Archiv


Junglehrer in Wartestellung

In vielen Bundesländern sind Zeitverträge für Junglehrer üblich. Besonders krass fällt die Situation in Nordrhein-Westfalen aus, wo verschiedene Faktoren die Lage verschärfen - und nun auch noch die Mittel für Vertretungsstellen um 50 Prozent gekürzt wurden.

Von Susanne Lettenbauer |
    Generation Zeitvertrag nennt man die Junglehrer von heute. Die Gründe sind vielfältig: Einerseits fallen bis zu 5,3 Prozent der Unterrichtsstunden aus, flexible Vertretungslehrer werden da dringend benötigt. Andererseits lässt der Ruf nach Haushaltskonsolidierung und der Rückgang der Schülerzahlen von bis zu 20 Prozent in den nächsten zehn Jahren die Kultusministerien zu Zeitverträgen greifen.

    Beispiel Hessen: Rund 6000 Lehrer müssen von Jahr zu Jahr auf eine Verlängerung ihrer Beschäftigung hoffen, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Seit vor knapp zehn Jahren gut 1000 Beamtenstellen gekürzt wurden, ist diese Zahl nie wieder aufgestockt worden. Die Folge: Innerhalb von sechs Jahren wurden in Darmstadt und Gießen 13 beziehungsweise 14 Zeitverträge an zwei Lehrkräfte vergeben. Gerichte stoppten diese Kettenverträge. Ein ähnlicher Fall wurde in Rheinland-Pfalz bekannt. Die Lösung, diese Lehrer als "ständige, also Vollzeitvertretungskräfte" an jeder Schule zu beschäftigen, wie von Gewerkschaften angeregt, wird bislang abgelehnt.

    Dieser Vorschlag wird aber auch in Bayern diskutiert. Genau 2045 junge Grundschulabsolventen warten im Freistaat auf eine Stelle, rund 800 junge Gymnasiallehrer hangeln sich von Vertrag zu Vertrag. Lehrerreserven würden bereits zum Schuljahresbeginn wie normale Lehrkräfte fest eingeplant, kritisiert der Arbeitskreis Junglehrer in Bayern.

    Dieser Druck fängt schon bei den Referendaren an. In Einzelfällen mussten Lehramtsstudierende bis zu vier mal während ihres Referendariats die Schule wechseln, als quasi Vertretungslehrer, die ungewollt Stellen einsparen helfen.

    Glaubt man den Kultusministerien in den ostdeutschen Bundesländern, dann ist die Zeit der Kurzverträge und arbeitslosen Junglehrer längst vorbei: Mittlerweile wird sogar wieder über eine Verbeamtung diskutiert, um gute Junglehrer vor allem der Naturwissenschaften nicht an Nachbarländer zu verlieren. Erst am Donnerstag verkündete das Kultusministerium in Magdeburg, dass zum kommenden Schuljahr 120 Lehrerstellen zusätzlich zu den geplanten 220 geschaffen würden. Das sind jedoch keine neuen Stellen, nur vorgezogene aus den Jahren 2016 bis 2019.

    Nicht so in Nordrhein-Westfalen: Hier wurde das Referendariat äußerst ungünstig während des doppelten Abiturjahrganges um die Hälfte gekürzt. Die paradoxe Folge: Zwei Absolventenjahrgänge bekamen gleichzeitig ihr Abschlusszeugnis. Von den 2000 Lehramtsstudenten in diesem Jahr werden viele also auf der Straße stehen. Auch weil die Umstellung auf G-8 weniger Lehrer benötigt. Selbst die Aussicht auf Vertretungsstellen sind schlecht. Das Land NRW hat jetzt den Topf für die Vertretungsmittel um drastische 50 Prozent auf 25 Millionen Euro gekürzt.

    Ganz besonders findig zeigt sich in der Diskussion um Junglehrer der Norden Deutschlands. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende forderte kürzlich mehr ehrenamtliche Initiative der Lehrkräfte, das würde Geld sparen, mit dem die prekären Zeitverträge für junge Lehrer in Vollzeitstellen umgewandelt würden.

    Denn eigentlich suche Schleswig-Holstein nach gut ausgebildeten Pädagogen, nur das eben in den Naturwissenschaften und nicht in Geschichte oder Deutsch. Um das Land für Junglehrer attraktiver zu machen, kündigte Wende an, künftig auf Zeitverträge zu verzichten, jedenfalls auf kurzfristige. Es sei "fatal", so ihre Einsicht, wenn Einsteiger "erst mal nur Zeitverträge für ein, zwei oder drei Jahre bekommen".