Auf der Erde passiert das heute unter Hawaii oder Island. Was vor der Plattentektonik war - gute Frage, aber darüber könne er nur spekulieren, lacht Robert Stern:

    " Wie das vor der Plattentektonik passiert sein könnte, ist nur schwer vorstellbar. Ich jedenfalls kann es mir nicht vorstellen. "