Dienstag, 23. April 2024

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Jungschauspielerin Helena Zengel
Eine Schreibmaschine von Tom Hanks: "Das war ein Segen"

Im Alter von gerade zwölf Jahren gehört Helena Zengel schon zu den erfolgreichen deutschen Schauspielern. Zuletzt war sie für ihre Rolle in "News of the World" neben Tom Hanks für den Golden Globe nominiert. Der US-Star lobte sie sehr und schenkte ihr eine Schreibmaschine mit einem besonderen Auftrag.

Kolja Unger im Corsogespräch mit Helena Zengel | 13.04.2021
Helena Zengel an der Seite von Tom Hanks im Film "News of the World."
Helena Zengel an der Seite von Tom Hanks im Film "News of the World." (picture alliance / Universal Pictures / Bruce W. Talamon)
Hanks sagte über seine junge Kollegin, dass er auch gerne so natürlich schauspielern würde, wie sie es kann. Beobachten konnte er Helena Zengel aus nächster Nähe, als sie gemeinsam für Paul Greengrass' "News of the World" vor der Kamera standen. Dass Helena Zengel keine typischen Kinderrollen spielt, hatte sie schon in "Systemsprenger" von Nora Fingscheidt gezeigt. Sie spielt darin die schwer erziehbare Benni. Der Film wurde mit mehr als 30 Preisen ausgezeichnet. All das soll erst der Anfang sein, hofft die junge Schauspielerin, die über sich selbst sagt: "Dieses dramatische Fach ist schon das, was mir liegt, und was ich auch immer viel machen werde".
Kolja Unger: Was nervt als Schauspielerin und was ist toll?
Helena Zengel: Ich finde es toll. Also ich bin gerne Schauspielerin und wollte es auch schon lange sein und freue mich, dass ich jetzt eine Schauspielerin geworden bin. Und toll ist natürlich alles daran und nerven tut mich daran nichts. Manchmal die langen Wartezeiten, die man am Set hat. Aber prinzipiell finde ich es einfach toll und auch den Kick, den man vor der Szene hat.
Unger: Wie bist du denn nach Hollywood gekommen?
Zengel: Ich habe als Erstes ein paar andere Filme gemacht und dann "Die Tochter" und anschließend kam dann "Systemsprenger", welcher dann auch in Deutschland ziemlich erfolgreich geworden ist und sich durch die Medien gesprochen hat. Und durch Zufall war dann tatsächlich der Regisseur Paul Greengrass auch bei der Berlinale dabei und hat mich dann in "Systemsprenger" gesehen und hat zu seiner Assistentin gesagt: 'Schau, was sie mit ihren Augen machen kann'. Das ist im Film "Neues aus der Welt" ja sehr wichtig, ich spreche ja nicht so viel. Und dann haben wir die Anfrage bekommen, ob ich da zum Casting gehen möchte. Und natürlich hab ich ja gesagt, es war eine tolle Rolle und dann auch noch mit der Besetzung.
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Reiten, Schule, Schauspielern

Unger: Wie viel Raum nehmen denn in deinem Leben Schauspiel, Casting und Promo ein und wie viel Zeit hast du auch für Freunde, Freizeit und zum Beispiel Reiten?
Zengel: Direkt nach dem Film, der gerade rausgekommen ist, gibt es natürlich immer mehr Anfragen, wo man auch sowieso Castings macht oder zu Castings geht. Aber prinzipiell lebe ich mein ganz normales Leben. Wenn ich zu Hause in der Schule bin, dann bin ich einfach ein normales 12-jähriges Schulkind und gehe am Nachmittag reiten und habe trotzdem noch Zeit zu lernen oder mich mit Freunden zu treffen.
Unger: Habt ihr in der Familie Regeln, damit der Stress und der Ruhm nicht zu viel wird?
Zengel: Regeln würde ich nicht sagen. Natürlich kann ich sagen, wenn mir etwas zu viel wird oder ich das gerade nicht will oder eine Rolle nicht will, darf ich das natürlich sagen, es ist ja meine Entscheidung. Ich habe schon einen sehr strukturierten Tag und ich hab auch teilweise viel zu tun. Aber ich mag das gerne und ich kann das gut ab, weil ich einfach viele Interessen habe und die gerne alle auslebe. Und von daher hilft mir da meine Mum auch sehr doll, dass wir eben manchmal auch Tagespläne machen und genau sagen: 'Okay, dann machst du das, dann kannst mit deinen Freunden spielen, danach noch mal ein Casting', also da gibts immer einen schönen Ausgleich.

Tagespläne können den Tag strukturieren

Unger: In "News of the World" spielst du das heimatlose Waisenmädchen Johanna an der Seite von Tom Hanks und der hat dich ja auch immer wieder in höchsten Tönen gelobt. Was glaubst du denn: Was kannst du besonders gut und was würdest du gerne noch besser können im Schauspiel?
Zengel: Die eine schöne oder ganz tolle Sache am Schauspiel ist eben, dass man nicht wirklich was falsch machen kann, sondern es nur anders machen kann. Es gibt eine Szene und du musst lachen und du lachst ganz hysterisch. Da kann der Regisseur sagen: 'Boah, finde ich richtig geil. Es macht richtig Spaß und es ist cool, dir zuzuschauen. Du bist voll in der Rolle' oder man sagt: 'Nee, das ist es nicht ganz'. Von daher kann man dieses 'ich bin sehr gut' oder 'ich bin sehr schlecht' gar nicht differenzieren, weil es auch für jeden Geschmack anders ist. Jetzt zum Beispiel habe ich einen Western gemacht. Vorher war es ein Drama.
Unger: Lass uns doch noch mal über die beiden Rollen sprechen, die du eben auch angesprochen hast. Also Johanna und Benni in "Systemsprenger". Das sind ja beides Mädchen, die heftige Verluste erlitten haben, die traumatisiert sind. Was hat dir geholfen, dich in die hineinzuversetzen?
Zengel: Bei "Systemsprenger" hatten wir ein halbes Jahr Vorlaufzeit vor dem Film. Das heißt, ich habe wirklich sehr viel mit den anderen Schauspielern gesprochen, mit Nora Fingscheidt gesprochen, mit meiner Mama. Wir haben das Drehbuch gelesen, wir haben Listen aufgestellt, wer wie reagieren würde. Und wenn ich mal gesagt habe, Leute, nicht noch mal schreien jetzt, dann war das auch kein Problem. Und genau das gleiche bei "News of the Word". Wir waren auch schon vorher in Amerika, ich konnte mich an die Sprache versuchen anzupassen, hatte Kiowa Training drei Wochen lang. Und wir haben dann für die Schule schon mal aufgearbeitet, sodass wir am Set immer entspannt sein konnten. Und natürlich hab ich Tom kennengelernt und auch die anderen Charaktere und einfach mich in die Rolle rein gebeamt, irgendwie mit dem Regisseur gesprochen.

Mitspracherecht am Set

Unger: Du hast auch schon gesagt, "Systemsprenger", das war kein Pipifax. Da ging es ja viel ums Austicken und die verhältnismäßig eher ruhigere Johanna war die dann schwieriger zu spielen eigentlich?
Zengel: Es ist immer schwierig, Rollen zu vergleichen, weil sie sehr anders sind. Gerade hier: Das eine ist ein Drama, das andere ist ein Western. Die eine spricht ganz viel und schreit rum und die andere spricht gar nicht. Aber für mich ist dieses ganz Ruhige und nur mit den Augen und der Mimik zeigen, was du willst und kannst, ist in gewisser Weise anspruchsvoller. Und von daher glaube ich, "Systemsprenger" war da in der Hinsicht etwas leichter.
Unger: Wie machst du das mit den Augen?
Zengel: Es kommt halt drauf an, welche Emotionen du rüberbringen willst. Wenn du lachst, dann musst du eben versuchen, dir was Lustiges vorzustellen, direkt Spaß am Set zu haben, den ganzen Tag lang und dann ein Leuchten in den Augen zu kriegen. Und wenn man traurig ist, dann guckt man natürlich traurig, oft guckt man zu Boden oder man weint sogar. So hat auch jeder seine eigene Technik. Der eine ist so professionell und nimmt Zwiebeln und fängt dann an zu weinen und der andere kann das wirklich von innen aus, weil er einfach sich das alles so gut vorstellen kann. Ich glaube, ich bin eher so der Typ, der sagt: 'Und bitte' und dann habe ich einen roten Tunnel drin und dann weiß ich, jetzt mach ich das und das, und dann heißt es 'Danke'. Und dann springe ich wieder rum wie ein Flummi.

Weinen ohne Zwiebeln

Unger: Du hast mal in einem Interview erzählt, dass Tom Hanks dir Tricks beigebracht hat, wie man es hinkriegt, sich am Set nicht zu langweilen. Kannst du uns einen oder zwei verraten?
Zengel: Ja, klar. Er hat mir eine Schreibmaschine geschenkt, mit der ich dann am Set geschrieben habe. Er meinte, wenn dir langweilig ist, schreib einfach auf, was dir am Herzen liegt oder was du gerade erzählen willst. Und das war ein Segen. Es war so toll. Und meine Mama meinte, das ist ja wie in den alten Zeiten. Ich bin generell gerne eine Schreiberin und habe grade ein Buch angefangen in Englisch. Ich schreibe immer in der U-Bahn auf dem Weg zu meinem Pferd oder ich setze mich ins Gras und schreibe da weiter. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, welches Genre es tragen wird. Aber es wird dann zum Drehbuch werden hoffentlich, wenn alles gut klappt. Und wenn dann doppelt alles gut klappt, werde ich vielleicht auch irgendwann dieses Mädchen spielen.
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